Last Days Here. Bobby Liebling in der Wiener Arena.

Pentagram-Sänger Bobby Liebling: „Ich will in Würde gehen“

Hüftschwung, Leidenschaft und Selbstzerstörung

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Zur Besinnung kam Bobby Liebling im Keller. Der Sänger der Hardrock-Pioniere Pentagram verbrachte einen Gutteil der Nullerjahre auf einer Matratze im Haus seiner Eltern in einem Vorort von Washington D.C.. Liebling, gezeichnet von Jahrzehnten des Drogenkonsums, Alkoholmissbrauch und innerer Zerrissenheit, vegetierte im Untergeschoss des elterlichen Hauses vor sich hin. Das Diplomatenehepaar hatte den Musiker schon fast aufgegeben, kümmerte sich aber dennoch liebevoll um ihren verlorenen Sohn, wie in der Doku „Last Days Here“ (2011) zu sehen ist.

In den 1970er-Jahren galten der extravagante Sänger und seine Band Pentagram als Geheimtipp und Wegbereiter okkulter Rockmusik. Im Vergleich zu der weltbekannten Band Black Sabbath mit Ozzy Osbourne hat von Pentagram jedoch kaum jemand etwas mitbekommen. Das lag allerdings in erster Linie nicht an der Musik, sondern an Lieblings Unfähigkeit, die Band am Laufen zu halten. Erst nach 16 Jahren und fast ein Dutzend Lineup-Wechseln schaffte es Bandkopf Liebling, ein erstes Album zu veröffentlichen.

Glitzer-Rockoutfit und Haarbürste

45 Jahre nach Bandgründung scheint Bobby Liebling seine inneren Dämonen, bis heute gleichzeitig kreative Schaffensquelle und hinderlicher Abgrund für seine Musik, in den Griff bekommen zu haben. Beim Interview mit profil im Backstageraum der Wiener Arena zeigt sich der 62-Jährige gefasster denn je. „Die Liebe zur Musik treibt mich immer noch an“, so Liebling, fesch gekleidet im Glitzer-Rockoutfit und mit Haarbürste in der Hand. Ein paar Jahre wolle er noch weitermachen. „Und dann will ich in Würde gehen.“ Liebling genießt es sichtlich, in den vergangenen Jahren endlich Anerkennung für die Jahrzehnte voller Selbstzweifel und mühseliger Arbeit bekommen zu haben. „Wir haben in den letzten fünf Jahren so viele Konzerte gespielt, wie die Band in den 40 Jahren davor nicht gespielt hat“, erzählt Bassist Greg Turley. Und Gitarrist Victor Griffin ergänzt: „Es ist angenehm, mittlerweile ein wenig Komfort wie ein Hotelzimmer und eine Dusche haben zu können.“

Das Publikum ist dankbar. Mehr wollte Bobby Liebling auch nie.

Aber es wäre nicht Bobby Liebling und Pentagram, wenn auf der Bühne alles glatt laufen würde. Die ersten zehn Minuten des Konzerts vor rund 250 Besuchern ist der von seinem Leben gezeichnete Sänger damit beschäftigt, das richtige Mikrofon in die Hand zu bekommen. Doch einmal warm geworden, zeigt Pentagram wofür diese Art der Musik bis heute noch steht: Leidenschaft, Hingabe und Selbstzerstörung.

Liebling schwingt seine Hüften, reißt seine Augen auf und erfreut sich am Gitarren- und Bassspiel seiner Bandkollegen, als ob die letzten 45 Jahre keine Spuren an ihm hinterlassen hätten. Das Publikum ist dafür dankbar. Mehr wollte Bobby Liebling auch nie.

Philip Dulle

Philip Dulle

1983 in Kärnten geboren. Studium der Politikwissenschaft in Wien. Seit 2009 Redakteur bei profil. Hat ein Herz für Podcasts, Popkultur und Basketball.