Leitartikel: Christian Rainer

Christian Rainer Das geht sich nicht aus

Das geht sich nicht aus

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Man tut Werner Faymann bitter Unrecht, wenn man ihm vorwirft, er erkläre zu wenig, was die Europäische Union gerade im Sinn habe, ja er verstehe nicht einmal, was er da am Donnerstag der Vorwoche mitbeschlossen hat. Wahr ist vielmehr: Den Rettungsplan der Union kann niemand verstehen und daher auch niemand erklären – nicht weil er so kompliziert wäre, sondern weil er zu einfach ist, um einer sinnvollen Erklärung zugänglich zu sein.

Der Plan wird scheitern. Das liegt jetzt nicht an ­Kleinigkeiten wie dem Fehlen jedes auch nur irgendwie bindenden Vertrags als Ergebnis der akklamierten Sitzung in Brüssel – weder im Sinne einer Verpflichtung der Banken, auf ihr Geld zu verzichten, noch als demokratische Zustimmung innerhalb der Euroländer, noch als Kontrakt zwischen diesen Ländern und Griechenland. Es liegt auch nicht daran, dass keine – absolut keine – Reparaturen an der offensichtlich fehlerhaften Struktur des europäischen Finanzraumes vorgenommen wurden. Und schließlich liegt es auch nicht daran, dass nicht die mindesten Vorkehrungen für eine Insolvenz von anderen Eurostaaten wie Italien oder Spanien ­getroffen wurden. (Und es liegt auch nicht am ­Finanzvoodoo der deutschen Kanzlerin: Ein ominöser ­„Hebel“ soll 250 Milliarden Euro in eine Billion Euro verwandeln – die wundersame Geldvermehrung, auf die jeder von uns schon lange gewartet hat.)

Viel einfacher: Jedes Schulkind kann begreifen, dass die angebliche Rettung Griechenlands nicht einmal den Grundrechnungsarten standhält und solcherart schon am ökonomischen Hausverstand kläglich scheitern muss.

Der Plan: Nachdem Griechenland 50 Prozent seiner Schulden erlassen worden sind, soll es bis zum Jahr 2020 von derzeit 165 Prozent auf 120 Prozent Verschuldung in Relation zum Bruttoinlandsprodukt kommen. (2013 werden es übrigens fat 190 Prozent sein.) Diese 120 Prozent – schlapp das Doppelte der Maastricht-Kriterien – sollen die Griechen dann weiter reduzieren.

Wie soll das gehen? Woher kann das Geld kommen? Wer wird die Zinsen ab 2020 bezahlen?

Wachsende Einnahmen fallen für Griechenland aus. Selbst bei Steuererhöhungen werden die Einnahmen schrumpfen: weniger Einkommensteuern wegen sinkender Löhne und höherer Arbeitslosigkeit; geringere Umsatzsteuern, da das verfügbare Einkommen der Bevölkerung kleiner wird. Es kommt also eher weniger als mehr Geld in die Kassa.
Sparen bei den Ausgaben? Bis zum Donnerstag der Vorwoche hatte die Regierung in Athen kein Konzept vorgelegt, das die Verschuldung auch nur stabilisiert hätte. Optimistische Annahme: Die bisher erarbeiteten Pläne werden nun umgesetzt. Das reicht – auf Basis geringerer Zinszahlungen nach dem Schuldenschnitt – dann eben gerade, um keine neuen Schulden zu produzieren. Aber es reicht nicht für eine Rückzahlung der bestehenden Verpflichtungen.

Privatisierungen? Peanuts. Es gilt das eben Gesagte – kein substanzieller Beitrag zur Senkung der Schulden.

Bleibt also nur eine Möglichkeit: herauswachsen aus dem Elend. So haben es einige Staaten in Zentral- und Mitteleuropa gemacht, so funktionieren China und Indien. Ein ­Modell für Griechenland? Natürlich nicht. Von Wachstum kann keine Rede sein. Da fehlt es an allen ­Voraussetzungen: Die Löhne wären auch bei der Hälfte des aktuellen Niveaus international nicht konkurrenzfähig (und würden dann erst recht zu einem Kollaps der Staatseinnahmen führen). Die Ausbildung der Griechen ist miserabel. Kein ausländischer Konzern sieht einen Grund zu investieren.

Und Konjunkturankurbelung durch Deficit Spending? Wohl kaum, Erklärung überflüssig. Im Gegenteil: Wer Jahr für Jahr die Zinsen einer Staatsschuld von 120 Prozent des BIP überweisen muss, wird im Vergleich zu europäischen Ländern, die das nicht tun, noch weiter ins Hintertreffen geraten.

Wir fassen zusammen, was jedes Kind (und Werner Faymann) verstehen kann:
Der griechische Staat wird nicht mehr einnehmen.
Der griechische Staat wird nicht weniger ausgeben.
Daher wird kein Geld übrig bleiben.
Daher kann Griechenland seine Schulden nicht zurückzahlen.
Daher ist der EU-Beschluss das Papier nicht wert, auf dem er ohnehin nicht steht.

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