Ehe-Thrillersatire

„Gone Girl“: David Fincher überhebt sich an seinen eigenen Ansprüchen

Kino. David Finchers „Gone Girl“ überhebt sich ein wenig an seinen eigenen Ansprüchen

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Fünf Jahre können jede Ehe ruinieren, auch wenn sie noch so romantisch begonnen hat. David Finchers „Gone Girl“ handelt ausdrücklich davon, was zwei Menschen, die in allerbesten Absichten beschlossen haben, ihr Leben gemeinsam zu führen, einander anzutun bereit sind. Der Zahn der Zeit – und der Wirtschaftskrise – nagt an der Partnerschaft, von der in diesem Film die Rede ist. Am fünften Hochzeitstag von Nick und Amy Dunne scheinen jedenfalls von der Liebe, die man einander einst beteuert hat, nur die Scherben eines Glas-Couchtisches und ein paar frische Blutspuren geblieben zu sein. Spurlos ist sie aus dem Eigenheim im ländlichen Missouri verschwunden, jene Frau, deren reiche Eltern sie in einer populären Kinderbuchserie zu „Amazing Amy“ verklärt haben. Der uninspirierte Nick wirkt da eindeutig weniger „amazing“: Seine Trauer über den womöglich gewaltsamen Abgang seiner Frau hält sich öffentlich in Grenzen, dann taucht auch noch eine junge Geliebte an seiner Seite auf, und das Geld, von dem er lebt, ist das Ersparte seiner Frau. Damit haben die ermittelnden Polizisten einen Hauptverdächtigen an der Hand und die Medien einen Sündenbock.

Ben Affleck, der Jedermann des gegenwärtigen Hollywood, ist als unsicher-undurchsichtiger Ehemann eine Idealbesetzung. Rosamund Pike, deren Erzählperspektive die lebendigere zweite Hälfte dieses seltsam uneinheitlichen, zwischen Mediensatire und Psychothriller changierenden Films beherrscht, verschiebt den Tonfall dieses Werks drastisch – von der Krimi-Konvention in Richtung Slasher-Exzess. „Gone Girl“, basierend auf Gillian Flynns rezentem Krimibestseller, ist längst nicht Finchers stärkster Film – diese Position teilen sich „Fight Club“ (1999) und „Zodiac“ (2007) –, aber Interesse weckt der künstlerisch wagemutige Versuch des Filmemachers, zugleich Spannung, Amüsement und Gesellschaftskritik seiner damit eher überlasteten Inszenierung abzutrotzen, doch.
Der Zynismus, der in „Gone Girl“ latent von Anfang an zu spüren ist, wird am Ende jedenfalls sehr explizit. Ohne hier den Schluss dieser Kinoerzählung auch nur ansatzweise vorwegnehmen zu wollen: Wie hässlich die sprichwörtliche gute Miene zum bösen Spiel aussehen kann, wenn man einander vielfach getäuscht, belogen und betrogen hat, führt Fincher da sehr schön vor Augen.

Stefan   Grissemann

Stefan Grissemann

leitet seit 2002 das Kulturressort des profil. Freut sich über befremdliche Kunst, anstrengende Musik und waghalsige Filme.