Derzeit ist der öffentliche Zugang zum Register der wirtschaftlichen Eigentümer komplett gesperrt. Die Schwärzungen auf diesem älteren Auszug sind symbolischer Natur.
Investigativ

Statt Geldwäschebekämpfung: Datenschutz für Oligarchen & Co.

Nach einem EuGH-Urteil wird der öffentliche Zugang zum Register tatsächlicher Firmeneigentümer neu geregelt. Sollen Betroffene erfahren, dass sich jemand über sie informiert hat? Ein umstrittener Punkt. Nun stellt sich heraus: In Österreich war das schon bisher so.

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Seit Ende November 2022 geht nichts mehr: Wer als Journalist, NGO-Vertreter oder ganz einfach als Staatsbürger Einsicht in jenes Register nehmen möchte, das Einblicke in die tatsächlichen Eigentumsverhältnisse verschachtelter Firmenkonstrukte ermöglichen soll, sucht den entsprechenden Link im Internet vergebens. Nach einem EuGH-Urteil wurde das Register der wirtschaftlichen Eigentümer (WiEReG), das vom Finanzministerium geführt wird, kurzerhand für die öffentliche Einsichtnahme gesperrt. Recherchen – etwa zum Firmen- und Immobilienvermögen von Oligarchen – enden nun mitunter, bevor sie überhaupt richtig beginnen können. Ein Instrument, das geschaffen wurde, um Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung den Nährboden zu entziehen, hat einen wesentlichen Teil seiner Funktionalität eingebüßt: profil berichtete vor einigen Tagen ausführlich im Rahmen einer internationalen Recherchekooperation.

Nun geht es an die Reparatur: Andere EU-Staaten haben ähnlich restriktiv auf das EuGH-Urteil reagiert wie Österreich und den Zugang für die Öffentlichkeit gekappt. Die Causa ging ursprünglich von Luxemburg aus. Ausgerechnet dort können einheimische Journalistinnen und Journalisten jedoch bereits wieder Einblick in das Register nehmen. In Österreich wird noch an einer Lösung gebastelt – vermutlich bis zum Sommer. Insgesamt deutet jedoch vieles darauf hin, dass es auch zu Anpassungen auf gesamteuropäischer Ebene kommen wird. Dabei gibt es einen Punkt, der besondere Sprengkraft birgt: Sollen Personen erfahren, dass ihre Daten im Eigentümerregister abgefragt wurden – und vielleicht sogar: von wem?

Vorschläge mit Risikopotenzial

In einem Vorschlagspapier des Generalsekretariats des Europäischen Rates aus dem Dezember 2022 heißt es, dass – „um Missbrauch der Informationen aus dem Register zu verhindern“ – Mitgliedstaaten darüber nachdenken könnten, Informationen über die Anfragensteller dem jeweiligen wirtschaftlichen Eigentümer zugänglich zu machen. Dies war rechtlich schon bisher möglich, spielte in der Praxis aber eine untergeordnete Rolle. Dass sich auch der Generalanwalt beim EuGH im Vorfeld des Urteils vom vergangenen November in diese Richtung äußerte, könnte derartigen Ideen im Rahmen der anstehenden Neuordnung allerdings zusätzlichen Schub verleihen.

Nicht nur, weil Journalistinnen und Journalisten auch in Europa zunehmend dem Risiko physischer Gewalt ausgesetzt sind, stellt eine solche Lösung ein Risiko für die Pressefreiheit dar. Es würde schon ausreichen, dass die internationalen Anwaltsteams milliardenschwerer Oligarchen ihre Einschüchterungsklagen künftig auch auf der Frage aufbauen könnten, ob eine bestimmte Veröffentlichung als „Missbrauch“ zu werten ist. Eine Stärkung der öffentlichen Kontrolle des Finanzplatzes und seiner Akteure sieht anders aus.

Eine abgeschwächte Form einer solchen Regelung könnte vorsehen, dass dem jeweiligen Firmeneigentümer nur in anonymisierter Form mitgeteilt wird, dass seine Daten abgefragt wurden. Dann wäre dem Betroffenen freilich immer noch klar, dass jemand sein Treiben auf dem Radar hat. Ein Geldwäscher könnte mit einem solchen Wissen wohl Konsequenzen ziehen, welche die Aufdeckung seiner Taten noch zusätzlich erschweren oder verunmöglichen würden.

Anfragen „umgehend beantwortet“

Nun stellt sich heraus: Was beim ersten Hinhören nach nicht ganz zu Ende komponierter Zukunftsmusik klingt, ist in einzelnen EU-Ländern schon bisher Realität – darunter auch in Österreich. Will ein Firmeneigentümer wissen, ob jemand seine Daten aus dem WiEReG abgefragt hat, wird ihm das mitgeteilt. Es habe „eine Handvoll Anfragen“ gegeben, die „jeweils umgehend beantwortet wurden“, heißt es dazu aus dem Finanzministerium auf eine Anfrage von „paper trail media“ und „Der Spiegel“ – profil hat mit diesen Medienhäusern zuletzt zum Themenkreis der gesperrten Eigentümerregister recherchiert.

Die rechtliche Möglichkeit für diese Auskunftserteilung ergebe sich direkt aus der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO), argumentiert das Finanzministerium. Die DSGVO sieht – kurz gesagt – vor, dass jeder und jede erfahren darf, was mit Daten passiert, die über die eigene Person gesammelt werden. Dieses Grundprinzip, das die Privatsphäre der Bürger und Bürgerinnen vor Online-Shops und anderen Daten-Kraken schützen soll, gilt in der heimischen Lesart offenbar auch für behördliche Register, die der Geldwäscheprävention dienen und eigentlich weniger Informationen enthalten als das, was viele Wirtschaftstreibende ohnehin in normalen Firmenbüchern von sich preisgeben müssen. Wohlgemerkt: Das WiEReG sorgt nur dort für einen zusätzlichen Erkenntnisgewinn, wo die Eigentümerschaft hinter Treuhandschaften oder komplexen Firmenstrukturen verborgen wird.

Litauen teilt sogar Namen mit

Laut Finanzministerium enthält die Auskunft über die getätigten Abfragen „nur Kategorien und die Anzahl der Aufrufe“. Das heißt, der jeweilige Firmeneigentümer erfährt allgemein, ob zum Beispiel eine Behörde Einsicht genommen hat oder ob eine Abfrage über den allgemeinen Zugang für die Öffentlichkeit (der nun gesperrt wurde) erfolgt ist. Er erfährt jedoch nicht, wer genau die Daten eingesehen hat. In Deutschland werden ebenfalls die Namen anonymisiert. In Litauen hingegen ist man schon einen deutlichen Schritt weiter: Dort will man auch die Namen jener Personen, die in das entsprechende nationale Register Einsicht genommen haben, offenlegen. Noch ist es nicht dazu gekommen, weil das dortige Register erst kürzlich in Betrieb genommen wurde. Im Laufe des heurigen Jahres soll sich das allerdings ändern.

Ein Kontrollregister, bei dem man Bedenken haben muss, Einsicht zu nehmen, führt sich selbst ad absurdum. Gut möglich, dass auch das österreichische WiEReG seine beste Zeit schon wieder hinter sich hat. Das Register hatte im Jänner 2018 den Betrieb aufgenommen. Die öffentliche Einsichtnahme war erst später möglich: konkret vom 10. Jänner 2020 bis zum 23. November 2022. profil hat die Nutzungszahlen beim Finanzministerium erhoben. Bis Mitte Dezember 2022 verzeichnete das WiEReG demnach insgesamt nicht ganz 1,5 Millionen Einsichtnahmen. Der Großteil davon entfiel auf Unternehmen, denen besondere Verpflichtungen im Bereich der Geldwäscheprävention zukommen: etwa Rechtsanwaltskanzleien. Rund 45.000 Abfragen stammten von Behörden, etwas mehr als 15.000 aus Einsichtnahmen über den allgemeinen Zugang für die Öffentlichkeit. Diese Zahl ist allerdings von Jahr zu Jahr deutlich gestiegen – ein Trend, der nun wohl unwiederbringlich zu Ende ist.

Stefan   Melichar

Stefan Melichar

ist Chefreporter bei profil. Der Investigativ- und Wirtschaftsjournalist ist Mitglied beim International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ).