Leitartikel: Christian Rainer

Christian Rainer Der Anschluss

Der Anschluss

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„Es ist ausreichend bekannt, wie ich zu Heinz-Christian Strache stehe. Ich kann mit derart radikaler Politik nichts anfangen.“ Also sprach Gerhard Dörfler noch im August 2009. Der Wahrheitsgehalt dieser Aussage ist – Wiedervereinigung hin oder her – nicht überprüfbar, aber auch nicht wichtig, denn die Zukunft des Kärntner Landeshauptmanns erscheint ohnehin enden wollend. Als formal sicher richtig erweisen sich hingegen Jörg Haiders letzte Worte über die FPÖ neun Tage vor seinem Unfalltod: „Eine Wiedervereinigung wird es erst geben, wenn der Strache oder ich nicht mehr sind.“

Macht es viel Sinn, nun auf die Vielzahl rezenter wie wechselseitiger Liebesbezeugungen zwischen BZÖ und FPÖ hinzuweisen? Nein, nicht sehr viel Sinn, allenfalls als eine Art letzte Hoffnung: Vielleicht hält das Bündnis zwischen den Kärntnern und Heinz-Christian Strache ja nicht, und die Brüder im rechten Geiste werden sich schon bald wieder in den Haaren liegen. Viel Gewicht hat dieser Gedanke aber nicht. Denn all die Zerfallserscheinungen und Spaltungen der Vergangenheit von Heide Schmidt bis zu Knittelfeld führten nur zu Wucherungen an den Wundrändern und damit zu weiterem Wachstum.

Und macht es Sinn, darauf zu hoffen, dass sich die FPÖ mit dem vom Hypo-Skandal verseuchten BZÖ vielleicht einen Krankheitsherd in die Partei holt, der Schwächung statt Stärkung bringen könnte? Auch das bleibt ein hehrer Gedanke: Dutzende von Skandalen haben die Freiheitlichen und das BZÖ bei der österreichischen Bevölkerung um keinen Deut weniger attraktiv gemacht. Eher im Gegenteil.

Viel realistischer ist es daher, die Verbindung der Kärntner Großpartei mit der FPÖ als einen weiteren Schritt des rechten Lagers zur beherrschenden Position in der Republik zu sehen. Schon jetzt, unmittelbar nach der Zusammenführung und trotz der Hypo-Krise, bringen es die neuen Freiheitlichen laut profil-Umfrage gemeinsam auf 23 Prozent. Nichts spricht dagegen, dass sie bei Nationalratswahlen über die 30-Prozent-Marke kommen; auch bei den Wahlen in Wien im nächsten Jahr ist das möglich. Damit klingt es nachgerade bescheiden, wenn Strache und Uwe Scheuch „Platz zwei“ als Ziel formulieren. Die FPÖ gemeinsam mit dem Kärntner Kegel kann durchaus auf den ersten Platz vor­rücken.

Eine radikal rechte, deutschnationale, xenophobe Gruppierung als größte Partei einer westlichen Demokratie. Davon ist Österreich einmal mehr nur wenige Prozentpunkte entfernt. Einmal mehr: Schon bei den Nationalratswahlen vor zehn Jahren war die FPÖ zweitstärkste Kraft geworden, in einer Schlagdistanz von sechs Prozentpunkten zu den Sozialdemokraten. profil titelte noch am Wahlabend „Sieger Haider! Kanzler Schüssel?“ Tatsächlich bildete Wolfgang Schüssel gemeinsam mit der FPÖ eine Regierung. Daraufhin titelte profil: „Schande Europas“. Als Begründung für diesen europaweit (und bis heute) einzigartigen Tabubruch gaben Schüssel und seine Funktionäre zu Protokoll, nur mit einer Regierungsbeteiligung könne man „die FPÖ niederringen“. Bis heute führen viele ÖVP-Funktionäre diesen Satz wie eine Beschwörungsformel im Mund. Mit der Wiedervereinigung des rechten Lagers ein Jahrzehnt später ist der Prozess des „Niederringens“ nun abgeschlossen. Das Ergebnis: Das Vorführen der FPÖ als Truppe von Chaoten hat ihre Attraktivität für die Wähler nicht vermindert. Nach Haiders Tod kamen gleichwertige Erben. Die Spaltung der Bewegung ist rückabgewickelt worden. Die FPÖ hat denselben Zulauf wie zu ihren besten Zeiten.

Dieselbe Situation wie vor zehn Jahren also? Nein. Die Lage ist schlimmer geworden. Denn erstens hat die FPÖ mit ihrer Janusköpfigkeit an Attraktivität gewonnen: für junge und urbanere Menschen der jugendliche und scheinbar moderne Heinz-Christian Strache; für das bodenständige Kärnten Uwe Scheuch und Konsorten. Zweitens ist die FPÖ durch die Regierungsbeteiligung eine Partei wie jede andere geworden. Sie ist damit für jeden Österreicher ohne viel Federlesens wählbar. In Wahrheit aber – drittens – hat sich der Charakter der FPÖ noch weiter zur dunklen Seite gewandelt: Die Partei mit Potenzial für Platz eins im Land hat sich aller liberalen und aufgeklärten Elemente entledigt. Im Vergleich zu Strache und Scheuch war Haider beinahe ein Heiliger.

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