"Birdman": Tragikomödie mit Michael Keaton ist der große Oscar-Gewinner

"Birdman": Tragikomödie mit Michael Keaton ist der große Oscar-Gewinner

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Einen solchen Film hätte man Alejandro González Iñárritu nicht mehr zugetraut: "Birdman (oder die unverhoffte Macht der Ahnungslosigkeit)“, die fünfte Arbeit des mexikanischen Regisseurs, lässt die bleierne Schwere seiner allzu global-existenzialistisch konzipierten Filme "21 Grams“ (2003) und "Babel“ (2006) hinter sich, um stattdessen eine mit Witz, Bestürzungs- und Verblüffungsmomenten, Pop-, Philosophie- und Showbiz-Anspielungen vollgeräumte Meta-Farce zu entwickeln. Das Ergebnis ist erstaunlich - und als böser Kommentar auf die realen Exzesse Hollywoods und der Broadway-Bühnen zu verstehen: Mit neun Nominierungen ging "Birdman“, im vergangenen August noch Eröffnungsfilm des Festivals in Venedig, aus der Pole-Position ins diesjährige Rennen um die Oscars. Am Ende wurden es vier Statuen (Bester Film, beste Regie, bestes Originaldrehbuch, beste Kamera).

Großartiges und dialogintensives Ensemblespiel

Mit bemerkenswerter Selbstironie spielt Ex-Batman-Akteur Michael Keaton, dessen Karriere letzthin auch etwas gelitten hat, hier einen unsicheren ehemaligen Superheldendarsteller, der in der Rolle des Birdman vor rund zwei Jahrzehnten den Zenit seines Erfolgs erreichte und überschritt und nun am Broadway mit "seriöser“ Schauspielerei um ein Comeback kämpft. Emmanuel Lubezkis hochmobile Kameraarbeit begleitet das großartige und dialogintensive Ensemblespiel, das von Edward Norton, Emma Stone, Zach Galifianakis, Naomi Watts und Andrea Riseborough maßgeblich geprägt wird.

So gerät "Birdman“ zu einem eigenwilligen Lustspiel über Narzissmus und Lebensangst, zu einer Backstage-Tragikomödie mit hysterischen und durchaus surrealen Obertönen, zum Drama eines lächerlichen Mannes, der sich selbst nicht genug zu schätzen weiß: Die Szene, in der Keaton sich bei laufender Vorstellung aus dem Theater sperrt und eilig watschelnd den Weg von der Hintertür zum Haupteingang über den dicht besetzten New Yorker Times Square in Socken und Unterhose zurücklegen muss, darf bereits jetzt als Klassiker gelten.

Stefan   Grissemann

Stefan Grissemann

leitet seit 2002 das Kulturressort des profil. Freut sich über befremdliche Kunst, anstrengende Musik und waghalsige Filme.