Energy Drink "Kaif"
Der Energy Drink "Kaif" war ein fragwürdiges Anlagemodell.
Betrugsfall Paraiba: Krach um Krypto-Kronzeugen
Waldemar Schlemmer ist Verkäufer durch und durch. Er hat mit Lebensmitteln und Energy Drinks gehandelt, derzeit vermarktet er Behandlungen mit einer obskuren Gerätschaft namens Kozyrew-Spiegel. Eine Aluminiumröhre, der in russischen Esoterik-Kreisen übersinnliche Fähigkeiten zugeschrieben werden. Benutzer sollen telepathisch in Kontakt mit Verstorbenen und Außerirdischen treten können oder in die Zukunft sehen. Schlemmer ist vergleichsweise zurückhaltend. Er verspricht die „Beseitigung von neuroemotionalem Stress“, „gesteigerte Vitalität“, und „mindestens 30 % mehr Energie als zuvor“.
Waldemar Schlemmer hat auch mit der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) einen Handel abgeschlossen. Der in Kasachstan geborene Deutsche hat angeboten, über einen riesigen Betrugsfall auszupacken. Im August hat die WKStA Schlemmer den Kronzeugenstatus zugestanden. Worum geht es? Über die angebliche Krypto-Plattform „Paraiba“ wurde Anlegern vorgegaukelt, sie würden in Kryptowährungen und andere Werte investieren. Tatsächlich dürfte es sich um ein Schneeballsystem gehandelt haben. Die Ermittler gehen von rund 65.000 Geschädigten aus, die meisten davon in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Der Schaden soll rund 400 Millionen Euro betragen. profil widmete dem Fall vor zwei Wochen die Coverstory. Inzwischen hat sich einiges getan: Waldemar Schlemmer muss um seinen Kronzeugenstatus bangen.
Begonnen hat der mutmaßliche Betrug im Jahr 2019. Das Versprechen: Über eine Tradingplattform mit dem Namen Paraiba könnten auch Kleinanleger große Gewinne einstreifen, Renditen von 0,3 bis 0,5 Prozent pro Tag. Die Organisatoren des Systems warben online und in Roadshows aggressiv um Investoren. Das Ganze war nach dem Prinzip des Multi-Level-Marketing aufgebaut: Wer weitere Kunden reinlockte, verdiente an deren „Gewinnen“ mit. Tatsächlich wurde das Geld nie veranlagt, sondern immer weiter in neue Betrugsmaschen verschoben.
2021 kam Waldemar Schlemmer ins Spiel. Der Deutsche suchte Investoren für seinen Energydrink „Kaif“. Mit der Aussicht auf sagenhafte Renditen sollten nach dem bewährten Muster des Multi-Level-Marketing Anleger gekeilt werden. Die Organisatoren des Paraiba-Scams kauften sich ein – mit dem Geld, das sie aus dem Schneeballsystem abgezweigt hatten. Schlemmer erwarb darum eine Yacht, um dort „Kaif“-Verkaufsevents auszurichten, richtete ein Büro in Dubai ein und ließ es sich auch sonst gut gehen.
Als im Jahr 2023 die ersten Betrugsanzeigen bei der WKStA eingingen, brach das Kartenhaus zusammen. Schon bei seiner ersten Einvernahme als Beschuldigter am 4. Juni 2024 erkundigte Schlemmer sich nach der Kronzeugenregelung. Und er lieferte: ein Geständnis, belastende Aussagen, Datenträger mit Chats und anderen Dokumenten aus der Kommunikation der Scammer. Im Gegenzug gewährte ihm die Staatsanwaltschaft die „Einstellung des Ermittlungsverfahrens unter Vorbehalt späterer Verfolgung“, wie es im Juristenjargon heißt.
Das Einzige, was noch fehlte, war die Zustimmung des Rechtsschutzbeauftragten. Bei besonders heiklen Maßnahmen im Ermittlungsverfahren wie etwa verdeckten Ermittlungen, Telefonüberwachungen und auch der Gewährung des Kronzeugenstatus muss in Österreich auch noch der unabhängige Rechtsschutzbeauftragte im Justizressort seine Zustimmung geben. Er erhält dazu auch Einsicht in den Ermittlungsakt.
Mit Schreiben von 13. November, das profil vorliegt, hat der Rechtsschutzbeauftragte sich gegen den Kronzeugenstatus für Schlemmer ausgesprochen und „die Fortführung des Ermittlungsverfahrens beantragt“. Und weiter: „Auf welchen Vernehmungen oder anderen Beweismitteln diese Angaben beruhen, wird in der Einstellungsbegründung ebenso wenig dargestellt wie die Frage, aus welchem Grund die Angaben des Beschuldigten Schlemmer als stichhaltig und glaubwürdig einzustufen sind.“ Das überrascht – sowohl die Oberstaatsanwaltschaft als auch das Justizministerium hatten grünes Licht gegeben.
Die WKStA will ihren Kronzeugen nicht fallen lassen und bekämpft den Antrag. „Die Argumente des Rechtsschutzbeauftragten wurden geprüft und beim zuständigen Landesgericht für Strafsachen Wien beantragt, dem Fortführungsantrag keine Folge zu geben“, heißt es auf profil-Anfrage.
Waldemar Schlemmer muss also noch ein wenig warten, bis er Klarheit hat. Er kann inzwischen ja ein bisschen Energie in seiner Alu-Röhre tanken.