Warum werden manche Menschen häufiger von Gelsen gestochen?

Im Sommer sind Gelsen eine wahre Plage. Aber manche werden viel häufiger gestochen als andere – warum ist das so?

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von Jana Unterrainer

Das gefährlichste Tier der Welt wiegt gerade einmal 2,5 Milligramm. Seine Wirkkraft ist aber gigantisch: Die Gelse ist jedes Jahr für über eine Million Tote verantwortlich, denn sie ist nicht nur ein lästiger Plagegeist, sondern auch eine Überträgerin gefährlicher Krankheiten wie Malaria, dem Denguefieber oder des Zika-Virus. Weltweit gibt es 3500 verschiedene Arten, bis zu 500 davon sind auch in Österreich heimisch. Während die heimischen Gelsenarten meist keine gefährlichen Krankheiten übertragen, wird in den letzten Jahren mit Sorge die Ausbreitung neuer, gefährlicherer Arten auch hierzulande beobachtet. Auf dem Vormarsch sind etwa die Asiatische Buschmücke (Aedes japonicus) oder die Asiatische Tigermücke (Aedes albopictus), die auch gefährliche Krankheiten übertragen können.

Bei Sonnenuntergang

Am Badesee oder beim Grillen an einem lauen Sommerabend – wir alle haben bereits Bekanntschaft mit der Gelse gemacht. Die Bilanz am Tagesende kann dann zwischen zwei Menschen sehr unterschiedlich ausfallen: Während der eine regelrecht mit roten Dippeln übersäht ist, bleibt der andere verschont. Woran liegt das? Schmeckt unser Blut etwa so verschieden?

Warum zapfen uns die Gelsen überhaupt an? Zunächst: Sie benötigen unser Blut nicht als Nahrung. Stattdessen sind sie an bestimmten Proteinen interessiert, die die Weibchen für die Entwicklung ihrer Eier benötigen und die sie nicht selbst bilden können. Es stechen also nur die Weibchen, während sich die Männchen ausschließlich von Blütennektar ernähren. Daher ist auch der Bedarf an menschlichem Blut nicht immer gleich groß. Dieser variiert je nach Jahreszeit, Gelsenart, Wetter und anderen Einflussfaktoren. Ihre Opfer wählen Gelsen dann nach bestimmten Qualitäten aus: Neben einem exzellenten Sehsinn haben sie dafür auch ein spezielles Organ – die Maxille. Damit können sie über große Entfernungen hinweg Kohlenmonoxid registrieren, das Menschen ausatmen.

Blutdurst

Die Wissenschaft beschäftigt sich intensiv mit der Frage, warum manche Menschen besonders oft von Gelsen gestochen werden. Es gibt zwar viele Vermutungen, warum Gelsen auf manche Menschen besonders fliegen, insgesamt steht die Wissenschaft in dieser Frage aber noch immer relativ am Anfang. Einig ist man sich, dass Gelsen ausgeatmetes Kohlendioxid erkennen und diesem zu ihrer Beute folgen. Erwachsene werden darum häufiger gestochen als Kinder – ebenso Menschen mit großer Körperoberfläche, weil diese mehr Kohlendioxid freisetzen. Dazu zählen leider auch Schwangere, was auf erhöhte Körpertemperatur und einen um 21% erhöhten Kohlendioxid-Ausstoß während der Schwangerschaft zurückzuführen ist.

Neben Kohlendioxid können Gelsen in ihrer näheren Umgebung auch chemische Botenstoffe riechen, die auf der Menschenhaut durch den Abbau von Fettsäuren entstehen. Zu diesen zählen etwa Milchsäure, Harnsäure oder Ammoniak. Insgesamt gibt es aber mehr als 350 verschiedene Duftstoffe, die als Lockstoffe in Frage kommen. Ein neuerer Erklärungsansatz ist auch, dass vielleicht gar nicht die Lockstoffe entscheidend sind, sondern im Gegenteil – die individuell von Menschen produzierten Abwehrstoffe. Zwillingsstudien zeigen jedenfalls eine genetische Komponente: Während eineiige Zwillinge gleichermaßen begehrt werden, ist das bei zweieiigen nicht der Fall. Geschätzt wird, dass 85% der Gelsen-Anfälligkeit auf die Gene zurückzuführen ist.

Ein weiterer Auswahlfaktor ist die Blutgruppe. Wissenschaftler fanden heraus, dass Menschen mit der Blutgruppe 0 zwei Mal so oft von Gelsen angezapft werden als diejenigen mit Blutgruppe A. Das gilt aber nur, wenn die Betroffenen über bestimmte Botenstoffe in Spucke und Haut signalisieren, welcher Blutgruppe sie angehören – und das ist nur bei 85% so. Deswegen kann auch jemand mit Blutgruppe 0 größtenteils verschont bleiben.

Kein Entrinnen?

Auch wenn die Anfälligkeit für Gelsen genetisch zu sein scheint, gibt es dennoch ein paar steuerbare Verhaltensweisen, die Menschen für Gelsen noch attraktiver machen. Neben ihrem Geruchssinn verlassen sich Gelsen auch auf ihren guten Sehsinn und sie scheinen bestimmte Farben – Schwarz, Rot und Orange – besser sehen zu können. Am besten wählt man beim Grillabend mit Freunden daher eher weiße oder grüne Kleidung, um sich vor den Gelsen zu tarnen. Apropos Grillabend – auch Alkoholgenuss zieht die Gelsen an. Warum ist nicht abschließend geklärt. Angenommen wird, dass dies an dem alkoholbedingten Anstieg der Körpertemperatur und einer Veränderung der Hautflora durch die Verstoffwechselung von Alkohol liegt.

Wenn die Gelsen doch einmal zustechen und der eine oder andere rote Dippel zurückbleibt: Die Größe verrät nicht, wie viel Blut die Gelse gesaugt hat, sondern wie stark unser Immunsystem auf diese Gelsenart reagiert. Je häufiger man von einer bestimmten Art gestochen wird, desto milder die Reaktion. Erwischt man die Gelse auf frischer Tat und möchte wissen, mit wem man es zu tun hat, kann man die Spezies mit der App Mosquito Alert identifizieren: Ein Citizen Science Projekt, bei dem die Fotos von Experten begutachtet und die Ergebnisse anschließend in einer öffentlichen Karte verzeichnet werden.