Stationen einer Pathologisierung: Marie Leuenberger in "Mother's Baby"
Szenen einer Mutterschaftskrise: Johanna Moders Thriller „Mother's Baby“
Als Horrorfilm wird „Mother’s Baby“ derzeit beworben, und obwohl dies nicht gänzlich falsch ist, führt der Begriff auch in die Irre. Denn die Furcht, die darin erregt wird, ist keine dunkle Fantasie, sondern geht auf Realistisches, auf tatsächlich und vielfach Erlebtes zurück: Frauen, die ihre Mutterschaft, gegen alle gesellschaftlichen Übereinkünfte, nicht einfach als glückselig machend empfinden, sondern psychisch daran schwer erkranken, sind alles andere als selten. Von einem solchen Fall handelt das zwischentonreiche Werk, das die aus Graz stammende Filmemacherin Johanna Moder, 46, geschrieben und inszeniert hat. Sie zieht uns dabei, in aller Ruhe, den Boden unter den Füßen weg.
Eine erfolgreiche Dirigentin (introvertiert dargestellt von Marie Leuenberger) gerät nach der traumatischen Geburt ihres Wunschkindes in eine Abwärtsspirale aus Schuldzuweisungen und Paranoia. Sie beginnt ihr Kind abzulehnen, entwickelt den Gedanken, es könnte nicht ihres sein. Ein Axolotl, jener befremdliche Wasserbewohner, spielt dabei – als Stofftier und Lebenwesen – eine gut gewählte Nebenrolle; es erscheint so kindlich wie grotesk. Von der Regression ins Grauen ist es nur ein kleiner Schritt.
Hans Löw und Marie Leuenberger als von den Ereignissen erschüttertes Paar in "Mother's Baby"
Interessanterweise ist dies, nach Andreas Prochaskas "Welcome Home, Baby", bereits der zweite österreichische Spielfilm in diesem Jahr, der problematische Schwangerschaften nicht nur thematisiert, sondern sie auch genrehaft auf die finstere Spitze treibt. Allerdings nähert sich Moder, verglichen mit Prochaskas ungebremster Schockambition, ihrem Sujet deutlich subtiler, wirklichkeitsverbundener. Ihr Film ist jedenfalls kompetent besetzt: Als Partner der Protagonistin trifft Hans Löw die richtigen Töne zwischen Hilfsbereitschaft und Hilflosigkeit. Als mephistophelischer Fruchtbarkeitsspezialist tritt der Däne Claes Bang, bekannt aus Ruben Östlunds "The Square", auf. Moders beklemmende Inszenierung schraubt sich konsequent in ihr eskalierendes, vieldeutiges Finale, in eine Zone, in der zwischen mentaler Krise und sozialem Überdruck kaum noch zu unterscheiden ist.