Elfriede Hammerl

Elfriede Hammerl Hitler geht immer

Hitler geht immer

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Hans Rauscher verglich neulich im „Standard“ das Gerede vom notwendigen Einbinden der FPÖ mit dem Film vom täglich grüßenden Murmeltier, und damit hat er weiß Gott recht. Immer wieder die ach so originelle Frage selbst ernannter Querdenker: Warum denn nicht doch die Blauen mitregieren lassen? Schon gar die Roten, heißt es, sollten sich das überlegen, schließlich fischten sie im selben proletarischen Stimmenreservoir wie die FPÖ. Die Gefahr liegt darin, dass das gebetsmühlenartige Beschwören einer bei geschicktem Handling zähmbaren blauen Partie, die man nicht ausgrenzen dürfe, auch bei anderen einen Realitätsverlust bewirkt.

Deshalb: Können wir bitte rekapitulieren, wofür die FPÖ (ein-)steht? Und können wir uns, hallo, klarmachen, dass sie kein armes Waisenkind ist, das allein im Regen übrig bleibt, wenn niemand mit ihm spielt, sondern eine Partei, von deren Geisteshaltung man sich abgrenzen darf?

Die FPÖ steht für: Asylwerber sind Betrüger, Flüchtlinge abschieben, und zwar sofort, böse Ausländer nehmen uns die Arbeitsplätze weg, Sozialleistungen nur für „unsere“ Leute, (ausländische) Sozialschmarotzer zocken uns ab.

Die FPÖ steht für drei Bier, das heißt für ständiges und bewusstes Gerade-noch-Vorbeischrammen an der Wiederbetätigung, also für ständige Sympathie-Signale in die braune Ecke, die dann grinsend bestritten werden, nach dem Muster: Ein Schelm, wer bei Nazi nicht an „Netter Aufrechter Zirbenholzschnitzer“ denkt.

Und die FPÖ steht für Inkompetenz (erinnern wir uns noch an ministerielle Lichtgestalten wie Krüger und Sickl? Nein? Sollten wir aber!) sowie Korruption (die dazu passenden Namen und Ereignisse können doch nicht wirklich vergessen sein!).

Man kann der SPÖ vieles vorwerfen, und manche ihrer mehr oder weniger prominenten Vertreter mögen so manchen Blödsinn verzapft haben, doch in einen Topf geworfen zu werden mit der FPÖ, das hat sie sich wirklich nicht verdient.

Aber wie soll sie im Alleingang den Gemeindebau zurückerobern? Und warum wählen die Arbeiter überhaupt die Blauen statt wie früher die Roten?
Vielleicht, weil im Gemeindebau andere Bevölkerungsgruppen wohnen als früher. Und weil es die Arbeiter von früher nimmer gibt.

Das ausgebeutete Industrieproletariat von ehedem ist, hierzulande jedenfalls, Geschichte. Rot und Blau fischen, mit ihren oberflächlich ähnlichen Forderungen nach Verteilungsgerechtigkeit, im Teich der sogenannten Modernisierungsverlierer. Denen geht es, und man muss das durchaus als Fortschritt sehen, nicht mehr darum, ein Dach über dem Kopf und genug zum Essen zu haben. Was ihnen fehlt, ist Lebensglück, sind Freude, Liebe, Anerkennung.

Was ihnen fehlt, ist das Gefühl, ein sinnvolles, befriedigendes Leben zu führen. Was sie quält, sind Neid, Missgunst und die nur teilweise befriedigte Gier nach materiellem Konsum.

Nein, das wird keine Predigt im Sinn von: Sollen die ­Armen sich doch einfach bescheiden, dann werden sie glücklich sein. Aber offensichtlich scheint, dass all die Unzufriedenen, die auf die Heilsversprechen der Krawallokraten setzen, ein Problem damit haben, für sich erreichbare Ziele zu definieren, die nicht bloß darauf hinauslaufen, andere irgendwie mit irgendwas zu übertrumpfen.

Der führeranfällige Modernisierungsverlierer ist wenig gebildet, schlecht ausgebildet, mangelhaft sozialisiert, er stellt sich vor allem über Defizite dar und ist voller Wut darüber. Allerdings sieht er das Defizitäre nicht in seiner unzureichenden Qualifikation, sondern er empört sich über ­deren unzureichende Würdigung durch die Gesellschaft.

Hier stellt sich die Frage nach der Mitverantwortung der Medien. Verbreiten sie nicht ständig den Eindruck, ein geglücktes Leben sei eines, in dem man durch geschickte Machenschaften schnelles Geld verdient, um anschließend ­lebenslang Party zu feiern, Stichwort Spaßgesellschaft?

Strache verheißt den Frustrierten, die frustriert sind, weil an ihnen kein schnelles Geld hängen geblieben und ihr Leben keine Party ist, den Eintritt in die Spaßgesellschaft, die ihnen offenstehen werde, sobald die (ausländischen) Spaßverderber nicht mehr die Eingangstür blockieren. Das sagt er nicht explizit, aber schon die Art, wie er auftritt mit seiner Truppe, vermittelt, dass jetzt endlich die Post ab- und eine Hetz’ losgehen wird für die da unten, wenn sie ihn nur mit der nötigen Voll-Macht ausstatten.

Sinnlos, mit ihm auf dieser Ebene zu konkurrieren. Ihm entgegenzutreten hieße vielmehr, die Zu-kurz-Gekommenen nicht zu bestärken in ihrem Sich-Verweigern, sondern, zumindest den Jungen, neue Lebensentwürfe schmackhaft zu machen, die weniger auf Spaß setzen als auf Freude, zum Beispiel am sozialen Mit- statt am erbitterten Gegeneinander.

Zum Schluss das Gespenstische: Neulich, an meiner Gartentür, fragt mich ein Altwarenhändler, ob ich was zu verkaufen hätte. Vielleicht Möbel aus den 1950ern? Oder (seine Stimme senkt sich vertraulich) was vom Hitler? Und in mein perplexes Gesicht: Wissen S’, gnä Frau, Hitler geht immer. Sie würden staunen.

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