Investigativ

Egisto-Ott-Kontaktmann Jenewein: Sein direkter Draht ins Kickl-Kabinett

Der damalige FPÖ-Abgeordnete Hans-Jörg Jenewein soll rund um den BVT-U-Ausschuss Akten direkt aus dem Innenministerium bekommen haben. Gleichzeit hielt er engen Kontakt zum mutmaßlichen Russland-Spion Egisto Ott.

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Es ist ein bemerkenswerter Verdacht, dem die Staatsanwaltschaft Wien seit geraumer Zeit nachgeht: Eine Kabinettsmitarbeiterin des damaligen FPÖ-Innenministers Herbert Kickl soll dem früheren blauen Nationalratsabgeordneten Hans-Jörg Jenewein im Jahr 2018 Akten aus dem Ministerium weitergegeben haben. Das mutmaßliche Motiv: politische Stimmungsmache rund um den damaligen BVT-Untersuchungsausschuss. Jenewein war in jener Zeit übrigens auch mit Egisto Ott in Kontakt – jenem ehemaligen Verfassungsschützer, der nun in Verdacht steht, seit Jahren für Russland spioniert zu haben.

Im Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) hatte es im Februar 2018 eine aufsehenerregende – und später für rechtswidrig erklärte – Razzia durch die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft gegeben. In der Folge wurde ein Untersuchungsausschuss im Nationalrat eingerichtet. Es tobte ein heißes Match um die politische Frage, wer das BVT ruiniert hatte: schwarze Netzwerke oder die blaue Kickl-Truppe? Letztere tat offenbar das Ihrige, um gut gestärkt in die Auseinandersetzung zu gehen.

Akten direkt aus dem Ministerium

Speerspitze der FPÖ im U-Ausschuss war Jenewein. profil-Informationen zufolge hegt die Staatsanwaltschaft Wien nun den Verdacht, dass eine Kabinettsmitarbeiterin Kickls ihm verbotenerweise Akten gesteckt hat. Dabei soll es sich um Unterlagen gehandelt haben, die das Ministerium zwar schon dem U-Ausschuss vorgelegt hatte. Ausschuss-Dokumente sind allerdings entsprechend markiert – mit einem Wasserzeichen, das den Parteinamen enthält. Damit Jenewein bestimmte Unterlagen leichter in der Öffentlichkeit und für die Weitergabe an Journalisten verwenden konnte, soll ihm die Kickl-Mitarbeiterin daher unmarkierte Versionen direkt aus dem Ministerium geschickt haben. Ermittelt wird wegen des Verdachts des Amtsmissbrauchs.

Die Causa, über die am Montag auch bereits „Der Standard“ berichtete, entspringt einem sogenannten Zufallsfund: Bei Jenewein gab es im Jahr 2021 eine Hausdurchsuchung. Dies, weil er enge Kontakte zum Ex-BVTler Egisto Ott pflegte, der nunmehr im Verdacht der Russland-Spionage steht. Dem blauen Ex-Politiker wurde das Handy abgenommen – und darauf fanden sich zahlreiche Chatnachrichten mit der einstigen Kickl-Mitarbeiterin.

„Frage ist für HBM ok???“

Die Chats deuten darauf hin, dass die blaue Informationsachse rund um den BVT-U-Ausschuss zur beiderseitigen Zufriedenheit funktioniert haben dürfte: „Darf ich bei der Gelegenheit bitte einfach mal deponieren, dass ich deine Arbeit im U-Ausschuss sehr schätze und froh bin, hier mit dir zusammenarbeiten zu dürfen!“, schrieb die Kabinettsmitarbeiterin im Oktober 2018 an Jenewein. Der Abgeordnete streute seiner Kontaktfrau im Ministerium Rosen: „Danke liebe (…). Ich bin auch froh, dass Du unsere Ansprechpartnerin bist… Du arbeitest präzise und sehr sauber. Das mag ich sehr – ist ja leider keine Selbstverständlichkeit.“

Allem Anschein nach klärte Jenwein am Tag der Kickl-Befragung im U-Ausschuss auch eine Frage an den damaligen Innenminister mit der Kabinettsmitarbeiterin ab: „(…) Frage ist für HBM ok???“, wollte Jenewein wissen. Seine Kontaktfrau schrieb ihm retour, was Kickl wahrscheinlich antworten werde.

Die enge Anbindung Jeneweins ans Kickl-Büro bei der Ausschussarbeit ist auch deshalb besonders bemerkenswert, weil Jenewein damals noch einen andere Chat-Partner hatte: nämlich Egisto Ott. Auch mit diesem unterhielt er sich angeregt über die Vorgänge im Ausschuss. Man tauschte Informationen aus – bis hin zu Fotos von Auskunftspersonen, die Jenewein offenbar heimlich im Ausschuss gemacht hatte. Nunmehr steht Ott bekanntlich im Verdacht, gemeinsam mit dem Ex-Wirecard-Manager Jan Marsalek und dem früheren BVT-Abteilungsleiter Martin Weiss jahrelang für Russland spioniert zu haben. Gemeinsam mit Weiss soll er das Seine dazu beigetragen haben, dass es überhaupt erst zur Razzia im – und letztlich zur Lähmung des – BVT gekommen ist. Alle haben sämtliche Vorwürfe immer bestritten.

„Da studier ich auch Russisch“

Im November 2018 beklagte sich Jenewein übrigens bei seiner Chat-Partnerin im Kickl-Kabinett, dass im gerade parteiintern vorgeworfen werde, einen Sideletter zum Koalitionsvertrag mit der ÖVP an die „Kronen Zeitung“ weitgegeben zu haben. Dabei hätte er auf das Papier gar keinen Zugriff gehabt. Jenewein ärgerte sich und ergänzte: „I sag Dir, im nächsten Leben lern i was Gscheites… da studier ich auch Russisch und Französisch.“

Jenewein und die ehemalige Kickl-Mitarbeiterin hielten übrigens noch längere Zeit über den BVT-U-Ausschuss hinaus miteinander Kontakt. Aus Chatnachrichten aus dem Jahr 2021 schließen die Ermittler, dass die Frau – so wie Jenewein – über illegal abgezweigte Daten aus dem Handy des früheren Kabinettschefs im Innenministerium, Michael Kloibmüller, verfügt haben soll. Jenewein schrieb, er habe „alles gelöscht“ und fragte die Frau, ob er eine Kopie haben könne. Sie antwortete: „Aber sicher doch!“ Der frühere FPÖ-Politiker meinte: „Ev. gibt’s da demnächst wirklich ein böses Erwachen. (…) Ich will die ganze Partie brennen sehen.“ 

Stefan   Melichar

Stefan Melichar

ist Chefreporter bei profil. Der Investigativ- und Wirtschaftsjournalist ist Mitglied beim International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ).

Anna  Thalhammer

Anna Thalhammer

ist seit März 2023 Chefredakteurin des profil. Davor war sie Chefreporterin bei der Tageszeitung „Die Presse“.