Elvis Costello

Elvis Costello: "Ich bewerbe mich ja nicht um ein politisches Amt!"

Der britische Musiker Elvis Costello über sein neues Album „Look Now“.

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profil: Herr Costello, Anfang des Jahres mussten Sie wegen einer Krebserkrankung mehrere Konzerte absagen. Nur ein paar Monate später veröffentlichen Sie Ihr neues Album „Look Now“. Musste es diesmal besonders schnell gehen? Elvis Costello: Inhaltlich hat sich das gar nicht ausgewirkt. Das Album war bereits geschrieben, mit der Musik waren wir fast fertig, gefehlt hat nur noch mein Gesang.

profil: Heute geht es Ihnen gut? Costello: Wahrscheinlich hätte niemand etwas von der Operation erfahren, wenn ich nicht ein paar Konzerte absagen hätte müssen. Ich dachte wohl, ich sei stärker, habe wieder zu schnell zu arbeiten begonnen. Richtig krank war ich aber nie. Danke, heute ist alles gut.

profil: Ihr Tourneekalender ist rappelvoll. Mit Ihrer Band treten Sie aktuell in den Vereinigten Staaten und in Kanada auf. Ist Ihnen das Live-Spielen immer noch so wichtig? Costello: Das Spielen ist mein Beruf, mein Leben. Als Band versucht man, sich die Konzerte möglichst spannend zu erhalten. Mit den neuen Songs im Gepäck, die noch nie live aufgeführt wurden, ist das natürlich doppelt spannend.

profil: Vor ein paar Jahren haben Sie gesagt, dass Sie eigentlich keine neuen Alben mehr veröffentlichen möchten. Was hat sich geändert? Costello: Mein letztes Soloalbum ist vor acht Jahren erschienen, zwischendurch erschien mit The Roots die Kollaboration „Wise Up Ghost“. Außerdem wollte ich einfach mehr Zeit mit meiner Familie verbringen, mein Arbeitspensum ein wenig zurückschrauben. Ich habe auch lieber live gespielt als im Studio zu sitzen. Über die Jahre haben sich aber wieder so viele Songideen angesammelt, dass ein neues Album die logische Konsequenz war.

profil: Für „Look Now“ haben Sie sich nochmal mit Ihrer alten Band The Imposters zusammengetan. Ein gutes Gefühl? Costello: Glauben Sie mir, diese Band kann einfach jede Musikrichtung spielen! Meine früheren Alben mit den Imposters waren immer von einer Rock’n’Roll-Attitüde getrieben, aber bei den neuen Songs wurde uns schnell klar, dass wir heute vielschichtiger klingen möchten.

profil: Seit den späten 1970er-Jahren haben Sie über 30 Studioalben veröffentlicht. Vergleichen Sie neue Songs mit Ihren Klassikern? Costello: Nein. Manchmal gebe ich meinen Mitmusikern einen Referenzrahmen, verweise auf eine bestimmte Ära. Viel wichtiger erscheint es mir heute, sich als Band nicht mit der eigenen Vergangenheit aufzuhalten, sich gewissen Stilen nicht zu verwehren und aufgeschlossen zu bleiben.

profil: In Ihren Memoiren „Unfaithful Music“ verraten Sie, dass Sie sich beim Songwriting gerne von den Werken anderer Künstler inspirieren lassen. Wie darf man sich diese Arbeitsweise vorstellen? Costello: Das ist nicht immer so. Für Künstler ist es aber normal, dass man im kreativen Prozess eine gewisse Vorstellung oder ein Modell bereits im Kopf hat – egal, ob man Maler oder Musiker ist. Mit Kopieren hat das nichts zu tun. Die Frage ist, wie kann ich etwas Einzigartiges erschaffen und damit Gefühle erzeugen, die ein anderes Werk bei einem selbst ausgelöst haben.

profil: Geht das Komponieren mit Ihrer Erfahrung mittlerweile nicht schon von allein? Costello: Nein, das ist eine Illusion. Hätte man diese Gabe, würde man einen Hit nach dem anderen schreiben. Manchmal muss man sich in Geduld üben, einfach abwarten, bis einem endlich eine neue Melodie zufliegt.

Ich wollte nie der Beste in einem Metier sein – ich hatte einfach Lust und wollte dazulernen.

profil: Im Laufe Ihrer Karriere haben Sie mit unterschiedlichsten Musikern zusammengearbeitet. In den 1980er-Jahren unter anderem mit Größen wie Paul McCartney oder Johnny Cash – zuletzt mit der Hip-Hop-Formation The Roots. Ist das Ihre Methode neugierig zu bleiben, sich das Musikmachen spannend zu halten? Costello: Das sind ja keine Entscheidungen, die man aus einem bestimmten Grund fällt. Das sind Chancen, die man sich nicht entgehen lassen möchte. Man wäre ein Narr, würde man sich dem widersetzen. Es ist auch nicht der Wunsch, anders sein zu müssen, man lässt sich vielmehr in neue musikalische Richtung treiben. Diese Erfahrungen sind immer überraschend.

profil: Ihr erstes Album erschien vor 41 Jahren, während sie noch in einem Büro gearbeitet haben. Ist Ihnen Arbeitsethos wichtig? Costello: Ich bezeichne mich selbst als Arbeiter. Ich bin Künstler, ja, aber ich bin kein Musiker, der sich auf die Bühne stellt und einfach so fremde Musik intonieren kann. Dazu fehlt mir die Technik. Neben der Musik habe ich ja auch viele Film-Soundtracks komponiert, bin in TV-Serien aufgetreten. Ich wollte nie der Beste in einem Metier sein – ich hatte einfach Lust und wollte dazulernen.

profil: „Look Now“ klingt wie ein Querschnitt durch Ihr Schaffen, an keiner Stelle aber nostalgisch. Was ist Ihr Geheimnis? Costello: Das Album ist weder überarrangiert noch überproduziert. Wir haben darauf geachtet, dass die Instrumente genau zu hören sind, ein organisches Soundgefühl entsteht und die Stimme präsent ist. Das hat viel mit Erfahrung zu tun.

profil: Muss man sich als Künstler 2018 eigentlich besonders politisch positionieren? Costello: Gegenfrage: Muss man sich in der Kunst und in der Musik heute mehr engagieren als zum Beispiel 1933? Der Punkt ist, als Menschen müssen wir lernen, miteinander auszukommen und Vertrauen aufzubauen. Wir dürfen uns nicht von politischen Slogans in die Irre führen lassen. Ich bezeichne mich daher auch nicht als politischen Songwriter, ich mache lieber das, was ich kann und schreibe über meine Gefühle. Ich bewerbe mich ja nicht um ein politisches Amt!

profil: Manchen Sie sich Gedanken über Ihr musikalisches Erbe? Costello: Überhaupt nicht. So kann man ja nicht arbeiten. Ich muss meine Zeit im Hier und Jetzt nützen. Natürlich hinterfragt man sein Schaffen: Macht Songwriting noch Sinn? Genieße ich noch, was ich tue? Will die neuen Songs jemand hören? Wenn ja, dann gehen wir raus und spielen sie. So schwer ist das nicht.

Elvis Costello, 64,

wurde als Declan Patrick McManus in London geboren und gehört zu den bedeutendsten Singer-Songwritern seiner Generation. Costello, der immer wieder als Schauspieler in Erscheinung tritt (u.a. in David Simons Serie „Treme“), hat in unterschiedlichsten Band-Konstellationen mehr als 30 Studioalben veröffentlicht, spielte mit Paul McCartney, Johnny Cash und der Hip-Hop-Formation The Roots. Costello ist mit der kanadischen Jazz-Pianistin und Sängerin Diana Krall verheiratet.

Elvis Costello and The Imposters - Look Now

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Philip Dulle

Philip Dulle

1983 in Kärnten geboren. Studium der Politikwissenschaft in Wien. Seit 2009 Redakteur bei profil. Hat ein Herz für Podcasts, Popkultur und Basketball.