Ukraine-Krieg

"Signs of War“: Nur ein Zeuge

In dem Dokumentarfilm zeigt ein französischer Fotoreporter die Ergebnisse seiner Arbeit – und berichtet von traumatisierenden Erlebnissen an den Frontlinien des Ukraine-Krieges.

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Er sei nie Kriegsreporter gewesen, stellt er einleitend fest; es war der erste und letzte Krieg, in den er geraten sei. Denn nichts schütze einen vor dem, was man da zu sehen, zu riechen und zu hören kriege, sagt der französisch-niederländische Fotograf Pierre Crom, 56. Der ukrainische, seit 2013 in Wien lebende Regisseur Juri Rechinsky, 37, hat gemeinsam mit ihm, aus Fotos und Videos, die Crom seit der russischen Annexion der Krim im Februar 2014 hergestellt hat, einen Film destilliert, der das Leben in der Ukraine dokumentiert – und die Verantwortung derer, die den Krieg und seine Konsequenzen aufzeichnen. Am Freitag dieser Woche, am Jahrestag der Invasion in die Ukraine, steht im Wiener Stadtkino, in Anwesenheit des Regisseurs sowie der Produzentin Barbara Caspar, die Premiere von „Signs of War“ auf dem Programm; profil-Redakteur Robert Treichler wird moderieren.

Croms Bilder, entstanden entlang der Frontlinien in Sewastopol, im Donbas und in der Region um Luhansk, auf russischer ebenso wie auf ukrainischer Seite, vermitteln eindringliche Blicke ins Innere eines zum infernalischen Alltag gewordenen Krieges: Es ist das Protokoll eines Lebens in der Eiseskälte langer Winter und in schmutzigen Kellern, in denen Dutzende Familien vor sich hin vegetieren; man sieht Szenen der improvisierten Verwundetenbetreuung, des nächtlichen Gefangenenaustauschs und Bilder surreal-apokalyptischer Weihnachtsspektakel. Man erlebt, wie Schulkindern das Schießen beigebracht wird.

„Signs of War“ ist in weiten Teilen ein Fotofilm, eine spärlich kommentierte, subtil nachvertonte Serie von Ansichten einer bedrängten Ukraine. Man merkt Crom an, wie schwer es ihm fällt, das Erlebte wiederzugeben, fassen zu können. Er spricht auch von den Folgen seines fortgesetzten Blicks auf die Blutspuren des Krieges; man werde dabei „zu einer Art Zyniker“. Trotzdem begreife er nicht, wieso er ständig gefragt werde, wie es ihm gehe. Er sei, im Gegensatz zu den Menschen in seinen Bildern, kein Opfer. Nur ein Zeuge.

Stefan   Grissemann

Stefan Grissemann

leitet seit 2002 das Kulturressort des profil. Freut sich über befremdliche Kunst, anstrengende Musik und waghalsige Filme.