Elfriede Hammerl

Elfriede Hammerl Jugend wünscht

Jugend wünscht

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Heute stellen wir uns vor, wir sind fünfzehn. Ja, ich weiß, für viele von uns schwierig (für mich wahrscheinlich noch schwieriger als für Sie), aber trotzdem. Also. Fünfzehn. Oder siebzehn. Oder neunzehn.

Wir haben, stellen wir uns vor, im Großen und Ganzen eine vergnügliche Kindheit gehabt. Unsere Mama war viel daheim, als wir klein waren, das war uns recht, denn sie hat eine Menge mit uns unternommen und gut gekocht und so weiter.

Später hat sie dann angefangen, Teilzeit zu arbeiten, aber trotzdem ist sie bis heute für uns da, wenn wir was von ihr brauchen. Ob sie gern daheim war und wie das einmal mit ihrer Pension sein wird, das ist ehrlich gestanden nicht unser Problem. Und was wäre, wenn der Papa und sie geschieden würden, darüber mögen wir uns nicht den Kopf zerbrechen.

Oder: Falls unsere Eltern bereits geschieden sein sollten, fallen ihre eventuellen finanziellen Zukunftssorgen ebenfalls nicht in unsere Zuständigkeit.

Vielleicht kriegen wir dennoch mit, dass die Mama schwer über die Runden kommt mit ihrem Teilzeitgehalt, doch erstens ist das nicht unsere Schuld, und zweitens gibt es ja auch noch andere geschiedene Frauen als die Mama, zum Beispiel alle die Promi-Tussen, die ihre Ex gnadenlos abzocken.

Kann man überall nachlesen. Scheidung lohnt sich, wenn man es richtig anfängt, so viel ist klar, jedenfalls für Frauen. Und nachdem sich die männlichen Macher-­Typen offensichtlich eine kostspielige Begleiterin nach der anderen leisten können, macht der Papa, wenn er wegen der Alimente jammern sollte, halt was falsch.

Nein, wir sind eh nicht so deppert, wie sich das jetzt anhört, aber wann, wenn nicht in unserem Alter, sollen wir davon ausgehen, dass wir – nicht böse sein, Eltern – einfach mehr zusammenbringen werden als die Alten ­beziehungsweise dass wir schlicht und einfach imstande sein werden, unsere Träume zu realisieren?

Wir träumen von einer beglückenden Partnerschaft und Kindern. Das ist doch, verdammt noch einmal, nicht abartig. Wär ja seltsam, wenn wir uns ein Leben als eiskalte EinzelgängerInnen wünschten. (Unsere heile Fantasiefamilie fällt möglicherweise umso unrealistischer aus, je mehr wir in der Realität von problematischen Verhältnissen umgeben sind. Auch das ist keine ungewöhnliche Reaktion.)

Und heil definieren wir einerseits unter dem Einfluss der Bilder, die uns von allen Seiten als Heile-Welt-Darstellungen präsentiert werden, und andererseits auf der Basis unserer Erfahrungen, die uns meist mit traditionellen Organisationsformen von Familienarbeit konfrontiert haben.

Wir sind aufgewachsen mit (Halbtags-)Kindergärten ab drei Jahren, mit Halbtagsschulen und mit Müttern, die Teilzeit arbeiten, und uns ist daraus kein Leidensdruck erwachsen. Wir wissen nicht, wie es uns in einer Ganztagsschule gefallen hätte, und wir haben ständig zu hören bekommen, dass Kinderkrippen was Grauenhaftes sind. Ist es ein Wunder, dass wir unsere künftigen Kinder nicht in Krippen sehen, sondern ihnen das bieten wollen, was wir selber als einigermaßen angenehm kennen gelernt haben?

Wir wissen oft wenig über die Arbeitswelt unserer Eltern und unter Umständen auch nicht viel über Hausarbeit, wenn wir unsere heile Fantasiefamilie sehen, dann sehen wir Szenen aus dem Werbefernsehen, wo schön gestylte Mütter entspannt beisammensitzen und von hippem Nachwuchs gefeiert werden, weil sie Bonbons aus goldfarbenen Packungen schälen und als vitaminreiche Nahrung verteilen. Kein übles Los, oder? Und dann kommen die ­MeinungsforscherInnen daher und fragen uns: Wenn dein/e Partner/in so viel verdient, dass euer Lebensunterhalt gesichert ist, möchtest du dann Hausfrau/Hausmann sein? Und sobald wir zu 44 Prozent mit Ja antworten, schreiben die Medien, wie erstaunlich konservativ wir doch sind.

Und man fragt uns, wer Kinder bis drei betreuen sollte, und wir sagen, sie sollen zu Hause betreut werden, und man fragt uns, ob wir uns vorstellen könnten, Teilzeit zu arbeiten, und wir sagen zu 85 Prozent Ja, sofern wir weiblich sind, beziehungsweise zu zwei Dritteln, dass wir darüber noch nicht nachgedacht haben, sofern wir männlich sind – und wieder wundern sich alle über unser wenig progressives Weltbild.

Sehr witzig. Wieso sollen ausgerechnet wir fortschrittliche Fantasien entwickeln und originelle Rollenbilder implantieren wollen und uns neue Formen des gesellschaftlichen Zusammenwirkens einfallen lassen, wenn uns die ganze Zeit suggeriert wird, unser künftiges Glück läge darin, dass wir als Vater-Mutter-Sohn-und-Tochter-Bande über blühende Wiesen tollen, gemeinsam Fertiggerichte in Pfannen schütteln und uns an staatlicher Förderung erfreuen, sofern wir ebendiesem Familienbild entsprechen?

So. Ende unseres mentalen Ausflugs. Wir sind wieder wir. Wundern wir uns immer noch über die Ergebnisse der Studie „Jugendmonitor“, die im Auftrag des Wirtschafts- und Familienministeriums erstellt und kürzlich veröffentlicht wurde?

Familienminister Mitterlehner hat daraus übrigens bereits den Schluss gezogen, dass Teilzeitarbeit aufgewertet werden müsse. Was sonst. Und wie immer das konkret ausschauen soll.

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