Kultur im Ausnahmezustand

Wissen muss zirkulieren: Künstlerin Veronika Eberhart über den Corona-Lockdown

Kunstschaffende berichten von ihren Lockdown-Erfahrungen. Teil elf: Veronika Eberhart, bildende Künstlerin und Musikerin.

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Als der erste Lockdown in Österreich in Kraft trat, verbrachte ich gerade die letzten Tage meiner "Artist in Residency" in Los Angeles. Mein Rückflug wurde gestrichen, und durch das von Präsident Trump verhängte Einreiseverbot war es nicht leicht, das Land zu verlassen. Nach langen Telefonaten bekam ich doch noch einen Last-Minute-Flug zurück nach Wien. Letzten Sommer, als die Situation besser wurde, habe ich eine weitere "Artist in Residency" am Zentrum für zeitgenössische Kunst (WIELS) in Brüssel wahrgenommen. Als dort der zweite Lockdown kam, wurde mir die Isolation allerdings zu viel, und ich kehrte im November frühzeitig nach Wien heim.

Für meine Arbeit ist es wichtig, dass Wissen zirkuliert, dass ich in Kommunikation mit anderen treten kann. Als Performerin interessiert mich das Spannungsverhältnis zwischen Darbietung und Publikum - und wie dieses räumlich ausgelotet wird. Als Zuseherin habe ich wiederum das Verlangen, von einer Inszenierung gefordert oder verstört zu werden. Das löst Denkprozesse und emotionale Reaktionen aus. Im digitalen Raum wird diese Erfahrung weichgespült von der Zweidimensionalität des Bildschirms.

Im Dezember war ich mit einer Freundin im Prater spazieren, ein Saxofonist stand unter einem Baum. Wir haben die Person kaum erkannt, da es bereits dämmerte. Lediglich das Saxofon glänzte ein bisschen im Licht. Die Musik haben wir schon von Weitem gehört. Wir blieben stehen, setzten uns trotz Kälte auf eine Parkbank und hörten zu. Das war wunderschön. Einfach zuzuhören, wie sich der Klang verflüchtigt, hat mich richtig nostalgisch gemacht.

 

Für mich ist bildende Kunst eine sinnliche Erfahrung, die das Digitale nicht ersetzen kann. Außerdem folgt das Streben nach Aufmerksamkeit in sozialen Medien häufig einer vorhersehbaren Vermarktungslogik. Das ermüdet mich und erzeugt Monotonie. Apropos ermüden: Vor der Pandemie war ich mehrmals die Woche schwimmen. Ähnlich wie in meiner Arbeit genieße ich dabei die Bewegung des eigenen Körpers im Raum. Die Wahrnehmung erweitert sich, und die Gefahr psychischer Trägheit wird gebannt. Daher wäre ich, Corona-Krise hin oder her, temperierten Außenbecken, wie sie in anderen europäischen Städten trotz Corona probiert werden, oder auch getaktetem Indoor-Schwimmen nicht abgeneigt.

Veronika Eberhart, 38, ist Künstlerin und Musikerin. Aktuell ist ihre Videoarbeit "9 is 1 and 10 is none" in der Ausstellung "Disturbance Witch" im Zentrum für Aktuelle Kunst in Berlin zu sehen. Im Grazer Kunstverein rotor läuft ihr Film "Drums for two", in der Neuen Galerie in Graz ist sie in der Ausstellung "Kunstraum Steiermark 2020" vertreten. 2017 wurde sie mit dem Theodor-Körner-Preis für bildende Kunst ausgezeichnet. Im Sommer erscheint eine neue Veröffentlichung ihrer Band "Lime Crush" auf Fettkakao Records.

Protokoll: Stephan Wabl