Die Baumafia
Selbstverständlich soll dieser Titel nicht besagen, das die in diesem Bericht erwähnten Firmen und Personen Angehörige einer „Mafia“ im Sinne der Definition des Obersten Gerichtshofs sind: nämlich Mitglieder einer kriminellen Vereinigung zur Verwirklichung krimineller Ziele mit Hilfe krimineller Mittel. Vielmehr gibt es leider kein anderes Wort, das beim Leser in etwa die richtige Assoziation auslöst. Nämlich: Leute und Firmen, die imstande sind, durch ihre Absprachen und ihren Zusammenhalt einen Markt so zu beherrschen, das der, der ihnen nicht zugehört, dort kaum mehr eine Chance hat.
Als der Wiener Dipl.-Ing. Kurt Siller, 52, dieser Tage die Wirtschaftsseite des „Kurier“ überflog, übermannte ihn aufgestauter Zorn: „Gfraster san des lauter Gfraster, die mit uns machen, was sie wollen!“
Sillers Zorn (nicht die Verbalinjurien) bezog sich auf eine winzige Einspaltenmeldung: „Ein Großauftrag“‚ hieß es dort, „sichert die künftige Basisauslastung des derzeit defizitären Unternehmens Austria email: Das Allgemeine Krankenhaus Wien wird in einem mehrjährigen Auftrag Metalldeckenkonstruktionen kaufen.“ Siller kennt den Auftrag – er hat ihn sogar einmal kalkuliert. Vor allem aber kennt er sein Zustandekommen. Und wer jemals rätselt, warum bei Bauten der öffentlichen Hand im allgemeinen und beim Wiener Allgemeinen Krankenhaus im besonderen die Kosten explodieren, dem helfen Sillers Kenntnisse ein wenig weiter.
Der Auftrag über die „abgehängten Bandrasterdecken“ – eine ziemlich komplizierte Deckenkonstruktion – wurde im Mai 1974 öffentlich ausgeschrieben. Bestbieter war die Wiener Großbaufirma Hofman & Maculan.
Mit 87 Millionen Schillinge.
Dieser Preis war den AKH-Managern offenbar nicht recht, denn das Ganze wurde neu ausgeschrieben: Im Dezember 1977 legte die Bietergemeinschaft Odelga und Prutscher-Laboratoriumseinrichtungen ein Anbot.
Mit 160 Millionen Schilling.
Jetzt stimmte der Preis – die beiden Firmen bekamen prompt den Auftrag. Ihr einziges Problem bestand darin, daß sie kaum Erfahrung mit abgehängten Bandrasterdecken hatten. Die Firma Prutscher hatte sich daher schon vor Erstellung des Angebots an die Wiener Firma Fritz Mögle GmbH gewendet und ihr einen fetten Subauftrag versprochen. Dafür hatte Mögle GmbH ihre Hilfe bei der Kalkulation zugesagt: So kam es, daß Mögle-Geschäftsführer Ing. Kurt Siller die Bardrasterdecken des Allgemeinen Krankenhauses kalkulierte. Umsonst.
Denn kaum hatte man bei Prutscher den Auftrag, koppelte man sich wieder von der Mögle GmbH ab: Die Prutscher-Leute überkam die dunkle Ahnung, daß auch der 70-Mann-Betrieb Mögle schwerlich imstande sein würde, den 160-Millionen Auftrag technisch durchzuführen.
Da Prutschers Partnerfirma, die gemeindeeigene Odelga, in ihrer Firmengeschicht überhaupt noch niemals derartige Decken gebastelt hatte, kam sie auch nicht in Frage, die tatsächliche Arbeit zu leisten: Sie schied – nicht zu ihrem Nachteil – aus der gemeinsamen Bietgemeinschaft aus.
Prutscher suchte allein weiter und stieß auf die CA-BV-Konzerntochter Austria email. So erhielt das „derzeit defizitäre Unternehmen“ den „mehrjährigen Autrag“ des Allgemeinen Krankenhauses – der in Wirklichkeit ein Subauftrag der Firma Prutscher ist. Aber leider: Auch Austria email we nicht reich genug an einschlägigen Erfahrungen. Also suchte sie in den letzten Monaten heftig nach einem Subsubunternehmer. Und stieß auch auf einen, der die Potenz besessen hätte: auf die ursprüngliche Bestbieterfirma Hofman & Maculan.
Nur wollte Hofman & Maculan jetzt nicht: „Wir denken nicht daran, für diesen Auftrag, für den wir die gesamten Vorarbeiten geleistet haben, nun zu Subunternehmerpreisen zu übernehmen“ (Dipl.-Ing. Alexander Maculan). Mögle-Chef Siller faßt es allgemeiner: „Ich frage mich, ob es sittengerecht ist, an Firmen Aufträge der öffentlichen Hand zu übertragen, die solche Aufträge eigentlich gar nicht übernehmen können, weil sie technisch dazu gar nicht die Voraussetzungen mitbringen.“
Milliardenaufträge
Tatsächlich ist die Frage, wer bei Wiener Großbauvorhaben welche Aufträge erhält, längst nicht mehr die Frage nach dem Billigsten oder dem Besten: In Wien hat sich eine Baumafia etabliert. Firmen mit Fortüne, die bei jedem Großprojekt den richtigen Riecher haben, die richtigen Kontakte und die richtigen Preise. Firmen, die sich in Zeiten der Auftragsnot zusammenfinden und sich – nach dem Motto: „Leben und leben lassen“ – gegenseitig die Aufträge zuschanzen. Bezahlt wird vom Steuerzahler, denn bei den fettesten Happen ist durchwegs die öffentliche Hand beteiligt:
- Die UNO-City im Wiener Donaupark ist zwar fast fertig, aber schon zeichnet sich dort ein neues Großprojekt ab: der fünf Milliarden Schilling teure Neubau des Wiener Konferenzzentrums.
- Das Allgemeine Krankenhaus (dessen Kostenschätzungen zwischen 18 und 40 Milliarden Schilling pendeln) wird noch bis 1986 gebaut.
- Auf dem Gelände des Franz-Josefs-Bahnhofs entstehen drei Milliardenprojekte: Das Technische Zentrum der Creditanstalt-Bankverein (TZ-CA), dessen Gesamtkosten bei 2.1 Milliarden Schilling liegen. Weiters der Neubau der Zoologie und der Wirtschaftsuniversität (1,6 Milliarden ).
- Am rechten Donauufer wird am rund vier Milliarden Schilling teuren Verwaltungsgebäude der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten gebastelt.
Zusammen haben diese Baustellen ein Auftragsvolumen von rund 50 Milliarden Schilling – etwa ein Drittel davon entfällt auf den Innenausbau. Da sind ein paar kleine Absprachen zur rechten Zeit schon recht rentabel. So trafen einander etwa am 22. Mai 1978 in den Räumen der Wiener Firma Hofman & Maculan die Spitzen von neun Innenausbaufirmen, die sich eingehend darüber unterhielten, wie man die Innenausbauten im neuen Universitätszentrum Althanstraße (Wirtschaftsuniversität Franz-Josefs-Bahnhof) am vorteilhaftesten bewältigen könnte. Die ehrenwerten Herren befanden, daß man den Ausgang einer Ausschreibung doch unmöglich dem puren Zufall überlassen könnte, und so fixierten sie das Ergebnis besser gleich im voraus: Als Bestbieter – mit einer Preissumme von 100 Prozent - sollte die Firma Schranzhofer Genest Austria fungieren. Als Teuerstbieter – mit einer Preissumme von 114 Prozent – die Firma Possler. Die Firmen Blasch, Decoral, Hofman & Maculan, Mögle, Tüchler, Kaefer und DWF-Frischeis sollten – mit Zweiprozentabständen – dazwischen rangieren.
Ein Versicherungsfachmann erläuterte den Versammelten die Problematik von Auftragssplitterungen aus versicherungstechnischer Sicht. Und dann handelten sich die anwesenden Firmen zweierlei Akkordpreise aus: offizielle und solche für den internen Dienstgebrauch. profil-Recherchen machten dem glücklichen Geschäft vor wenigen Wochen ein vorläufiges Ende: Die Bundesgebäudeverwaltung ließ sich von der Vermutung verbotener Preisabsprachen anstecken und läßt das Ausschreibungsverfahren jetzt wiederholen.
Konflikt mit dem Kartell
Mildernd ist den Firmen freilich die allgemein katastrophale Auftragslage auf dem Bausektor zugute zu halten: Wo sie sich nicht miteinander absprechen, dort kann ein gewiegter Auftraggeber sie derzeit so gegeneinander ausspielen, daß sie zu Selbstkostenpreisen – und darunter – bieten müssen. Wie man das macht, exerzierte die VÖEST bei der Vergabe eines Subauftrags für die Wiener UNO-City vor. Für diese Baustelle lieferte die VÖEST (Hütte Krems) die Zwischenwände.
Sie brauchte dazu mehr als 100.000 Quadratmeter zugeschnittener „Gipskartonplatten“. Es gibt in Österreich zwei dominierende Industriefirmen, die solche „Gipskartonplatten“ produzieren: die Firma Rigips GmbH in Bad Aussee und die Firma Knauf & Co. Gips- und Gipsplattenwerk GmbH in Bad Mitterndorf. Beide Firmen logieren wenige Kilometer voneinander entfernt im Salzkammergut. Ohne diese beiden Unternehmen gibt es so gut wie keinen Innenausbau in Österreich: Gipskartonplatten werden sowohl für Wände als auch für Decken benötigt. Deren beider Pech: Beide Werke laufen nicht mit voller Auslastung, denn beide Firmen erzeugen – bedingt durch die gesamtösterreichische Baukrise – mehr Platten, als sie abzusetzen vermögen.
Das nutzte der clevere VÖEST-Bauleiter aus: In Zeiten bitterster Auftragsnot erzwang er sowohl von Rigips wie auch von Knauf Riesenrabatte. Und dann ließ er beide Firmen je zur Hälfte das Kontingent an Gipskartonplatten zum Minimalpreis liefern. Das gab den Rigips- und Knauf-Bossen zu denken. Warum, so sinnierten sie, sollen wir uns denn gegenseitig zerfleischen, wenn es anders auch geht?
Es kam zu ersten Kontaktgesprächen. Ergebnis: Bei anderen Großbaustellen darf so etwas nicht wieder vorkommen. Da liefert jeder die Hälfte, und die Preise werden vorher abgesprochen. Rigips und Knauf visierten dabei das Allgemeine Krankenhaus an, wo zirka eine Million Quadratmeter Gipskartonplatten gebraucht werden. Am 27. Mai 1977 wurde daraufhin bei der Firma Rigips Austria GmbH in Bad Aussee der folgende delikate Aktenvermerk verfaßt:
„Betrifft: Vorgangsweise in Sachen Bauvorhaben Allgemeines Krankenhaus, Wien. Mit der Firma Knauf wurde verbindlich vereinbart, daß sämtliche Gipskartonlieferungen, die im Zuge der Errichtung des AKH in Wien erforderlich sind, im Verhältnis 50:50 geteilt werden. Diese Vereinbarung gilt allerdings nur für jenen Leistungsumfang, für den eine Ausschreibung noch nicht gelaufen ist. Für andere Leistungsbereiche, für welche eine Ausschreibung bereits abgeschlossen wurde und auch, schon ein mündlicher oder schriftlicher Zuschlag an einen Auftragnehmer erteilt ist, gilt diese Vereinbarung nicht. Z. B. für die Unterdecken im Flachkörper, präsumtiver Auftragnehmer Hofman & Maculan, Wien.
Abgesehen von der vereinbarten Teilung der Gipskartonlieferungen wurde mit Knauf vereinbart, daß sämtliche im Zusammenhang mit der Bearbeitung des Bauvorhabens AKH erforderlichen Leistungen (Beratung, Erstellung von Ausschreibungen, Errichtung von Musterräumen, bauphysikalische Berechnungen usw.) durch beide Industrien gemeinsam erbracht werden. Es ist allerdings unser Bestreben, diese unsere Dienstleistungen auf ein Minimum zu reduzieren, was uns um so eher gelingen müßte, als wir in dieser Angelegenheit ja gemeinsam marschieren und nicht gegeneinander arbeiten. Zur Bewältigung der gesamten Beratungstätigkeit wurde ein Arbeitskreis ‚Allgemeines Krankenhaus Wien‘ gegründet...
Ausdrücklich sei aber an dieser Stelle darauf hingewiesen, daß diese Art der Zusammenarbeit nach außen hin, also gegenüber der Planung AKH und der Bauleitung AKH, nicht erwähnt werden darf, damit wir nicht mit den Kartellbestimmungen in Konflikt geraten. Dabei ist besonders darauf zu achten, daß bei der Abwicklung der Arbeiten des Arbeitskreises AKH die Gespräche seitens Rigips immer nur von den gleichen Herren federführend geführt werden; es geht nicht an, daß einmal der eine, bei der nächsten Besprechung der andere, bei der dritten Besprechung wieder ein anderer die Gespräche führt...
Wie erfolgt nun die Arbeit innerhalb dieses Arbeitskreises?
- Zunächst werden die im Rahmen des Neubaues AKH zu erwartenden Leistungsbereiche aufgelistet, damit wir den genauen Arbeitsumfang kennen.
- Dann werden von der gesamten Arbeitsgruppe für jeden Leistungsbereich (Unterdecken, Bettentürme, Randzone) in der Arbeitsgruppe die optimalen Vorschläge erarbeitet, die nach außen hin, also gegenüber der Planung bzw. Bauleitung AKH, jeweils nur von einer Industrie vertreten werden. Dazu ist erforderlich, daß sämtlicher Schriftwechsel für beide Teile zugänglich ist, das heißt, daß jeweils der andere von dem durchgeführten Schriftverkehr zu informieren ist (per Durchschlag).
- Im Falle, daß Musterräume oder sonstiges durch die Industrie bzw. deren Mitarbeiter zu erstellen sind, erfolgt auch in diesem Falle eine gemeinsame Arbeit und eine entsprechende Arbeitsteilung. Der oben dargestellte Vorgang wurde mit der Firma Knauf abgesprochen und in diesem Sinne einvernehmlich festgehalten.
Unterschrift: Dipl.-Ing. Herwig Allitsch“
Dipl-Ing. Herwig Allitsch, 37, Verkaufsleiter von Rigips Austria, ist über das Bekanntwerden des Papiers nicht ganz glücklich: „Wenn Sie im Besitz dieses Aktenvermerks sind, dann müssen Sie ihn aus unserem Hause haben.“ Zur Causa selbst fällt Allitsch nur wenig ein: „Ich sehe nichts, was gegen die Usance, geschweige denn gegen Gesetze, verstoßen sollte. Man hat sich geeinigt, die Beratung und Lieferung zu gleichen Teilen zu machen!“
Alexander Maculan, Chef von Hofman & Maculan, sieht die Aktion nicht ganz so positiv: „Das ist eine glatte Schweinerei!“ Und Mögle-Chef Kurt Siller stößt seine Standardverbalinjurie nach: „Gfraster san des, wie ich es schon gsagt hab! Ich fürchte, es sprechen sich immer mehr in der Industrie ab. Wir als gewerbetreibende Firmen sind dem Großkapital fast restlos ausgeliefert.“
Nicht ganz: Seit dem Frühjahr 1978 ist das vorher geheime Kartell zwischen Rigips und Knauf offiziell eingetragen und seither darf offiziell gemeinsam marschiert werden.
Nebengewerbspoker
Die Absprachen der gipsproduzierenden Industrie blieben den gipsverarbeitenden Innenausbaufirmen nicht allzu lange verborgen, und dieses Baunebengewerbe (wozu der Innenausbau zählt) begann sich zu informieren. Denn, so lautete der Schlachtruf: Was der Industrie recht ist, muß uns billig sein.
Vor wenigen Jahren wurde daher zunächst der Verband österreichische Innenausbauunternehmen (VÖIB) gegründet. Vordergründig mit dem Zweck, die eigenen Leistungen verbandsmäßig zu kontrollieren und damit dem Konsumenten zu dienen. Hintergründig stand jedoch ein handfestes Motiv Pate für die Gründung dieses Verbands: die durch die Baurezession davongaloppierenden Preise einigermaßen in den Griff zu bekommen. Es gab einige Regionalmeetings, einige Konferenzen, aber zunächst noch keine konkreten Preisabsprachen. Die gab es erst zudem Zeitpunkt, da sich die Firma Hofman & Maculan ernster mit der Materie befaßte. Hofman & Maculan ist nicht nur die stärkste Innenausbaufirma im ostösterreichischen Raum (und damit Baunebengewerbe), sondern auch eine große Industriebaufirma. Mit sehr hohen Zentralregien.
Hofman & Maculan, die erst vor wenigen Monaten – zusammen mit dem Wiener Handelskammerpräsidenten Karl Dittrich – eine neue Innenausbaufirma, die Uniprojekt GmbH & Co. KG, gründete, sah durch die mächtige Konkurrenz kleiner und kleinster Firmen ihre Innenausbauumsätze beträchtlich abnehmen. Bestes Beispiel ist der 160-Millionen-Deckenauftrag beim AKH, der zur Firma Prutscher wanderte. Alexander Maculan und sein Prokurist Josef Geringer begannen daher ihre Fühler auszustrecken und einige interessierte Partner zu suchen. Die „Partner“-Innenausbaufirmen – hauptsächlich des Wiener Raumes – waren bald gefunden: Zuerst gab es lose Treffs, seit 1977 richtiggehende Jours fixes.
Seit dieser Zeit treffen einander die angeblichen Konkurrenten, die Firmen Mögle, Tüchler, Schranzhofer Genest Austria, Kaefer, Decoral, Akustik Blasch, Possler, Stadlbauer, DWF und Uniprojekt im Besprechungszimmer der Firma Hofman & Maculanin der Wiener Annagasse.
Die Konkurrenten marschieren seither gemeinsam. Verbotene Preisabsprachen werden generell bestritten: Daß profil jedoch die genauen Protokolle dieser Meetings besitzt, bereitet rundum seit zwei Monaten arges Kopfzerbrechen. Denn seit diesem Zeitpunkt ist bekannt, daß bei den Innenausbauten des AKH und der Verbauung des Franz-Josefs-Bahnhofs nicht alles mit rechten Dingen zugeht. Dazu Sektionschef Dr. Walter Waiz, der Präsident des AKH-Aufsichtsrats: „Ich möchte einmal so einen erwischen, das wäre ein echtes Erfolgserlebnis. Das könnte eine Krönung finden, wenn man die paar Zentimeter zum Strafrecht fände!“
Konto in Liechtenstein
Ende Februar lieferten die AKH-Manager, mit zweijähriger Verspätung, den von den Wiener Oppositionsparteien bereits heftig urgierten Zustandsbericht über den Baufortschritt beim Neubau des Wiener Allgemeinen Krankenhauses. Das Traktätchen hat ganze 16 Seiten und besagt über die Ausschreibungen wörtlich: „Der größte Teil dieser Leistungen wurde öffentlich ausgeschrieben, von einer öffentlichen Abstand genommen, in, denen die einschlägigen Bestimmungen (Önorm und Vergebungsrichtlinien der Stadt Wien) eine andere Vergebungsart vorsehen.“
Pech für die AKH-Leute: Weder in der Önorm noch in den Vergebungsrichtlinien der Stadt Wien sind bei Projekten dieser Größenordnung andere Bestimmungen als die der öffentlichen Ausschreibung enthalten. Trotzdem wurden die folgenden Arbeiten bei den Erweiterungsbauten des AKH nicht oder nur beschränkt öffentlich ausgeschrieben: die Planung des Anlagenkennzeichnungssystems, der komplette Stahlbau, die Stahlbetonarbeiten des Bettenhauses West, die Starkstrominstallationen, Heizung, Lüftung, Sanitär, Klimaanlagen, die nachrichtentechnischen Anlagen und die Baumeisterarbeiten beim Bettentrakt Ost.
Und schon im Jahre 1975 (Aktenzahl: K. 1336/75) wurde zwischen der AKH-Planungs- und Errichtungs-AG unter Firma Siemens AG Österreich, Abteilung Medizinische Technik, ein „Konsulentenvertrag“ über 46 Millionen Schilling abgeschlossen, der völlig freihändig vergeben wurde. Einfach so: zusätzlich zum 1,8-Milliarden-Schilling-Auftrag, den die Firma Siemens ohnehin schon bekam. (zensuriert) Involvierte Personen und Firmen sind der Redaktion bekannt.
Ein 370-Millionen Auftrag
Die Spitalsorganisation beispielsweise wird von einer eigenen Arbeitsgemeinschaft Betriebsorganisation (ABO) geplant, und für diese Arbeit – so rühmten sich die AKH-Bosse erst vor wenigen Wochen – bezahle man der ABO bloß 122 Millionen Schilling. Die Wiener Betriebsorganisationsfirma Ratio rühmt sich, sie könnte denselben Auftrag um 60 Millionen Schilling erbringen. Allerdings wurde die Ratio zur „beschränkten Ausschreibung“ gar nicht erst eingeladen. Die Preisdifferenz hätte ja ohnehin nur 100 Prozent betragen. Glaubte man bis zur Vorwoche.
Denn Wiens Finanzstadtrat Hans Mayr weiß es besser: Der angebliche 122-Millionen-Schilling-Auftrag macht in Wirklichkeit 370 Millionen aus. Hauptnutznießer des Monsterauftrags‚ ist eine nicht mehr ganz unbekannte Firma: die Okodata, deren Hauptgesellschafter Dkfm. Franz Bauer nebenher Minderheitsgesellschafter in Androschs Consultatio ist.
Aus dem Archiv (profil 13a/1979)