Wie Donald Trump den Internationalen Gerichtshof knebeln will

Der US-Präsident sabotiert die Vereinten Nationen. Nun will er das Weltstrafgericht mit Sanktionen belegen.

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Donald Trump wittert eine internationale Verschwörung. Beim Besuch des US-Präsidenten bei den Vereinten Nationen in New York kam es am vergangenen Dienstag zu mehreren Pannen. Zuerst stoppte die Rolltreppe im Eingangsbereich just in der Sekunde, in der Trump sie hinter First Lady Melania betrat, dann gab es Probleme mit dem Teleprompter, und während seiner Rede vor der Vollversammlung sei der Ton zu leise gewesen, heißt es aus dem Weißen Haus. Trumps Sprecherin Karoline Leavitt forderte die Entlassung der Verantwortlichen für den Rolltreppen-Eklat und kündigte eine Untersuchung durch den US Secret Service an.

Die Pannen hielten Trump nicht davon ab, vor der UN-Vollversammlung in eine fast einstündige, mit Selbstlob („Ich hatte mit allem recht!“) gespickte Schimpftirade zu verfallen. Im Zentrum der Angriffe standen die Vereinten Nationen, doch diesmal wetterte Trump auch gegen Migranten, Klimaaktivisten und Windräder. Er selbst habe sieben Kriege beendet, während Europa vor dem Abgrund stehe: „Eure Länder fahren zur Hölle!“ Der US-Präsident klang wie ein Irrer, der seinen Redefluss nicht im Griff hat. Kaum eine seiner Behauptungen hält einem Faktencheck stand.

In einem hat Trump allerdings recht: Die UN stecken in der Krise, politisch und finanziell, nur ist er dafür zu einem großen Teil selbst verantwortlich. Im Sicherheitsrat blockieren die USA wichtige Entscheidungen, und durch den Entzug der Mitgliedsbeiträge fehlen den Vereinten Nationen mittlerweile mehr als eineinhalb Milliarden Dollar.

Trump mag keine internationalen Organisationen, und mit Menschenrechten konnte der US-Präsident, der in seinem eigenen Land gerade dabei ist, im Eiltempo das Recht auf freie Meinungsäußerung abzubauen, ohnehin noch nie etwas anfangen.

Schon während seiner ersten Amtszeit fuhr er die finanzielle Unterstützung für die UN radikal zurück und drohte Mitarbeitern des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) in Den Haag. Jetzt werden die Angriffe noch härter. Ins Leben gerufen wurde der IStGH im Jahr 2002, um schwerwiegende Vergehen wie Kriegsverbrechen und Völkermord zu verfolgen. Mehr als 120 Staaten sind ihm beigetreten, die USA gehören nicht dazu.

Ende August verhängte Washington Sanktionen gegen Richter und Ankläger des IStGH, weil diese an „Verstößen gegen die USA und Israel beteiligt“ wären. Zwei Richterinnen hatten Untersuchungen gegen US-Soldaten wegen mutmaßlicher Verbrechen in Afghanistan genehmigt, und im vergangenen November verhängte das Weltstrafgericht Haftbefehle gegen Israels Premier Benjamin Netanjahu und den ehemaligen Verteidigungsminister Joav Gallant. Für die sanktionierten Richter und Ankläger bedeuten die Sanktionen, dass ihr Besitz in den USA eingefroren wird und amerikanische Firmen und Bürger keine Geschäfte mehr mit ihnen machen dürfen.

Doch damit nicht genug. Wie die Nachrichtenagentur Reuters berichtet, plant die Regierung in Washington Sanktionen gegen den IStGH als Ganzes. Damit könnte dieser seine Mitarbeiter nicht mehr bezahlen und keine Geschäfte mehr mit US-Unternehmen machen – und wäre faktisch zahlungs- und handlungsunfähig.

Zur Sicherheit wurden alle Mitarbeiter bis Ende des Jahres im Voraus bezahlt, doch das löst das Problem noch lange nicht. Macht Trump seine Drohung wahr, dann dürfte der Gerichtshof zum Beispiel nicht mehr mit seinem Tech-Partner Microsoft zusammenarbeiten. Der gesamte IStGH würde den Zugang zu seinem Mail-Programm verlieren, wie das bei den sanktionierten Juristen bereits der Fall ist, und er könnte nicht mehr auf die Cloud zugreifen – und somit auf seine elektronische Datenbank, auf der alle Beweise und juristischen Dokumente gespeichert sind. Die Zusammenarbeit mit US-Unternehmen ist zum Risiko geworden. Es droht nicht weniger als die komplette Lähmung des Weltstrafgerichts.

Bei seiner Rede vor der UN-Vollversammlung kam Trump immer wieder auf die Pannen mit der Rolltreppe und dem Teleprompter zurück, offenbar wollte er damit deutlich machen, dass die Staatengemeinschaft nicht funktioniert. Doch die Vereinten Nationen haben für die Angelegenheit eine andere Erklärung: Den Sicherheitsstopp der Rolltreppe habe womöglich Trumps eigener Kameramann versehentlich betätigt. Und für Trumps Rede habe das US-Präsidialamt seinen eigenen Teleprompter eingesetzt, heißt es aus der UNO. Die Geräte der UN funktionierten einwandfrei.

Siobhán Geets

Siobhán Geets

ist seit 2020 im Außenpolitik-Ressort und seit 2025 stellvertretende Ressortleiterin. Schwerpunkt: Europa und USA.