Leitartikel

Die Kickl-Macher

Die rote Trash-Show „House of SPÖ“ und die Schwarz-Grüne Regierung, in der derzeit wenig geht, wirken wie ein Turbo. Nie war es leichter, die FPÖ zu sein.

Drucken

Schriftgröße

Der Herausforderer: Ein bulliger Macher mit Zug zum Tor und zu Intrigen. Die Angegriffene: Eine urbane Steherin, die das Parteiestablishment um sich schart. Der Außenseiter: Ein leidenschaftlicher Feuerkopf, Liebling der Linken. Diese drei, Hans-Peter Doskozil, Pamela Rendi-Wagner und Andreas Babler, spielen die Hauptrollen im SPÖ-Drama, dem Showdown um die Parteispitze. In tragender Nebenrolle: Parteimanager Christian Deutsch, der Apparatschik-Anti-Charme verströmt und keinen absurden Winkelzug auslässt – Motto: Ein Umlaufbeschluss geht immer!

Von Darstellern und Dramatik her hätte „SPÖ sucht den Superstar“ ein mitreißendes Politik-Stück werden können, mehr noch: eine notwendige Kursbestimmung für die ausgedörrte SPÖ. Wenn es um Inhalte gegangen wäre, um die besten Konzepte gegen Teuerung, Energiewende, Klimakrise, für Steuer- oder Gesundheitssystem. Doch: Fehlanzeige. Bald dominierten süffisante Untergriffe und hinterfotziges Hick-Hack, die interne Wahl war näher am primitiven Schlammcatchen als am edlen Wettstreit der Argumente. Kurz: Die Polit-Serie „House of SPÖ“ eskalierte. Jeder misstraut jedem, zankt, schickt Gutachter und Gegengutachter, richtet einander Unfreundlichkeiten aus, die schon für politische Gegner herb wären – für so genannte Partei-„Freunde“ aber eine Kampfansage. Die Stimmen der Mitglieder werden irgendwann ausgezählt, die Chaostage in der SPÖ aber nicht beendet sein – zu tief sind die Gräben zwischen den Lagern.

Das hat Konsequenzen: Das Publikum wendet sich mit Grauen ab, aus verflixt guten Gründen. Mit Statuten-Mätzchen gewinnt man vielleicht den Vizevorsitz einer Antragsprüfungskommission oder ein anderes Amt für Partei-Feinspitze, aber keine bundesweite Wahl. Außerdem fragt sich das p.t. Wahlvolk zurecht: Wie soll eine Partei, die Energie und Tagesfreizeit darauf verwendet, sich exzessiv mit sich selbst zu beschäftigen, Lösungen für Probleme wie Inflation oder Ärztemangel anbieten? Mehr noch: Warum sollte die SPÖ jemals wieder eine Regierung oder ein Ministeramt managen – wenn sie es nicht einmal schafft, die Befragung von 150.000 Mitgliedern pannenfrei zu organisieren? Kurz: Die SPÖ demontiert sich auf offener Bühne selbst.

Auch so kann man den Aufstieg der FPÖ beflügeln. Nie war es leichter, Herbert Kickl zu sein. Die größte Oppositionspartei, die SPÖ, ist keine Konkurrenz – die FPÖ kann getrost die Stimmen all jener einsammeln, die nach den Corona-Ukraine-Energie-Klima- Teuerung-Dauerkrisen verunsichert oder zornig sind. Sie eilt in den Ländern von Wahlerfolg zu Wahlerfolg und liegt im Bund seit Monaten in Umfragen auf Platz 1.

Darauf hätte vor vier Jahren, als der Straßenfeger Ibiza-Video lief, niemand auch nur einen müden Cent gewettet. Der Ibiza-Skandal, Korruptionsermittlungen, dreiste Spesenaffären: Diese Tiefschläge irritierten FPÖ-Fans erstaunlich kurz, das politische Stehaufmännchen FPÖ ist, wie nach Knittelfeld, wie nach BZÖ-Abspaltung, wieder da. Die blaue Wählerschaft verzeiht und vergisst schnell – auch die Tatsache, dass die FPÖ stellvertretend Wut und Sorgen herausbrüllen kann, aber als Regierungspartei noch jedes Mal krachend scheiterte. Das gilt selbstredend auch für Kickl. Von seiner Zeit als Innenminister bleiben vor allem Skandale, Show und Symbole: Die (später großteils für illegal erklärte) Razzia im BVT. Das zynische Schild „Ausreisezentrum“ in Traiskirchen. Die martialische „Pro Borders“ Übung, mit 900 Polizisten und Soldaten, die 536.000 Euro kostete. Der prahlerische Traum von der berittenen Polizei, inklusive der zwei lahmen Rappen Zalan und Zadar, die Viktor Orbán spendierte.

Eine überzeugende Bilanz sieht anders aus. Ein erfolgreich absolviertes Trainingscamp für das Kanzleramt auch.

Dennoch wird quer durchs politische Österreich das Angstlust-Szenario vom „Kanzler Kickl“ beschworen – ganz so, als wäre der FPÖ-Sieg ein unausweichliches Naturgesetz, dem man außer hilflosem Schulterzucken wenig entgegenhalten kann. Derartige Lethargie wird nicht helfen. Das hilflose Schönreden der FPÖ genauso wenig. Darin übt sich derzeit die ÖVP, in Niederösterreich und Salzburg: Im Wahlkampf werden die Methoden der FPÖ gegeißelt – danach obsiegt der Machterhalt vor der Moral, Schwarz-Blau wird das neue Normal. Niemand wird sich mehr wundern, was im Bund alles möglich ist.

Wenn sich die Kickl-Macher nicht besinnen. Die SPÖ ihre selbstzerstörerische Selbstfindung beendet. Und ÖVP und Grüne aus ihrem „wenig geht mehr“-Modus finden und aufhören, sich quälend gegenseitig zu lähmen und blockieren. Wichtige Top-Jobs wie die Bundeswettbewerbsbehörde und das Bundesverwaltungsgericht bleiben so unbesetzt. Nur ein Beispiel dafür, dass derzeit in der Regierung zu wenig weiter geht. In den Corona-Pandemie-Jahren wurde manch Meinungsverschiedenheit mit viel Geld übertüncht – und nach dem Motto „das Teuerste aus beiden Welten“ regiert. Jetzt treten die großen inhaltlichen Unterschiede zwischen den beiden Regierungsparteien umso deutlicher zutage: Disput, Blockade, Vorwürfe. Auch das macht es Kickl zu leicht, gegen die Koalition anzuwettern und sich als Alternative anzupreisen.

Denn eine Lehre aus Österreichs jahrzehntelanger Erfahrung mit dem Rechtspopulismus lautet: Immer dann, wenn Regierungen es wagten, gemeinsam zu regieren, statt sich zu gegenseitig das Leben schwer zu machen, kamen sie aus der Defensive. Insofern ist das Anti-Teuerungspaket für Familien ein gelungener Anfang.

Noch ist Kickl nicht Kanzler. Bis zur nächsten Wahl haben ÖVP, SPÖ und Grüne noch (planmäßig) ein Jahr Zeit. Sie sollten es nützen. Wenn sie nicht als Kickl-Macher in die Geschichte eingehen wollen.

Eva   Linsinger

Eva Linsinger

Innenpolitik-Ressortleitung, stellvertretende Chefredakteurin