Viele Fragen nach der Faymann-Schlappe. Hier fünf Antworten

Christian Rainer: Nach der Wahl ist vor der Wahl

Nach der Wahl ist vor der Wahl

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Was bedeuten 84 Prozent für Werner Faymann?
Hätte sich der SPÖ-Chef die Latte für seine Wiederwahl nicht so hoch gelegt, hätte sie Rudolf Hundstorfer nicht dort festgezurrt, hätte Reinhold Mitterlehner nicht 99 Prozent Zuspruch bekommen und hätte Werner Faymann vor der Abstimmung nicht um Gnade gebettelt, dann wäre gar nichts passiert. Sätze wie die folgenden vorab wären wünschenswert gewesen: „Die SPÖ ist eine Partei, die offene Auseinandersetzungen über wichtige Fragen führt. Darauf sind wir stolz. Würden alle Funktionäre, die meinen Kurs nicht für richtig halten, für mich stimmen, dann wäre das verlogen. Ein schlechteres Ergebnis ist daher ein ehrlicheres Ergebnis und damit ein besseres. 99 Prozent bekommt nicht einmal der Papst.“
Vielleicht funktioniert Politik nicht so, jedenfalls funktioniert Faymann nicht so. Vielleicht kann sich nur Alexander Van der Bellen solche Sätze leisten. Ich will das allerdings nicht glauben.

Dizzy Man Walking?
Was kommt auf Faymann zu? Im kommenden Jahr wird in vier Bundesländern gewählt. Oberösterreich lassen wir in dieser Überlegung außen vor – da sind die Roten auf verlorenem Posten –, aber im Burgenland, in der Steiermark und besonders in Wien hängt das Ergebnis auch vom Zustand der Bundespartei ab. Wollen Niessl, Voves, Häupl mit Faymann in die Schlacht ziehen? Naheliegend ist, dass sie nicht wollen, dass sie danach trachten, ihn innerhalb der nächsten Wochen durch jemand anderen zu ersetzen. Angesichts der aktuellen Attraktivität des neuen ÖVP-Obmannes erscheint das sogar notwendig.

Es böte sich Christian Kern als geschmeidiger Widerpart zu Mitterlehner an. Der ÖBB-Chef würde kaum ablehnen, wenn ihm die Königsmacher der Partei den Job des Bundeskanzlers auf dem Silbertablett anböten. Den hätte er zumindest bis zur Nationalratswahl 2018 – vier Jahre Kanzler, ein Window of Opportunity für einen in der Wolle gefärbten Sozialdemokraten.
Allerdings: Für dieses Szenario sind die Landeshauptleute zu träge. Freundlich formuliert: Sie sind loyaler als die ÖVP-Granden und keine Hasardeure. Explizit: Ohne Michael Häupl geht gar nichts, und der wird nicht handeln. Faymann wird also bleiben.

Ist das gut für Österreich?
Drei Antworten. Erstens: Ginge es nur nach der Leistung als Regierungschef, dann kann man Faymann nicht viel vorwerfen. Er hat Österreich ordentlich durch die Finanzkrise gebracht und macht im Rahmen des Möglichen sachliche Politik. Zweitens: Falls man „ordentlich“ und „im Rahmen des Möglichen“ für ungenügend hält, dann ist das kein so gutes Urteil. Drittens: Messen wir Faymann an den Versprechen, die er im Vorfeld seines Parteitages gemacht hat, dann wird die Sache endgültig heikel. „Ideologisch aufgeladene Positionen“ nennt das Hans Rauscher. Ich ergänze: Die Steuerreform-Pläne, die ohne Abstrich vom ÖGB übernommen wurden, sind eine Utopie – das Ziel Umverteilung ist honorig, der skizzierte Weg dorthin aber Unfug.

Und die Neuwahl-Drohung?
Apropos Steuerreform. Hans Niessl erklärte am vergangenen Sonntag, eine Steuerreform nach Vorstellung der SPÖ werde 2015 zustande kommen, andernfalls müsse gewählt werden. Zwei Tage nach dem schiefgelaufenen Parteitag – das nennt man Chuzpe. Oder auch: Entlastungsangriff.
2015 wird es keine Nationalratswahl geben. Falls ich mich da täusche, sollte man nicht mich zur Verantwortung ziehen, sondern die Regierungsparteien. Und zwar ordentlich.

Wie steht die ÖVP da?
Alles blickt auf Mitterlehner, der die Partei in wenigen Wochen von Platz drei auf Platz eins gebracht hat. Nur in Umfragen – das wissen er und alle anderen. Josef Pröll hatte ein ähnliches Stück inszeniert, verlor bald wieder und musste gehen. Demut angesichts der Banalität von Demos-kopie.
Ansprechender: Die Volkspartei stellt ein Regierungsteam wie schon ewig nicht. Kurz, Schelling, Brandstetter zum Beispiel. Viele Vollprofis, keine Nullnummer. Das ist nachhaltiger als Umfragen und die gute Nachricht in diesen Tagen.

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