Elfriede Hammerl: Solidarisch sein

Elfriede Hammerl: Solidarisch sein

Elfriede Hammerl: Solidarisch sein

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Heide Schmidt habe ich seinerzeit gewählt. Benita Ferrero-Waldner, ein paar Jahre später, nicht. Heide Schmidts politische Positionen konnte ich teilen, die von Benita Ferrero-Waldner nicht. Und Irmgard Griss? Höchstwahrscheinlich werde ich auch sie nicht wählen. Keine Frauensolidarität? Doch. Dort, wo sie angebracht ist.

Frau Griss ist ohne Zweifel eine hochintelligente und tüchtige Frau, man müsste sich nicht genieren, wenn Österreich in der Welt durch sie vertreten würde. Aber reicht mir das, um ihr meine Stimme zu geben?

Vielleicht würde es reichen, wenn ich nicht einen gewichtigen Einwand gegen sie hätte: Frau Griss betont immer wieder, welch große Hoffnungen sie in die schwarz-blaue Regierung unter Wolfgang Schüssel gesetzt habe. Diese Regierung zu begrüßen, war ihr gutes Recht, keine Frage, aber es zeigt mir, dass wir weltanschaulich einigermaßen unterschiedlich ticken.

Ich habe also Grund zur Annahme, dass Frau Griss und ich in wichtigen Fragen nicht übereinstimmen.

Ich habe Schwarz-Blau nicht als Aufbruch aus einer bleiernen Zeit – so Griss in einem Interview 1) – erlebt, sondern von Anfang an als fragwürdiges Unternehmen, einmal wegen der mit allen Mitteln angestrebten Schubumkehr zu einer reaktionären Gesellschaft und zum anderen, weil der Haider-Trupp keinen Respekt vor demokratischen Grundwerten erkennen ließ. Dass das damalige Personal zu einem größeren Teil unfähig war, gesteht auch Griss inzwischen ein. Anders als sie sehe ich aber die Inkompetenz derer, die damals zu Ministerehren und in andere hohe Positionen gekommen sind, nicht als individuelles Versagen, sondern ich glaube, dass deren unverfrorene Selbstbedienung an der Republik in gewisser Weise für ihr politisches Programm stand.

Ich habe also Grund zur Annahme, dass Frau Griss und ich in wichtigen Fragen nicht übereinstimmen.

Das ist nicht weiter schlimm. Ich stelle an Frauen nicht die Anforderung, dass sie so denken sollen wie ich. Ich glaube, dass Frauen in die Politik gehören, egal, welche Partei sie vertreten (sofern es eine demokratisch legitimierte Partei ist), und selbst für den Fall, dass sie mit Feminismus nichts am Hut haben, finde ich es gut, wenn sie von ihrem passiven Wahlrecht Gebrauch machen. Ich übe dann nur mein aktives nicht zu ihren Gunsten aus.

Denn Frauensolidarität heißt ja nicht, Frauen blindlings zu unterstützen, gegen die eigenen Prioritäten und bei Vorhaben, die den eigenen Zielvorstellungen widersprechen. Frauensolidarität heißt, gemeinsame Interessen gemeinsam zu vertreten und miteinander gegen Probleme anzukämpfen, die Frauen betreffen, weil sie Frauen sind. Nicht mehr und nicht weniger.

Sachliche, fachliche und inhaltliche Vorbehalte fallen hingegen nicht unter mangelnde Solidarität.

Frauen müssen nicht solidarisch sein. Aber auch wenn sie es sind (was ich nützlich und anständig finde), dürfen sie sich gegen andere Frauen stellen, sobald es um Fragen geht, die nichts mit der Geschlechtszugehörigkeit zu tun haben.

Solidarität ist dann angebracht, wenn eine Politikerin in sexistischer Manier angegriffen, also zum Beispiel wegen ihres Aussehens, ihrer Kleidung, ihres Privatlebens – als Mutter, als Ehefrau, als Single – heruntergemacht wird. Sachliche, fachliche und inhaltliche Vorbehalte fallen hingegen nicht unter mangelnde Solidarität.

Sollte Frau Griss in ihrer Eigenschaft als Frau medial diskriminiert werden, dann würde ich ihr mit meinen bescheidenen Mitteln zu Hilfe eilen, obwohl Gendersensibilität umgekehrt nicht zu ihren Stärken gehört. Sagte sie doch auf einer Frauentagsveranstaltung der NEOS, 2) das Faktum Frau sei für sie kein Thema, weil sie aus der Juristerei komme, wo es keine Rolle spiele, ob man ein Mann oder eine Frau sei. Allein ein Blick auf die Postenverteilung in der Justiz müsste ihre Zweifel an dieser Behauptung wecken: Im Justizministerium sind zwei Drittel der Abteilungsleiter Männer, am Obersten Gerichtshof gibt es ausschließlich männliche Senatspräsidenten und an den Oberlandesgerichten unter vier Präsidenten und vier Vizepräsidenten keine Frau. 3) Aber Frau Griss ist halt, sagen wir es so, keine Feministin. Trotzdem dürfte sie im Bedarfsfall auf meine Solidarität zählen.

Sind die Präsidentschaftswahlen ein Bedarfsfall? Eher nein. Wenn es auch an der Zeit wäre, dass einmal eine Frau zum Zug käme, so überwiegen bei der Entscheidungsfindung, für mich jedenfalls, andere Kriterien. Die Weltanschauung, wie schon ausgeführt. Und auch die politische Erfahrung. Keine zu haben, mag einerseits erfrischend sein, legt aber die Befürchtung nahe, dass so jemand mehr als andere von – mehr oder weniger bekannten – BeraterInnen abhängen wird.

Ich sag’s jetzt einmal so: Würde ich Frau Griss wählen, dann nicht in erster Linie deswegen, weil sie eine Frau ist. Stünde ich jedoch vor der Wahl, mich für Frau Griss zu entscheiden oder für einen männlichen Kandidaten, der in meinen Augen gleich geeignet wäre, dann würde ich Frau Griss wählen, weil sie eine Frau ist. Ist doch ganz einfach.