Elfriede Hammerl

Elfriede Hammerl Erste Frau

Erste Frau

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Das Burgtheater hat jetzt erstmals eine Direktorin. So weit können Frauen es heutzutage bringen. Wow! Könnte man sagen. Man könnte aber auch fragen, ­warum Karin Bergmann nicht schon seit Langem Direktorin ist. Nicht, weil wir unbedingt eine Frau auf dem Direktorenposten sehen wollen, sondern wegen ihrer Kompetenz, für die sie ja nicht erst seit gestern bekannt ist.

Die Antwort lautet möglicherweise: Die hochkompetente Frau Bergmann kam bisher nicht zum Zug, weil man keine Frau auf diesem Posten sehen wollte. Erst jetzt, in der Krise, darf sie die Ärmel aufkrempeln und retten, was zu retten ist. Interimistisch. Bis 2016.

Eine Frauenkarriere halt: Zuerst war Karin Bergmann viele Jahre lang eine tüchtige und unverzichtbare Zweite, jetzt darf sie sich als Debakel-Aufräumerin nach einem männlichen Ersten bewähren und Platzhalterin für den nächsten Zampano spielen.

Na gut, vielleicht wird sie selbst der nächste Zampano, das liegt immerhin im Bereich des Möglichen. Aber trotzdem: für feministische Begeisterung wenig Anlass.

Zumal der neuen Direktorin ein Berater zur Seite gestellt wird. Nichts gegen Hermann Beil, aber hatte jemals schon ein männlicher Burgchef einen offiziellen Berater?

Und natürlich verdient sie weniger, als Matthias Hartmann kassiert hat. Sie sei nicht billig eingekauft worden, sagt sie selber, ihr Gehalt sei völlig in Ordnung, liege aber deutlich unter dem von Hartmann. Eine einsichtige Frau. Kriegt den Hals voll im Gegensatz zu anderen. Sehr löblich. Oder doch nicht? Denn warum wurde Hartmann mit einem Salär gesegnet, das die Grenzen des Vertretbaren sprengte? Ganz einfach: weil Männer besser verhandeln. So heißt es ja immer, wenn den Frauen erklärt wird, dass sie an der Einkommensschere selber schuld seien.

Maßvolle Einsicht ist also offenbar nur dann angesagt, wenn weibliche Führungskräfte damit die finanzielle Hybris ihrer männlichen Kollegen kompensieren. Ansonsten gilt: Wer sich nicht krallt, was geht, ist ein Trottel. Bergmanns Bestellung könnte auf den ersten Blick den Schluss zulassen: Männer bauen Mist, und Frauen müssen es nach Mutti-Manier wieder in Ordnung bringen. So ist es aber nicht. Männer bauen ja nicht grundsätzlich Mist. Allerdings kriegen Frauen häufig erst dann eine Chance, wenn ein Mann Mist gebaut hat, und dann ist es durchaus ihre ordnende Mutti-Hand, die gefragt ist.

Herr Hartmann hat natürlich nicht Mist gebaut, weil er ein Mann ist, sondern weil er so ist, wie er ist. Dass es ­Kerle wie er an die Spitze schaffen, ist aber wiederum typisch für Hierarchien, die sich an einem bestimmten Männlichkeitsbild – dem des rücksichtslosen, sich selbst überschätzenden Dröhners – orientieren.

Gerade am Theater haben es die eitlen Selbstdarsteller, die Despoten, Tyrannen und selbsternannten Genies, die einen fragwürdigen Charakter für den besten Beweis ihrer künstlerischen Potenz halten, vergleichsweise leicht. Man denke an vielbewunderte Regisseure, deren Brüll- und ­Demütigungsrituale bei den Proben Sehnsucht nach einer gemütlichen Schicht auf einer Galeere aufkommen lassen. Ihnen nützt der Mythos, dass große Kunst sich rabiat und schonungslos ihren Weg bahnen müsse. Leider wird dabei häufig übersehen, dass große Kunst nicht zwangsläufig schon dadurch entsteht, dass sich einer hemmungslos und brutal über andere hinwegsetzt.

In den 1970er-Jahren bekam ich als angehende Journalistin immer wieder Jubelmeldungen auf den Schreibtisch, in denen stolz junge Pionierinnen auf bisher männlichen Berufsfeldern präsentiert wurden: die erste Lok­führerin, die erste Rauchfangkehrerin, die erste Feuerwehrfrau. Ich fragte mich damals, was für eine schräge Welt das war, in der Frauen als Exotinnen galten, wenn sie etwas ganz Normales taten. Ich möchte, schrieb ich daraufhin sinngemäß in einem Kommentar über irgendeine neue Erste auf bisher männlichem Terrain, bald in einer Gesellschaft leben, in der es keine ersten Frauen auf welchem Gebiet auch immer gibt, weil Frauen auf allen Gebieten selbstverständlich geworden sind.

Seither ist einiges weitergegangen, oh ja. Aber dennoch gibt es rund 40 Jahre später wieder einmal eine erste Feuerwehrfrau. Diesmal auf Burgtheaterdirektionsebene, das immerhin. Kann man als eine Art generellen Aufstieg verbuchen. Muss man aber nicht.

Inthronisation einer ersten Frau auf höchstem Level auch in Paris: Die Stadt wird demnächst von einer Bürgermeisterin regiert werden. Im Wahlkampf standen einander zwei Spitzenkandidatinnen gegenüber. Die Medien berichteten darüber unter Schlagzeilen wie: „Sarkozys Mädchen gegen die ewige Nummer zwei“ („Süddeutsche“); „Killerin gegen Näher-Tochter – zwei Frauen wollen Bürgermeisterin in der Hauptstadt werden“ („FAZ“ online); „Schillerndes Frauenduell ums Pariser Rathaus“(„Die Presse“).

Als gehe es nicht um Politik, sondern um einen Damenringkampf. Umgekehrt nicht vorstellbar. Schillerndes Männerduell ums Pariser Rathaus! Hä? Abgesehen davon, dass Männer im üblichen Sprachgebrauch nicht schillern – was wäre die Information? Männliche Kandidaten um hohe Ämter sind selbstverständlich. Kandidatinnen noch immer nicht. So schaut’s aus.

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