Elfriede Hammerl: So still die Heldinnen

Nicht klagen, Pflicht erfüllen, weitermachen, durchhalten – und für wen?

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Wir schauen jetzt kurz zurück in eine partiell glückliche Zeit, da Corona noch nicht unser aller Bewusstsein beherrschte. Frauentag war, und weil wir nominell eine Frauenministerin haben, wurde sie aus diesem Anlass mehrfach interviewt, und dabei stellte sich heraus, dass ie keine Feministin sein will, weil sie, wie sie sagt, für ein selbstbestimmtes Leben von Frauen eintritt, was ja exakt zur Definition von Feminismus gehört, aber das darf frau anscheinend nicht wissen, wenn sie sich zum türkisen Weltbild bekennt. In einem dieser frustrierenden Interviews wurde die Ministerin auch genötigt, sich zur verdienstvollen Johanna Dohnal zu äußern (in „Österreich“ am 8.3.2020). Weil es nun nicht so gut angekommen wäre, wenn sie deren historische Bedeutung geschmäht hätte, griff sie zu einer kleinen gemeinen List. Sie stellte Johanna Dohnal auf eine Stufe mit den vielen „stillen Heldinnen des Alltags“. Die vielen stillen Heldinnen des Alltags preist man gerne dann, wenn es gilt, irgendeine aufgeblasene Person von ihrem Podest zu holen. Und natürlich wäre es im Prinzip notwendig, die Ungerechtigkeit des sozialen Rankings, das privilegierte Promis über vielleicht anständigere, aber verhaltensunauffällige Mitmenschen stellt, gelegentlich zu korrigieren und an die Verdienste derer zu erinnern, die sich nicht im Rapenlicht tummeln.

Nur dass das Loben der stillen Heldinnen sehr oft nicht aus Gründen der Gerechtigkeit geschieht, sondern dass Menschen, denen die stillen Heldinnen normalerweise total wurscht sind, sich ihrer meist ausschließlich zu dem Zweck erinnern, die Zielsetzungen einer weniger stillen Person zu diskreditieren.

So ist auch das Ministerinnen-Lob in Sachen Dohnal und stille Heldinnen zu verstehen. Doch gerade in diesem Zusammenhang war es außer perfide auch hochgradig unsinnig. Die Ministerin sagte nämlich wörtlich über Dohnal: „Sie hat Großartiges für Frauenrechte in Österreich geleistet. Wie auch die erste Ministerin Grete Rehor und viele stille Heldinnen des Alltags.“ Und das ist falsch. Die stillen Heldinnen des Alltags leisten Großartiges, aber Verbesserungen der Frauenrechte gehören nicht dazu. Unter den stillen Heldinnen des Alltags versteht man Frauen, die unter widrigen Umständen mehr oder weniger klaglos funktionieren. Die (schlecht bezahlt) arbeiten, die Familie zusammenhalten, Kinder betreuen, Alte pflegen, mit wenig Geld auskommen, womöglich noch segensreich in der Nachbarschaft wirken, einspringen, wo es nottut. Frauen, denen gedankt werden muss. Aber nicht im Namen der Frauenrechte. Die stillen Heldinnen des Alltags schreien nicht nach Rechten, sondern erfüllen oder übererfüllen Pflichten. Dafür schätzt man sie. Dass sie trotz schlechter Rahmenbedingungen nicht aufgeben. An den Rahmenbedingungen rütteln sie nicht. Vielleicht, weil sie keine Kraft und keine Zeit dazu haben. Aber wer Frauenrechte voranbringen will, muss an den Rahmenbedingungen rütteln.

Einmalige Bonuszahlungen für Handelsangestellte sind besser als gar nichts, ändern aber nichts am System.

Das Hohelied auf die stillen Heldinnen – und Helden – des Alltags ist viel zu oft nur ein Lobpreis auf Retro-Geschlechterrollen und Unterwürfigkeit in einer Klassengesellschaft, in der jede und jeder auf ihrem oder seinem Platz bleibt, ohne die Platzzuweisung oder die Ausgestaltung der Plätze infrage zu stellen.

Gerade sind wir wieder heilfroh, dass die stillen Heldinnen und Helden des Alltags ohne aufzumucken ihre oft mühseligen Pflichten erfüllen. Plötzlich wird offenbar, welche Tätigkeiten „systemrelevant“ sind und welche eher nicht. Ich zitiere einen Hinweis auf Twitter: Wer wird wohl unsere Supermarktregale morgen wieder auffüllen? Ein Tipp: die Börsianer sind’s nicht.

Dass sich die Supermarktangestellten, Pflegerinnen, Trucker und BusfahrerInnen, das Reinigungspersonal, aber auch die Ärztinnen und Ärzte im Dauereinsatz, sei es in Spitälern oder Kassenordinationen, vom Dank, der ihnen nun virtuell entgegenschlägt, real nichts kaufen können, wurde bereits vielfach angemerkt. Noch vor Kurzem, als die Angehörigen der Pflege- und Sozialberufe auf die Straße gingen, um wenigstens eine Minderung ihrer Arbeitszeit durchzusetzen, stießen sie bei den Verantwortlichen auf beinharte Ablehnung. Drei Stunden weniger Arbeitszeit pro Woche, das wären ja 8,6 Prozent Lohnerhöhung – unmöglich! So viel gebe das Budget nicht her. Inzwischen gibt das Budget zum Glück eine ganze Menge her, um die Corona-Krise wirtschaftlich abzufangen, und das ist auch gut so, aber was davon bei den stillen Heldinnen und Helden ankommen wird, ist nicht bekannt.

Tatsächlich sollten die stillen Heldinnen und Helden nicht länger still bleiben, sondern laut und fordernd werden. Was längst fehlt, ist eine Neubewertung der Arbeit, die in dieser Gesellschaft geleistet wird, und eine entsprechende Verteilung der Wertschöpfung, die sie generiert. Einmalige Bonuszahlungen für Handelsangestellte sind besser als gar nichts, ändern aber nichts am System.

Viel ist vom Umdenken die Rede, das die Corona-Krise nach sich ziehen wird. Das wird aber vermutlich nicht ohne Lärm gehen. Soziale Gerechtigkeit entsteht nicht im Vertrauen auf eine Evolution, sondern durch politische Gestaltung.

[email protected] www.elfriede.hammerl.com

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