Elfriede Hammerl

Elfriede Hammerl Im Cocktailschürzchen

Im Cocktailschürzchen

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Schwangere Teenager wurden in Heime verbannt und mussten unbezahlt Zwangsarbeit verrichten, um ihren Sündenfall zu büßen. Das war vor fünfzig Jahren, und es entsprach dem Zeitgeist. So waren die 1960er. Nicht nur, aber auch. Inzwischen werden sie mehr und mehr zur Ära der heilen Familien verklärt, als Vati angeblich noch anstandslos den Ernährer gab und Mutti im Cocktailschürzchen Toast Hawaii zum Nachtmahl servierte. Erst kürzlich veröffentlichte das Marktforschungsinstitut Spectra eine Umfrage, deren Ergebnis in den Medien heftig debattiert wurde. Es besagte, dass eine gestiegene Zahl an Österreicherinnen und Österreichern tradierte Rollenbilder (samt entsprechender Arbeitsteilung) gut findet. Von einem möglichen Comeback der Fulltime-Hausfrau wurde daraufhin geschrieben und von einer allgemeinen Sehnsucht nach den idyllischen 1960er-Jahren.
Tatsächlich sind Träume von ultimativ heilen Verhältnissen nichts anderes als der Traum vom heißen Eislutscher. Wenn Sehnsuchtsvorstellungen von einer geordneten Welt, in der alle zufrieden sind, heute auf das Setting der 1960er projiziert werden, dann zeugt das nur von einer Unkenntnis dieser Zeit und einer verfälschenden Überlieferung. Jüngere Menschen, die vom Styling Jackie Kennedys oder dem der Hausfrauen aus Mad Men auf ein elegantes, sorgloses Leben damals schließen, wissen nicht, wie es wirklich zuging. Es ging in Wahrheit nicht besonders elegant zu und höchst selten sorglos. Restriktion, wohin man schaute, besonders für (Haus-)Frauen und Mädchen. Moralinsaure Heuchelei. Selbstverständlicher Sexismus. Wenig durchlässige gesellschaftliche Hierarchien.

Was Frauen sich vermutlich vorstellen, wenn sie vom Hausfrauendasein träumen: Kein Stress. Kein Arbeitsleid. Morgens länger schlafen. Versorgt sein. Ausreichend Geld, das ein anderer verdient. Ein schönes Haus. Ein liebenswürdiger Ehemann, der gut gelaunt Karriere macht, damit es seiner Familie an nichts fehlt. Mit den Kindern lustige Sachen unternehmen. Erfüllte Tage bei kreativer Marmeladeherstellung und fröhlichem Kuchenbacken. Rote Rosen zum Hochzeitstag.

Was sich eine Frau höchstwahrscheinlich nicht vorstellt, wenn sie vom Hausfrauendasein träumt: Staubsaugen, ­Badewannen scheuern, Klos putzen und hinter jedem Familienmitglied herräumen sollen, weil die Mama ja eh nichts anderes zu tun hat. Knausern müssen. Diskussionen über jede Geldausgabe. Streitende Kinder. Den ganzen Tag mit keiner erwachsenen Person reden können und abends ­einen grantigen Ehemann in Ruhe lassen sollen. Harsche Kritik an der kreativen Marmelade.

Nun ist natürlich nicht gesagt, dass Berufstätigkeit vor Staubsaugen, Kochen, maulenden Familienmitgliedern und der Notwendigkeit des Sparens schützt. Und bestimmt träumt manche Hausfrau nicht vergeblich von Rosen zum Hochzeitstag. Aber trotzdem: Das Hausfrauenbild, das beschworen wird, wenn tradierte Rollenmuster gepriesen werden, ist kein realistisches. Bewusst werden Abhängigkeit, Mühsal und ein ungesicherter Lebensabend ausgespart.

Was die Idee vom Daheimbleiben wieder attraktiver macht, ist im Grunde leicht erklärt. Der Stress hat zugenommen, das Berufsleben wird immer härter, die Gehälter sinken, Kindergärten und Ganztagsschulen sind in bestimmten Regionen immer noch dünn gesät, und Haus­arbeit ist vielfach nach wie vor alleinige Frauensache, Berufstätigkeit hin oder her. Klar macht das wenig Freude. Doppel- und Dreifachbelastung: Da träumt frau schon davon, wenigstens eine der Belastungen los zu sein. Und weil sie ja schließlich Kinder und Mann gern behalten möchte, kann sie sich am ehesten noch vorstellen, den Beruf aufzugeben. Wenigstens manchmal. Theoretisch. Zumal die Arbeitswelt mehr und mehr bewusst als Gegensatz zu Familie konstruiert und inszeniert wird. Wer reüssieren will, muss, so heißt es, immer im Einsatz und ständig abrufbar sein, soll ganz der Firma beziehungsweise dem (prekären) Job gehören, darf in Gedanken, Worten und Werken nur um die Berufsarbeit kreisen. Nicht sehr verlockend.

Praktisch allerdings wissen Frauen (und Männer) offenbar durchaus, dass Berufstätigkeit trotzdem nicht blöd ist. 81 Prozent der von Spectra Befragten fanden, sie sei das beste Mittel für Frauen, unabhängig zu sein.
Was also? Nochmals: Das Unbehagen an den heutigen Zuständen resultiert nicht aus der Tatsache, dass Mutti beim Autokauf mitreden und selbstständig entscheiden darf, ob sie neue Zahnbürsten für die Familie anschafft, sondern aus der zunehmenden Brutalisierung der Arbeitswelt. Weswegen eine Lösung in deren Umgestaltung liegen würde. Beruf müsste – für Frauen wie für Männer – vereinbar sein mit einem halbwegs erfüllenden Privat- und Familienleben.

78 Prozent der von Spectra Befragten meinten übrigens, dass es Männer im Berufsleben leichter hätten als Frauen. Seltsamerweise zog niemand daraus den Schluss, die Frauen sollten es künftig im Beruf wenigstens genauso leicht haben wie die Männer. Stattdessen: Verklärung der klassischen Rollenbilder. Na ja. Strengt nicht an und kostet nix, zumindest auf den ersten Blick.

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