Die Bundesregierung hat die Abschaffung der militärischen Landesverteidigung beschlossen

Christian Rainer: Bundesheer abschaffen!

Bundesheer abschaffen!

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Als der Verteidigungsminister am Freitag der vergangenen Woche an der Seite seines Generalstabschefs vor die Presse trat, war das, was er ankündigen würde, bekannt. Dass Kasernen zu schließen sind, hatte profil berichtet, und die Nachricht, dass weitere Haubitzen zu Lawinenschaufeln umgeschmolzen werden, zwang auch keinen der Anwesenden in die Deckung hinter einer Gulaschkanone. Schwerter zu Pflugscharen – das soll 200 Millionen Euro pro Jahr an Einsparungen bringen.

Erwähnenswert ist hingegen eine Bemerkung, die der Verteidigungsminister in Ermangelung einer neuen Militärdoktrin in seine Präsentation einfließen ließ, eine Ersatzerklärung in rund 25 Worten für jene umfassenden Planungen also, die dem geduldigen österreichischen Volk nach der Abstimmung über die Wehrpflicht im Jahr 2013 versprochen worden waren.

Das Bundesheer habe ein neues Strukturkonzept, ließ Gerald Klug wissen, und darin konzentriere man sich auf die „einsatzwahrscheinlichsten Aufgaben“: Schutz kritischer Infrastruktur, Katastrophenhilfe, Luftraumüberwachung, Friedenssicherung im Ausland, Ausbildung der Grundwehrdiener und Abwehr von Bedrohungen aus dem Cyberraum.

Eine knappe wie hochinteressante Aufzählung: weil erstens acht Millionen Menschen daraus die ihnen durch das Bundesheer garantierte äußere Sicherheit ableiten sollen; weil die Aufzählung zweitens in einem Spannungsfeld zur Bundesverfassung steht, das einem Widerspruch nahekommt; und drittens, weil die solcherart beschriebenen Aufgaben den Komplettverzicht auf ein Bundesheer nahelegen.

Artikel 9a der Österreichischen Bundesverfassung lautet: „Österreich bekennt sich zur umfassenden Landesverteidigung. Ihre Aufgabe ist es, die Unabhängigkeit nach außen sowie die Unverletzlichkeit und Einheit des Bundesgebietes zu bewahren, insbesondere zur Aufrechterhaltung und Verteidigung der immerwährenden Neutralität. Hiebei sind auch die verfassungsmäßigen Einrichtungen und ihre Handlungsfähigkeit sowie die demokratischen Freiheiten der Einwohner vor gewaltsamen Angriffen von außen zu schützen und zu verteidigen. Zur umfassenden Landesverteidigung gehören die militärische, die geistige, die zivile und die wirtschaftliche Landesverteidigung

Es bedarf keiner neurochirurgischen Präzisionsarbeit, um die Unvereinbarkeit zwischen dieser staatsrechtlichen Bestimmung und den Ausführungen des Verteidigungsministers herauszuschälen. Vielmehr ist der Sachverhalt sehr einfach: Falls Herr Klug und mit ihm die Bundesregierung nicht voraussetzen, dass die militärische Landesverteidigung in Zukunft von einem privaten Sicherheitsdienst erledigt wird, falls nicht Parksheriffs allenfalls marodierenden ausländischen Soldaten den Grenzübertritt verwehren sollen, dann wird das Bundesheer mit seiner nun beschriebenen Aufgabenstellung der Verfassung nicht gerecht. Die Aufzählung ist unzureichend. Sie ist verfassungswidrig.

Laut Verfassung hat das Bundesheer primär nämlich nicht Hunde und Katzen aus überfluteten Kellern zu retten, es hat vielmehr die Grenzen des Landes nach „außen“ zu verteidigen, es hat dafür zu sorgen, dass diese Grenzen nicht „verletzt“ werden, hat die „Einwohner vor gewaltsamen Angriffen von außen“ zu schützen.

Aber nichts davon ist im neuen „Strukturkonzept“ unter den vom Minister erfassten „Aufgaben“ zu finden. Die von der Verfassung taxativ benannten Verpflichtungen bleiben demnach von dem in dieser Verfassung für die militärische Landesverteidigung zuständigen Bundesheer unerledigt.

Was der Minister seinem Heer „einsatzwahrscheinlich“ als Tätigkeiten überantworten will, sind zum Teil Fleißaufgaben wie die „Katastrophenhilfe“ und die „Friedenssicherung im Ausland“. Manches gehört in den Anforderungsbereich anderer Einrichtungen – der Polizei – wie die „Abwehr von Bedrohungen aus dem Cyberraum“ oder der „Schutz kritischer Infrastruktur“. Die „Luftraumüberwachung“ fällt zwar in die Kompetenz des Heeres, kann aber in der Praxis durch mangelhafte Ausrüstung nicht erledigt werden. Die „Ausbildung der Grundwehrdiener“ schließlich mag zwar im Ansatz richtig sein, verliert jedoch durch die einerseits falsche, andererseits der Verfassung nicht Genüge tuende Aufgabenstellung Sinn und Berechtigung – und bleibt somit der Diebstahl eines Lebensjahres der männlichen Jugend.

Der Auftritt des Verteidigungsministers am Freitag der vergangenen Woche lässt daher nur folgenden Schluss zu: Die Bundesregierung hat eingesehen, dass dieses Bundesheer die vorgesehenen militärischen Aufgaben mangels Ausrüstung nicht erfüllen kann. Oder die Regierung hat beschlossen, dass es diese Aufgaben mangels Bedrohungslage nicht erfüllen muss. In beiden Fällen ist der logische nächste Schritt: Das Bundesheer wird nicht nur de facto, sondern auch de jure abgeschafft.

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