Kultur

Österreich lacht als letztes: Wie in Wien eine Comedy-Szene entsteht

In Wien entwickelt sich gerade eine eigenständige Stand Up-Szene. Im internationalen Vergleich gehört Österreich damit zu den Schlusslichtern. Ein Lokalaugenschein.
Eva  Sager

Von Eva Sager

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Wie sagt man: In Österreich geht man zum Lachen in den Keller. So ist das zumindest im „The Comedy Pub“ auf der Wiedner Hauptstraße. Von außen sieht er ein bisschen so aus wie ein Irish Pub. Große Bar, dunkle Holzmöbel, zwei Veranstaltungsräume – einer davon im Untergeschoß. In Wien ist er der einzige Comedy Club mit dauerhafter Location. Sechs Tage die Woche hat er geöffnet, ungefähr zehn Veranstaltungen finden in dieser Zeit statt, bei den meisten davon ist der Eintritt frei.

„Wir versuchen, die Hemmschwelle niedrig zu halten und den Menschen die Kunstform erst einmal näher zu bringen“, sagt Gründer Homer Hakim. Die Szene sei in Österreich noch vergleichsweise klein, das liege laut Hakim vor allem am Kabarett. „Österreich ist ein Kabarett-Land. Und sobald Personen im Stand-Up erfolgreich sind, werden sie von Kabarett-Agenturen abgeworben und auf Tour geschickt. Deswegen wächst die Szene sehr langsam.“ 

Zudem hätten deutsche Komiker wie Mario Barth der Comedy nicht zwangsläufig gutgetan. „Ich sage immer, kennt man ein Mario Barth-Programm, kennt man sie alle. Da geht es hauptsächlich um Mann, Frau, haha. Auch, weil er vor allem für die Mehrheitsgesellschaft spielt. Die modernen Stand-Up-Comedians halten der Gesellschaft eher den Spiegel vor, anstatt mit dem Publikum davor zu sitzen“, sagt Hakim.

Nun, aber was ist da jetzt genau der Unterschied zwischen Kabarett und Stand-Up-Comedy? Ganz streng lässt sich das natürlich nicht voneinander abgrenzen. Während es im Kabarett ein durchgeschriebenes Programm gibt und Auftretende oft eine Rolle verkörpern, bleibt man im Stand-Up wesentlich kürzer, interagiert vermehrt mit dem Publikum.

„Willkommen beim Roast Battle“

Zurück in den Comedy Club. An einem Mittwoch Ende November veranstaltet dort Stand-Up Comedian und Kabarettist Niko Nagl ein „Roast Battle“. Übersetzt bedeutet das ungefähr so viel: Comedians beleidigen sich gegenseitig auf der Bühne, freundschaftlich versteht sich und im besten Fall auch noch derart kreativ, dass es auch das anwesende Publikum witzig findet. Deshalb muss sich der ORF-Moderator Clemens Maria Schreiner an jedem Abend auch von seinem Comedy-Kollegen Nagl folgenden Satz anhören: „Clemens war zeitlebens Schulsprecher, seit Sebastian Kurz habe ich festgestellt, dass Menschen ein Faible für uncharismatische Menschen haben, die noch nicht im Stimmbruch waren.“ Der Veranstaltungsraum im „The Comedy Pub“ fasst über hundert Menschen, er ist zwar nicht voll, aber immerhin gut zur Hälfte gefüllt. Im Publikum sitzen vor allem junge Männer, die Stimmung ist ausgelassen, die anfänglichen technischen Schwierigkeiten lachen alle weg.

Nagl ist seit 2017 in der Stand-Up-Szene aktiv: „Wie heißt es: Wenn die Welt einmal untergehen sollte, ziehe ich nach Wien, denn dort passiert alles fühnfzehn Jahre später. Das ist in dem Fall ähnlich. Wir erleben im österreichischen Stand-Up jetzt den Boom, den Berlin in den 2010er Jahren erlebt hat.“

„Die Witze waren schlecht und diskriminierend“

Dieser Boom liegt auch an der wachsenden internationalen Szene. Hakim sagt: „Menschen mit Migrationshintergrund werden von Kabarettagenturen oft nicht kontaktiert. Stand-Up Comedy bedient sich dagegen immer der Perspektive der Minderheit. Das war in den 1920er-Jahren bei den jüdischen Comedians schon so. Oder später bei den afroamerikanischen Comedians, sie sind so etwas wie die Vorväter dieser Kunstform.“

Denice Bourbon von „PCCC*“, Wiens erstem queerem Comedy Club, sagt dazu: „Ich liebe Comedy. Aber in Wien gab es lange keine Veranstaltungen für uns, also für queere Menschen, Personen außerhalb der Norm. Die Witze waren alt, schlecht und diskriminierend. Also habe ich etwas gestartet, das ich selbst gerne hätte sehen wollen.“ Und das spürt auch das Publikum. „Die Menschen bei unseren Veranstaltungen warten nicht darauf, dass man scheitert. Sie sind sehr aktiv und unterstützend.“

Veranstaltungen sind oft in Minuten ausverkauft. Die Anerkennung für die Leistung der Organisator:innen und Auftretenden bleibt dabei oft zu kurz. „Wir füllen riesige Säle. Man hört von Lebensrealitäten und Geschichten, denen man sonst nicht begegnet wäre. Aber die Mainstream-Szene ist uns gegenüber, trotz des Erfolges, oft sehr leise. Ich frage mich, woran das liegt?“

Eva  Sager

Eva Sager

seit November 2023 im Digitalteam. Schreibt über Gesellschaft und Gegenwart.