Abrechnungshof: Geschenkideen aus der profil-Kulturredaktion

Alle Jahre wieder: Die profil-Kulturredaktion legt Geschenkideen für die letzten Meter vor dem Weihnachtsziel nahe – und blickt mit Angstlust und freudiger Erregung in die Zukunft.

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Ein Mittel gegen die Feiertagsdepression

Karin Cerny: Die Amazon-TV-Serie „Good Girls Revolt“ ist eine feministische Antwort auf „Mad Men“: In den 1960er-Jahren bringen Reporterinnen Klage gegen ein Wochenmagazin ein, das Frauen nicht schreiben lässt.

Stefan Grissemann:Sarah Cracknell, Vokalistin der britischen Dancefloor-Koryphäen Saint Etienne, vertreibt den Dezembernebel mit ihrem sonnigen dritten Solo-Tonträger: „Kites“, erschienen als edle 10-Inch-Vinyledition, präsentiert absolut zeitlose Instrumentalversionen des Cracknell-Albums „Red Kite“.

Sebastian Hofer:Jimmy Cliff: „The Harder They Come“ (Soundtrack). Dreimal täglich vor den Mahlzeiten.

Wolfgang Paterno:Nach den 613 jüdischen Geboten leben.

Nina Schedlmayer:Funktioniert ab drei Personen: das gemeinsame Absingen des „G’schupften Ferdl“ von Qualtinger/Bronner. Leichte Alkoholisierung schadet dabei nicht, ein Ansatz von Textsicherheit aber ebenso wenig. Daher am besten noch nüchtern proben. Nachhilfe: www.lyrix.att

Ein erstklassiger Grund, sich auf 2017 zu freuen

Karin Cerny: Beton und Pommes: brutalist swimming im Stadionbad. Der Sommer kann kommen!

Stefan Grissemann:Die Bengalfackel! Erste Wahl für die beste, also böllerfreie Silvesterparty: jede Menge Feuer, null Lärm. Und gleich noch ein Grund: Ridley Scotts neue „Alien“-Variation, Weltpremiere im Mai.

Sebastian Hofer:„Twin Peaks“, Staffel drei, angeblich sogar noch im ersten Halbjahr. Und dann sehen wir ja, ob früher alles besser war.

Wolfgang Paterno:Es kann – siehe unten – nicht schlimmer werden. Oder doch?

Nina Schedlmayer:Da Bob Dylan jetzt endlich, endlich den Literaturnobelpreis erhalten hat, kommt Hoffnung auf: Nächstes Jahr könnte wieder ein Schriftsteller an der Reihe sein.

Warum man vor 2017 Angst haben sollte

Karin Cerny:Wie viele Violinen will der Mann noch sinnlos quälen, ehe endlich Artenschutzprogramme gestartet werden. David Garrett gastiert mit seiner „Explosive live“-Tour leider auch in Wien. Die Geigen weinen!

Stefan Grissemann:In Sachen „erotische Blockbuster“ geht es immer noch ein wenig tiefer: „Fifty Shades Darker“ soll die verklemmte Klientel ab Februar weltweit in die Kinos locken.

Sebastian Hofer:Handelskriege, Umweltkatastrophen, Neuwahlen, „Landkrimis“.

Wolfgang Paterno:Die internationale Liste des Gruselns und Grauens: Trump (USA), Erdoğan (Türkei), Duterte (Philippinen), Orbán (Ungarn), Putin (Russland), Al-Assad (Syrien), Kanye West (exterrestrisch).

Nina Schedlmayer:Biennale Venedig, documenta Kassel UND Skulptur Projekte Münster: Es droht der Kunst-Overkill. Wer soll sich das bloß alles ansehen?

Ein bewusstseins- erweiterndes Geschenk

Karin Cerny:Opihr Oriental Spiced London Dry Gin: Koriander, Pfeffer und viel Kardamom. Ideale Gin-Tonic-Begleitung zu einem indischen Essen. Achtung, Blasphemie: Die Tonic-Wahl ist mir egal.

Stefan Grissemann:Kunst schenken: etwa eines der fotografischen Polit-Reenactments des Künstlerduos G.R.A.M., dessen aktuelle Show noch bis 23.12. in der Galerie Christine König in der Wiener Schleifmühlgasse zu sehen ist. Oder einfach ein großartiges Buch: Ta-Nehisi Coates’ hellsichtige Rassismusstudie „Zwischen der Welt und mir“.

Sebastian Hofer:Porzellanteller mit Kröten-Burger-Motiv aus der „Toiletpaper“-Kollektion des italienischen Künstlers Maurizio Cattelan.

Wolfgang Paterno:Allgemeine Erklärung der Menschenrechte“. Siehe www.un.org

Nina Schedlmayer:Marina Abramović schwört auf Meditation und berichtet von einem tibetischen Zentrum, in dem man exakt 1 Million und 111.111 Mal ein und dasselbe Mantra aufsagt. Ein Gutschein dafür mag etwas teuer sein. Doch: Reiskörner zählen wirkt ähnlich. Und wer freut sich nicht über einen Kilo Uncle Ben’s, hübsch verpackt?

Peinlicher Lustgewinn

Karin Cerny:Trotz allem Kanye West als Modemacher mögen.

Stefan Grissemann:Ja, sie haben bessere Zeiten gesehen, und ja, stilistische Weiterentwicklung ist ihre Sache nicht. Aber auch „Head Carrier“, das neue, wohlfeil verhöhnte Werk jener selbstplagiierenden Rock-Schreihälse, die sich Pixies nennen, ist eine Alternativ-Adrenalinbombe erster Güte.

Sebastian Hofer:Geiles neues Fressmagazin „All You Can Eat“. Peinlich, weil: Fressmagazin. Geil, weil: Titelthema „Fett“.

Wolfgang Paterno:TV-Abende mit Volksmusik-Moderator Florian Silbereisen, dem Nebenerwerbsmusikus mit überschießendem Emo-Haushalt und begrenztem Wortschatz: „Show, Show, Show.“

Nina Schedlmayer:Wenn auf Ö1 Oper läuft, kein tauglicher Gesprächspartner zur Verfügung steht und der Weg im Auto weit ist, entpuppt sich die Schlagerwelt der Regionalradios als Rettung. Die Texte lassen sich so leicht erraten, dass man sie auch in Unkenntnis weitgehend unfallfrei mitsingen kann.

Geschenkidee für Lieblingsfeinde

Karin Cerny:Cupcakes-Kochbuch: Die kleinen Napfkuchen sind scheußlich. Wer noch immer glaubt, sie lägen im Trend, soll bitte in sein Heimatdorf zurückziehen.

Stefan Grissemann:Für den Herrn das günstige Eau de Toilette „New Brand Luxury Silver“ mit den Basisnoten Moschus, Chlor, Lack und Spülstein, plus Gutschein für eine Dauerwelle. Für die Dame ein Besuch im Streichelzoo.

Sebastian Hofer:Armbanduhr, Edelstahl vergoldet, weißes Ziffernblatt mit „GiGi“-Logo; aus der gemeinsamen Kollektion von Tommy Hilfiger und Gigi Hadid. Wasserdicht bis 30 Meter, garantiert nicht zeitlos.

Wolfgang Paterno:Ihr werdet euch noch wundern, was alles nicht möglich ist.

Nina Schedlmayer:Statt Hass ein Friedensangebot: Das Spektrum reicht vom „Appell des Dalai Lama an die Welt“ (4,99 Euro in jeder Buchhandlung) über schicke Peace-Anhänger (Flohmarkt) bis zum Trip ins Friedensmuseum Burg Schlaining (Eintritt: 8 Euro).

Rausgeschmissenes Geld

Karin Cerny:Leute, die sich Bling-Bling-Fetzen von Philipp Plein kaufen, können sich gleich „geschmacklos-neureicher Angeber“ auf die Stirn tätowieren lassen. Das ist günstiger und hat dieselbe Aussage.

Stefan Grissemann:Wer nicht täglich unzumutbare Distanzen zurücklegen muss, braucht auch kein eigenes Kraftfahrzeug. Kaum Parkplätze, dafür hohes Unfallrisiko und abends Prohibition. Auto-Abschaffung zahlt sich aus, so viel Taxi kann man gar nicht fahren.

Sebastian Hofer:Das intelligente Grillthermometer „iGrill“: „Erfahre von deinem Mobilgerät, wann dein Grillgut gar ist.“ Danke, aber: nein danke.

Wolfgang Paterno:Ivanka Trump: „Woman Who Work“. Das Buch ist aktuell zum Schnäppchenpreis (19,07 Dollar) bei Amazon vorbestellbar. Lieferung nach Weihnachten.

Nina Schedlmayer:Zwei Euro für ein Seidel lauwarmes Wasser ohne alles und in Selbstbedienung? Abgefüllt in bunte und mit lustigen Tierchen bedruckte Plastikflaschen, wird der edle Tropfen in Kindererlebniswelten zum ultimativen Desideratum der Kleinen.

Forderungen an das neue Jahr

Karin Cerny:Entspann dich, Alter!

Stefan Grissemann:Ende des Radikalismus in religiösen Fragen, Ausbau desselben in der Kunst. Jäher Zerfall der AfD. Trumps Amtsenthebungsverfahren.

Sebastian Hofer:Menschen: mehr Solidarität. Haushalts- geräte: weniger Intelligenz. Kanye West: mehr oder weniger.

Wolfgang Paterno:Mehr Zeit für die Stammtischbrüder!

Nina Schedlmayer:Sei achtsam! Lerne, loszulassen! Nutze die Zeit! Finde dein inneres Ich! Und vor allem: Schütze Amerika!

Sebastian Hofer

Sebastian Hofer

schreibt seit 2002 im profil über Gesellschaft und Popkultur, ist seit 2020 Textchef dieses Magazins und zählt zum Kernteam von faktiv.