Rainer Nikowitz

Zu Gast bei Freunden

Zu Gast bei Freunden

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1. Reden Sie gefälligst Deutsch mit uns!

2. Falls Punkt 1 nicht erfüllt werden kann, möchten wir Sie dringendst auffordern, zwecks Vermeidung bedauerlicher Missverständnisse, die in manchen Gegenden unseres an sich friedliebenden Landes leicht zu einer Gnackwatschen führen können, lieber in unser Co-Veranstalterland Schweiz zu reisen. Dort kann auch niemand Deutsch.

3. Und selbst wenn Sie des Deutschen mächtig sind, etwa, weil Sie aufgrund einer grausamen Laune des Schicksals in Deutschland geboren wurden, sei Ihnen eines in aller Freundschaft gesagt: Wer bei uns eine Weinschorle bestellt, kriegt, was er verdient.

4. Bedenken Sie: Es geht zwar in den nächsten Wochen primär um Fußball, dennoch bewegen Sie sich in der größten Musiknation der Welt. Das erkennen Sie schon allein daran, dass unsere Fans im Stadion Ihre Hymne mitpfeifen. Verinnerlichen Sie, dass Beethoven Österreicher war und Hitler Deutscher. Und fragen Sie in der Fanzone niemanden, wie der letzte Satz der Unvollendeten heißt, denn da dreht sich ja Mozart im Grab um.

5. Sollten Sie bei einem Heurigen auf ein paar Gestrige treffen, könnte es zwar durchaus sein, dass diese einfach vom Vorabend übrig geblieben sind. Wahrscheinlicher ist allerdings, dass Sie sich in Kärnten befinden.

6. Das, worauf Sie gerade getreten sind, gehört zur österreichischen Folklore und ist nur mittelbar auf die bei uns hoch geachteten Trümmerlfrauen zurückzuführen.

7. Die in Ihrem Gastland im Moment aktuelle Regierungsform heißt „große Koalition“, was zugegebenermaßen ein etwas irreführender Begriff ist. Der Bundeskanzler heißt Alfred Gusenbauer. Ja, im Ernst.

8. Sollten Sie eine unglückliche Begegnung mit einem Österreicher haben, also etwa im Gedränge Ihr Bier auf ihm verschütten oder ihm in der Trafik irrtümlich die letzte „Kronen Zeitung“ wegkaufen, geben Sie einfach umgehend der EU die Schuld. Dann sind wir wieder gut.

9. Anderswo sollen Kellner angeblich Trinkgeld für besonders freundliche Bedienung erwarten. In Wien nicht.

10. Am 8. Juni findet in Tirol, einer noch sehr jungen De-mokratie, eine Wahl statt. Kein Grund zur Panik – die
mit Mistgabeln bewaffneten Bauern wollen nichts von Ihnen, sondern nur von einem gewissen Dinkhauser.

11. Sollten Sie Türke sein – kein Problem, nobody’s perfect! Scheiden Sie einfach in der Gruppenphase aus, fahren Sie danach umgehend heim
nach Asien – und wir reden nicht mehr drüber.

12. In der Salzburger Getreidegasse sind Sie mit Weizen nicht über die Maßen gern gesehen. Bei Gerschtl liegt der Fall anders.

13. Sollten Sie unmittelbar nach einem österreichischen Spiel auf Österreicher treffen, haben Sie plötzliches Interesse am Ski-Weltcup zu entwickeln. Auf Zuwiderhandeln steht ein Meet & Greet mit Peter Westenthaler.

14. Auch wenn Sie einen Fetzen haben, brauchen Sie sich noch lange nicht einzubilden, dass Sie bei uns eine Arbeitserlaubnis als Reinigungskraft bekommen.

15. Sollten Sie in Klagenfurt von einem wildfremden Mann angesprungen, umarmt und in dieser misslichen Lage auch noch fotografiert werden, brauchen Sie sich um Ihren Ruf nie wieder Sorgen zu machen: Es handelt sich um den Kärntner Landeshauptmann. Sie sind erledigt.

16. Möglicherweise streiken in Österreich während der EM die Ärzte. Die Bestattungsunternehmen nicht.

17. Liebe Kroaten! Ihre Medien bezeichnen unser Team als „lächerlich“. Wir werden also nicht umhinkommen, ein paar Worte über Ihre Curling-Mannschaft zu verlieren.

18. Sollte Deutschland Europameister werden, sehen wir uns leider gezwungen, deutschen Medizin-Absolventen hierzulande das Lenken von Taxis ein für alle Mal zu untersagen – Brüssel hin oder her.

19. Wenn Ihnen ein Gastwirt während der EM das berühmte Wiener Schnitzel – im Original selbstverständlich nur vom Schweinsknorpel – um weniger als um 15 Euro verkaufen will, machen Sie, dass Sie wegkommen. Der Mann ist verrückt.

20. Es ist nicht nötig, sich nach dem österreichischen Finalsieg einen Einheimischen zu schnappen, um ihn auf Händen zu tragen. Füße küssen reicht völlig aus. Wir sind schließlich keine Unmenschen.