Luftaufnahme des abgeholzten Gebiets des Amazonas-Regenwaldes
Investigativ

Kampf gegen Abholzung: Viel mehr Kontrollen, Warten auf mehr Personal

Ab Jahresende 2024 gilt die neue EU-Entwaldungsverordnung. In Österreich rechnet man beim behördlichen Prüfaufwand mit einer Vervielfachung. Quer durch Europa warten die zuständigen Stellen aber noch auf die entsprechende personelle Ausstattung.

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Es könnte ein großer Wurf werden im Kampf gegen die globale Abholzung – aber nur bei einer konsequenten Umsetzung. Und da besteht aktuell noch Handlungsbedarf, wie eine internationale Recherche zeigt, an der auch profil beteiligt war. 

Ab 30. Dezember 2024 gilt in der EU die sogenannte Entwaldungsverordnung (EUDR). Diese soll sicherstellen, dass in der Europäischen Union nur Produkte in Umlauf kommen, für deren Erzeugung keine Wälder abgeholzt oder geschädigt wurden. Umfasst sind vorerst – neben Holz – auch noch Kakao, Kaffee, Kautschuk, Ölpalme, Soja und Rinder. Und zwar nicht nur die Rohstoffe selbst, sondern auch daraus hergestellte Erzeugnisse. Die neuen Sorgfaltspflichten treffen nicht nur Importeure in die EU, sondern auch Exporteure aus der Europäischen Union sowie die erstmalige Bereitstellung innerhalb Europas. 

Viel mehr Unternehmen betroffen

Das führt in der Umsetzung dazu, dass – im Vergleich zur bisher maßgeblichen Holzhandelsverordnung – viel mehr Güter umfasst und dadurch auch viel mehr Unternehmen betroffen sind. Der Anwendungsbereich der EUDR soll außerdem in Zukunft laufend erweitert werden. Damit das alles eine entsprechende Wirkung entfalten kann, braucht es freilich auch entsprechende Kontrollen. Und da besteht noch kräftiger Ausbaubedarf – vor allem beim Personal.

Das hat eine Umfrage europäischer Medienhäuser bei den relevanten Behörden ihrer jeweiligen Länder ergeben. Die Recherche fand im Rahmen des Projekts „Deforestation Inc.“ unter Leitung des International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ) statt, das vor einem Jahr mit ersten Veröffentlichungen gestartet wurde.

Bisher fünf Prüfer in Österreich

profil hat beim österreichischen „Bundesamt für Wald“ nachgefragt. Dort waren zuletzt fünf „Kontrollorgane“ im Ausmaß von insgesamt vier Vollzeitstellen mit Kontrollen nach der Holzhandelsverordnung betraut. In den vergangenen drei Jahren wurden im Schnitt zwischen 20 bis 30 Inspektionen pro Jahr durchgeführt. Nun steht eine große Veränderung ins Haus.

Es sei „von einer Vervielfachung der behördlichen Kontrolltätigkeit“ auszugehen, teilt das Bundesamt auf Anfrage mit. Um wie viel genau ist noch unklar. Das nationale Durchführungsgesetz für die EUDR sei derzeit noch im Landwirtschaftsministerium in Ausarbeitung. Und auch die EU-Kommission habe noch nicht alle Parameter festgelegt. Mehr Personal ist jedenfalls noch nicht da: „Der tatsächliche Bedarf an personellen Ressourcen des (…) Bundesamtes für Wald wird aktuell evaluiert, wobei von der Notwendigkeit einer sukzessiven Aufstockung auszugehen ist.“ Neben dem Bundesamt für Wald soll außerdem die Agrarmarkt Austria (AMA) an der Umsetzung der EUDR mitwirken. 

International fehlen Kontrolleure

Wie ist die Situation in anderen Ländern? In Rumänien, wo die größten Urwälder Europas stehen und das Holzgeschäft von Korruption geprägt ist. verweist die zuständige Behörde darauf, nicht ausreichend Personal für Kontrollen zu haben. Die Niederlande, die zu den größten europäischen Importeuren von Holzprodukten und Palmöl zählen, werden nach jetzigem Stand gerade einmal sieben Vollzeitstellen für die Umsetzung der EUDR zur Verfügung haben. Aktuell laufen allerdings noch Gespräche mit dem zuständigen Ministerium, ob nicht doch eine Aufstockung möglich ist. 

In Deutschland rechnet man übrigens mit 2500 Kontrollen pro Jahr – deutlich mehr als bisher. Da waren es im Durchschnitt etwa 200 pro Jahr. Wobei echte Vor-Ort-Inspektion in Zukunft nur in Fällen von konkreten Verdachtslagen und im Rahmen von Zufallskontrollen vorgesehen sind. 

Johannes Zahnen, Holzexperte beim deutschen WWF, meint, die EUDR sei potenziell ein Schritt vorwärts. Aber nur, wenn sie ordentlich umgesetzt werde. Sollten die Regierungen nicht genug Personal bereitstellen, wäre das ein erstes Anzeichen dafür, dass die Richtlinie nicht ernst genommen würde, sagt Zahnen im Gespräch mit dem deutschen „Deforestation Inc.“-Projektpartner NDR: Das wäre ein „Desaster“.

Hier geht es zum aktuellen ICIJ-Bericht.

Elena Crisan

Elena Crisan

Wenn sie nicht gerade für den Newsletter "Ballhausplatz" mit Politiker:innen chattet, schreibt sie im Online-Ressort über Wirtschaft und Politik.

Stefan   Melichar

Stefan Melichar

ist Chefreporter bei profil. Der Investigativ- und Wirtschaftsjournalist ist Mitglied beim International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ).