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Weltschmerz und Witzfigur: Die Eröffnungspremieren in Bayreuth und Salzburg

Julius Caesar sitzt im Betonbunker fest, während am Grünen Hügel eine Opern-Musical-Kernfusion versucht wird: zum Start der Festspiele in Bayreuth und Salzburg.

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So viel Mut muss man als Festivalleiterin erst einmal aufbringen. In Bayreuth hatte die Komponisten-Urenkelin Katharina Wagner entschieden, die diesjährige „Meistersinger von Nürnberg“-Premiere inhaltlich-ästhetisch ganz anders als gewohnt aufzusetzen. Nachdem sie selbst 2007 und der australische Regisseur Barrie Kosky 2017 dezidiert politische, sich auch mit der fatalen Festspielhistorie in der NS-Zeit auseinandersetzende „Meistersinger“ inszeniert hatten, sollte Richard Wagners einzige, wenn auch komplexe und überlange Musikkomödie diesmal wieder ursprünglicher gegeben werden.

Dafür hat Katharina Wagner sich den deutschen Musical-Profi Matthias Davids ausgesucht. Und er, der seit 2012 am Landestheater Linz erfolgreich die Musicalsparte leitet, hat geliefert. Seine TV-knallbunte Inszenierung, die gekonnt Räume füllt und die vielen Figuren abwechslungsreich führt, ist keine rückwärtsgewandte Harmlosigkeit geworden. Alle Fußangeln des vielschichtigen Werks sind sichtbar.

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Dabei erscheint das Stück sehr aktuell, wenn Davids etwa von Evas Emanzipation erzählt, die ihren Stolzing selbst wählt und – als er sie zudem im Wettsingen „gewinnt“ – ihrem Vater die Meistersinger-Medaille zurückgibt, weil man ohne glücklich werden will. Und auch die Witzfigur Beckmesser, der sich vergeblich um Eva bemüht hat, bleibt ein Teil der in ihrer Vereinsmeierei gut karikierten Stadtgesellschaft. Daniele Gatti ist ein lebendiger Wagner-Dirigent, und die von Georg Zeppenfeld (Sachs), Michael Spyres (Stolzing), Michael Nagy (Beckmesser) und Christina Nilsson (Eva) angeführte Sänger-Equipe überzeugt restlos.

Sirenen, Protest

In Bayreuth wird jedes Jahr nur eine neue Produktion herausgebracht, man muss hier alles auf eine Karte setzen; in Salzburg hat man mehr Premierenmöglichkeiten. Und doch wird man das Gefühl nicht los, dass Festspiele-Intendant Markus Hinterhäuser immer wieder dieselben Opernregisseure verpflichtet. Und diesen Sommer rückten Wirklichkeit und Kunst für einen prekären Moment ganz nah aneinander, als eine propalästinensische Protesttruppe mit gefälschten Mitarbeiterausweisen den von der Staatsspitze besuchten Eröffnungsfestakt mit einer Intervention unterbrechen konnte.