Satire

Brautschau

Ohne FPÖ in der nächsten Regierung führt an der ehemals Großen Koalition aus Rot und Schwarz kein Weg vorbei. Und mag er noch so verschlungen sein.

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Ach Gott, diese Kinder! Michael Ludwig seufzte so ausdrucksstark wie sonst nur, wenn sein Handy klingelte und am Display die teuflische Buchstabenfolge „Ulli Sima“ aufpoppte. Kaum passte man einmal eine Sekunde nicht auf, waren sie auch schon wieder in die nächste Pausenhof-keilerei verstrickt. Und natürlich wieder mit den Türkisen, mit wem denn auch sonst. Da konnte man reden, so viel man wollte, der antikapitalistische Beißreflex war einfach stärker. Der Andi sagte dann immer so halblustig, dass er für den nichts könne, irgendwas müsse da in Traiskirchen im Grundwasser sein. Und der Michael hatte jedes Mal schon mehr gelacht.   

„Verarschung“, hatte Babler dieses Mal zum Nehammer gesagt. Und das ging ja nun gar nicht. Das konnte man vielleicht dann sagen, wenn der Kaiser Peter, zu dessen herausragendsten Fähigkeiten nicht nur das Fach des Stand-up-Comedians nur bedingt gehörte, sondern auch und vor allem so was von nicht das Schnapsen, wenn also ausgerechnet der zum dritten Mal hintereinander mit genau 66 gewann. Oder wenn einen in einer dunklen Ecke des Parteitags ein Wiener Genosse mit schreckensgeweiteten Augen fragte, ob es bei der Erbschaftsteuer vom Babler hoffentlich eh großzügige Ausnahmen für Kleingärten geben würde. Aber man konnte es nicht auf offener Bühne zu einer Rede vom Nehammer sagen, wenn man sich sogar an einem Finger, also der Basisaussstattung für jedes linke Wirtschaftsprogramm, abzählen konnte, dass man die Türkisen nach der Wahl für eine Koalition brauchen würde. Im Idealfall sogar als einigermaßen williger Juniorpartner, also den ohnehin schon mit Abstand beliebtesten Part in einer Regierung. 

Nicht, dass man den Michael da falsch verstand. Am allerliebsten wäre ihm natürlich gar keine Koalition gewesen, sondern einfach die gute alte Alleinregierung – so wie bei ihm in Wien halt. Aber es war eben nicht jeder ein Ludwig, und so was wie den Wiederkehr gab es, trotz der Vorspiegelung falscher Tatsachen in seinem Namen, leider auch nur ein Mal. Also musste man sich nach der Decke strecken, und an der hing nun einmal der Nehammer. Und jetzt wusste Michael natürlich, dass die SPÖ eine auch nach innen durch und durch demokratische Partei war. Außerhalb der Wiener Stadtgrenzen neuerdings sogar eine basisdemokratische. Es konnte also jeder tun, wie er wollte, ganz klar. Sogar der Vorsitzende. Zumindest so lange, bis dann halt doch irgendwann der Chef ein Machtwort sprechen musste. Und so, wie die Dinge in der SPÖ lagen und immer liegen würden, war das ja wohl immer noch – er. Und er sagte jetzt: Man muss zu den Schwarzen jetzt nett sein. Und aus. 

Am liebsten hätte er eine Alleinregierung gehabt. Wie in Wien.

Man sah ja, wohin das führte, wenn man in der SPÖ nicht das tat, was der Vorsitzende der Wiener SPÖ für richtig hielt. Nämlich zu ganz genau gar nichts, wenn man sich jetzt in echt einmal ehrlich war. Wenn man Michael gefolgt wäre, dann wäre die Pam immer noch Parteichefin. Und die Koalition, die er wollte, wäre damit einfacher zu haben gewesen. Denn man hatte der Pam viel nachsagen können, aber nicht, dass sich die Schwarzen vor ihren Ideen gefürchtet hätten. Wenn man ganz ehrlich war, musste man einräumen, dass diese Furcht bei den Roten viel stärker ausgeprägt gewesen war. 

Michael warf dem roten Telefon auf seinem Schreibtisch einen fast zärtlichen Blick zu. Es hatte es lang nicht mehr benutzt, eigentlich war es eine Art Denkmal. In früheren Zeiten hatte es die beiden absoluten Machtzentren der westlichen Welt miteinander verbunden. In St. Pölten, also am anderen Ende, war der Apparat, auf dem sich Erwin Pröll mit Michael Häupl ausgemacht hatte, bei welchem Heurigen man sich heute zu treffen gedachte, nur klarerweise schwarz gewesen. Aber sonst …

Was Michael nicht wusste, sondern bestenfalls in seinen kühnsten Träumen herbeisehnte, war, dass eben jetzt, in dieser Sekunde, an eben diesem anderen Ende die Hanni saß. Und die starrte ihr Telefon in ähnlich zärtlicher Intensität an wie der Michael. Schließlich war sie genauso wie er auf der Suche nach einer Männerfreundschaft wie früher. Ja, es mochte eine Zeit gegeben haben, in der auch sie die Roten in einem Chat, wo denn auch sonst, launig als „Gsindl“ bezeichnet hatte. Und es konnte auch sein, dass ihr Ähnliches rund um die jüngsten niederösterreichischen Koalitionsverhandlungen mit Sven Hergovich das eine oder andere Mal entschlüpft war, Gott sei Dank in Momenten, die dann doch etwas privater gewesen waren als jene, in denen der Bundeskanzler seine ostentative Burger-Nähe demonstriert hatte.

Aber in Wirklichkeit hingen ihr die endlosen Schnitzelprämiensitzungen mit dem Udo dann doch ein wenig zum Hals raus. Und ließen die Corona-Wiedergutmachungssymposien dann doch den erotischen Touch vermissen, den eine diesbezüglich an sich unverdächtige Finanzausgleichsverhandlung mit diesem Ludwig sehr wohl hatte …

Aber: Am Wort war, hüstel, natürlich zuerst einmal der Wähler.

Rainer   Nikowitz

Rainer Nikowitz

Kolumnist im Österreich-Ressort