SELBSTREFLEXIV: Ein Film voller Doppelungen, Spiegelungen und Kommentare.

Replikanten unter sich: "Blade Runner 2049"

Science-Fiction für Dichter und Denker: "Blade Runner 2049" ist ein erwachsener Film über unsere emotionalen Erinnerungen.

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Ein Sequel zu drehen, das 30 Jahre nach dem Ende von Ridley Scotts stilbildendem Film "Blade Runner" einsetzt, ist eine Herkulesaufgabe. Denis Villeneuve ("Arrival") löst sie, indem er unsere Erinnerung an das Original in den Mittelpunkt stellt: das augenfällige Set-Design, den dröhnenden Sound, den Noir-Look der Figuren. So konsequent setzt er die Welt fort, die Scott 1982 schuf, dass man sich fragen kann, ob hier alles nur Kopie sei. Diese Frage stellt auch Officer "KD6-3.7"(Ryan Gosling), der -selbst ein Blade-Runner- Replikant - im Jahr 2049 noch immer alte Nexus-8-Modelle jagt.

Sobald er jedoch am Feierabend von seiner holografischen Gefährtin zur Nachtlektüre Nabokovs "Fahles Feuer" angeboten bekommt, darf man als Zuschauer sicher sein, den Erzählraum eines konventionellen Hollywood-Sequels verlassen zu haben. Nabokovs Romangedicht steckt wie der Film voller Doppelungen, Spiegelungen, Reprisen, ist selbst Kommentar zu einem im historischen Bildgestöber verschwimmenden fiktiven Original. Villeneuves neuer Held folgt einer Spur, die zu Officer Decker (Harrison Ford) führen könnte. Die digitalen Archive helfen nicht, sie sind inzwischen durch eine Atombombe über dem Großraum Los Angeles beinahe vernichtet worden. Kann man da den Hinweisen aus dem eigenen Gedächtnis mehr vertrauen?"Blade Runner 2049" ist unter seiner fantastischen Design-Oberfläche ein sehr erwachsener Film darüber, wie unsere emotionalen Erinnerungen unser Begehren bestimmen -und wie wir diese Erinnerungen zugleich selbst mitfabrizieren. Dass wir darüber ausgerechnet im Blockbuster- Kino nachdenken können, gemeinsam mit biologischen Androiden, ist das schönste Paradox, das einem dieser Film beschert.