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Modedesigner Rumpf: „Wien ist das kleine Paris“

Christoph Rumpf über Opulenz in seiner Mode, den Einfluss von Helmut Lang und die neue Nachhaltigkeit.

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profil: Sie ziehen demnächst nach Paris, um Ihr eigenes Label zu gründen. Ist Wien denn keine Modestadt?
Rumpf: High Fashion ist schwierig, weil es sehr wenige Käufer und Käuferinnen gibt. Auch die Möglichkeit, sich zu vernetzen, ist hierzulande total eingeschränkt.

profil: Hat Österreich Sie trotzdem geprägt?
Rumpf: Ich liebe Wien über alles, es ist für mich das kleine Paris. Ich genieße, wie nostalgisch diese Stadt ist. Vielleicht hat das auch mit der Architektur zu tun, in der man gefangen ist. Wenn man an Schönbrunn vorbeifährt, ist man geblendet von dieser Pracht. Die alte k. u. k. Monarchie ist noch immer lebendig. Die extreme Opulenz der Kleider von Kaiserin Sisi inspiriert mich.

profil: Viele denken bei Mode aus Österreich noch immer an Helmut Lang, der mit seinem Minimalismus die 1990er-Jahre geprägt hat. Gibt es da Verbindungspunkte?
Rumpf: Ich finde großartig, was Helmut Lang alles verändert hat. Wie international er gearbeitet hat, dass er Österreich auf die Mode-Landkarte gebracht hat. Ich denke, Lang war wichtig, die Verrücktheit der 1980er-Jahre zu überwinden: alltagstaugliche, schön gemachte Mode zu kreieren, so, wie wir sie heute kennen und schätzen. Ich trage Helmut Lang gerne, auch wenn meine Entwürfe ganz anders aussehen.

profil: Wer sind Ihre Vorbilder?
Rumpf: John Galliano, Alexander McQueen und Thierry Mugler waren meine Helden. Mode, die komplett wahnsinnig war. Und extrem dramatisch. Es sind aber auch drei Designer, die viel Wert auf Schnitte gelegt haben. Da ging es um Konstruktion und teure und schöne Stoffe. Es war eben nicht minimalistisch.

profil: In den letzten Jahren war Streetstyle auch in der High Fashion sehr präsent. T-Shirts und Kapuzensweater mit Markenlogo zu irrwitzigen Preisen fanden rasanten Absatz.
Rumpf: Ich finde lustig, wie sich gerade alles vermischt. Dass zum Beispiel Streetwear-Labels zusammen mit Marken wie Dior in einem Shop hängen. Aber manchmal ist es schon frustrierend, wenn man wirklich viel Zeit in aufwendige Schnitte steckt, und dann gibt es T-Shirts, die sich viel besser verkaufen. Weil es gerade hip ist. Mein Ansatz ist: Wie kann ich eine Kollektion so schön machen, dass sogar Leute, die diese Ästhetik momentan nicht verstehen, sie kaufen wollen.

profil: Sie meinten einmal, Mode müsse nicht cool sein. Wie ist das zu verstehen?
Rumpf: Ich mochte schon immer die Außenseiter. Über die man gesagt hat, die sehen schräg aus. Leute, die cool sind, kaufen ja ohnehin nur Sachen, die schon cool sind. Das ist langweilig und nicht sonderlich kreativ.

profil: Wie entsteht eine Kollektion?
Rumpf: Ich versuche, Geschichten zu erzählen, es ist eine Art Film, der in meinem Kopf entsteht. Bei der letzten Kollektion ging es um die katholische Kirche, wie Homosexualität behandelt und dargestellt wird. Das hat mich extrem wütend gemacht. Im Lauf der Arbeit hat sich dann aber der Fokus verändert. Am Ende ging es darum, wie man ein Trauma verarbeitet. Wie man mit Ablehnung und Ausgrenzung umgeht. Es sind Geschichten, die sozial wichtig sind, die viel über unsere Gesellschaft erzählen.

profil: Wie stellt man das in der Mode dar?
Rumpf: Mir ist wichtig, dass Menschen meine Sachen schnell und einfach verstehen. Ich finde es immer sehr schwierig, wenn Konzepte für Modekollektionen unglaublich kompliziert sind. Und am Ende siehst du ein simples Hemd. Ich bin auch altmodisch, was Qualität betrifft. Die muss einfach passen.

profil: Es wurde viel über Ihr sanftes Männerbild geschrieben. Woher kommt das?
Rumpf: Ich denke gar nicht so viel darüber nach, ich lebe einfach so. Mich hat der Wiener Club "Rhinoplasty" sehr geprägt, das sind Partys, auf denen man sich verkleidet, aberwitzige Drag-Outfits bastelt. Ich bin ein Mensch, der sich gerne herausputzt, wenn er ausgeht.

profil: Ist Ihre Mode unisex?
Rumpf: Diese Zuschreibung mag ich nicht so gern. Was heißt überhaupt unisex? Ich lege großen Wert auf Schnitte, habe aber oft das Gefühl, dass der Begriff "unisex" missverstanden wird. Nach dem Motto: Das passt ohnehin jedem, weil es so wischiwaschi gemacht ist. Deshalb betone ich immer: Nein, das ist Männerkleidung, aber Frauen können sie gerne auch anziehen.

profil: Sie setzen auf Nachhaltigkeit. Wie funktioniert das?
Rumpf: Ich gehe oft auf Flohmärkte, verwende Restbestände aus Stoffgeschäften. Man muss schauen, dass man arbeiten kann, ohne dass wer zu Schaden kommt. Im Moment habe ich das Glück, dass ich noch nicht so schnell produzieren muss. Ich könnte nicht alle sechs Monate eine Kollektion auf den Markt werfen, dafür ist die Recherche zu aufwendig.

profil: Glauben Sie, die Modewelt verändert sich grundsätzlich in Richtung Nachhaltigkeit in Form von recycelten Materialien und der Wiederverwertung von Restbeständen?
Rumpf: Der Gedanke kommt an. Aber wie immer viel zu langsam. Große Labels machen bis zu neun Kollektionen im Jahr-eine davon ist dann nachhaltig. Das ist zu wenig. Sie sollten mit gutem Vorbild vorangehen, nicht die Last auf die Schulter der jungen Labels legen. Wenn man sieht, dass 100 T-Shirts in der Produktion insgesamt fast weniger als zehn kosten, ist das deprimierend.

Karin   Cerny

Karin Cerny