Elfriede Hammerl

Elfriede Hammerl Hascherls Comeback

Hascherls Comeback

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Das Hascherl ist wieder da. Eigentlich dachte ich, es sei ausgestorben in den letzten zwei, drei Jahrzehnten, aber nein, auf einmal tritt es wieder in Erscheinung. Das Hascherl war lange Zeit Ehefrau, jetzt ist es erneut Single, gezwungenermaßen, wegen Verlusts des Gatten durch Scheidung oder Tod, was an sich traurig ist, keine Frage. Trotzdem. Das Hascherl ist nicht von dieser Welt, noch nicht. Der Planet, auf dem es den größten Teil seines Erwachsenen­lebens verbrachte, wurde vom dahingegangenen Gemahl verwaltet, das Hascherl hat von nichts eine Ahnung.

Es kann nicht Auto fahren. Es hat zwar einen Führerschein, aber gefahren ist immer Meinmann, deswegen traut sich das H. nicht ans Steuer. Es kann aber auch nicht U-Bahn oder Straßenbahn fahren, damit kennt es sich nicht mehr aus, und nachts ist ihm das auf jeden Fall zu gefährlich. Die Nacht beginnt fürs H. um zirka halb neun, deswegen muss es nach dem Kino von einer autofahrenden Person heimkutschiert werden, autofahrende Personen fahren ja sowieso immer bei nicht autofahrenden Personen vorbei, deren Wohnung grundsätzlich auf dem Weg liegt, vor allem, wenn man nicht fragt, wie lang und wie verschlungen dieser Weg ist.

Schon in unserer Jugend sagte das Hascherl an Straßenbahnhaltestellen gern: Bitte, wart mit mir auf den Fünfer, ich steh so ungern allein da, weil da werd ich dann immer blöd angequatscht.

Darauf hingewiesen, dass blöd angequatscht zu werden kein Schicksal sei, das es allein zu tragen habe, antwortete das Hascherl: Ja, aber dir macht das nicht so viel aus.

Das Hascherl vermutete in anderen stets den Haudegen, den es an sich selber so schmerzlich vermisste, bis es sich ­einen persönlichen Haudegen in der Gestalt eines Gatten zulegte.

Jetzt ist das Hascherl wieder unter uns und sagt wieder ­Sätze wie: Dir macht das nicht so viel aus. Du bist das ­gewöhnt. Du kennst das nicht anders. Du hast das immer schon gemacht. Daraus, dass das Hascherl eine Reihe von Dingen nie gemacht hat, leitet es den Anspruch ab, sie auch weiterhin nicht machen zu müssen.

Das Hascherl hat Internet, aber es besteht darauf, sich damit nicht auszukennen. Es ist ahnungslos in Sachen Finanzamt und will auch so bleiben. Mit Handwerkern hat immer Meinmann verhandelt, das H. hat keine Ahnung, was es denen sagen soll. Das H. weiß, dass es Menschen gibt, die zeit ihres Erwachsenenlebens den Rasenmäher selbsttätig über die Grünflächen in ihrem Garten lenken, aber es sieht nicht ein, dass es auf einmal zu dieser Spezies gehören soll, wo es doch daran gewöhnt ist, von so was befreit zu sein.

Das Hascherl ist nicht alt, noch keine sechzig, aber es gebärdet sich, als wäre es hundertfünf, außer wenn Herren anwesend sind, dann erwachen seine Lebensgeister, und es ­kichert wie ein Teenager, soll heißen, wie ein Teenager zu seiner, des Hascherls Teenagerzeit.

Das hat immer Meinmann gemacht, sagt das Hascherl, darum hat sich Meinmann gekümmert, vorwurfsvoll sagt es das, als vernachlässige die Welt ihre Verpflichtung, in die Bresche zu springen, sobald Meinmann sich nicht mehr kümmert oder kümmern kann.

Meinmann hat Frau Hascherls Angelegenheiten wahrgenommen, daraus folgt für sie ganz klar, dass ihre Angelegenheiten nicht ihre Angelegenheiten sind, sondern – nun, da Meinmann ausfällt – Sache aller anderen. Und übrigens fragt sich das H., wo die weibliche Solidarität bleibt, wenn es seinen Müll selber zur Deponie bringen soll. Wie man sieht, ist die gesellschaftliche Entwicklung am Hascherl keineswegs spurlos vorübergegangen, geläufig fordert es ­gesellschaftliche Instrumente ein, von denen es in seiner Jugend noch keine Ahnung hatte. Dass es die weibliche Solidarität als Einbahnstraße sieht, entspricht seiner Definition von Gerechtigkeit, derzufolge denjenigen gegeben werden soll, denen schon von jeher gegeben wurde. Das Hascherl gehört zu den Personen, die im Fall einer Erkrankung dem Schicksal empört einen Irrtum vorwerfen würden, weil sie doch immer gesund waren. Krankheit und Mühsal gebühren ihrer Meinung nach solchen, die aufs Pech abonniert sind, die sind schließlich daran gewöhnt.

Falls Sie jetzt mutmaßen, die verbitterte Pointe dieses Textes wird darin bestehen, dass das Hascherl bereits den nächsten Kümmerer an der Angel hat, während wir wettergegerbten Haudegen weiterhin eigenhändig das alte Laub aus unseren Regenrinnen kratzen müssen, haben Sie sich getäuscht. Vielleicht hat es Glück, das Hascherl, vielleicht muss es aber auch feststellen, dass verfügbare gütige Vaterfiguren rar sind auf dem Partnerschaftsmarkt, schon gar, wenn die zur Debatte stehende Kindfrau demnächst zum Seniorinnentarif ins Kino darf.

Doch selbstverständlich, ganz recht, gifte ich mich da­r­über, dass das Hascherl sexistische Klischees von der weiblichen Unmündigkeit bedient. Trostbedürftig komme ich mit dem netten silberhaarigen Herrn am Kaffeehaustisch nebenan ins Gespräch. Er speist gerade. Das muss er in Lokalen, sagt er, denn seine Frau ist auf Kur. Ehe sie wegfuhr, hat sie ihm gezeigt, in welchem Kasten er frische Hemden findet und wo seine Socken liegen, aber als sie ihm auch noch beibringen wollte, wie man eingefrorene Mahlzeiten in der Mikrowelle wärmt, hat er gestreikt.

Ja, eh, Dinosaurier, der eine wie die andere. Aber ­erschreckend lebendig, irgendwie.

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