Elfriede Hammerl

Elfriede Hammerl Marktwert

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Neulich in der Albertina: Ein smarter jüngerer Lehrer führt eine Gruppe Jugendlicher durch die ­Matisse-Ausstellung. Vor drei Braque-Bildern bleiben sie stehen, und ich höre, wie der Lehrer sagt, es gebe die These, dass der Kubismus allein von Braque erfunden worden sei und nicht von Picasso und Braque, aber das sei egal, weil Braque ohnehin nicht das Zeug zum großen Künstler gehabt habe.

Nanu, denke ich mir, was macht einen Menschen zum großen Künstler, wenn nicht die Tatsache, dass er die Kunst revolutioniert?
Schon erfahre ich es. Braque, sagt der Lehrer, sei nämlich kein Selbstdarsteller gewesen. Große Künstler müssten aber Selbstdarsteller sein. Warum? Weil man, wenn man ein Bild kaufe, immer auch ein Stück vom Künstler mitkaufen wolle. Und einer, der sich nicht für den Größten halte und nicht glaubwürdig vermitteln könne, dass er der Größte sei, der verkaufe nicht viele Bilder.

Hier mische ich mich ein. Man sollte vielleicht, sage ich, zwischen Kunst und Marktbeherrschung unterscheiden. Ob er wirklich meine, dass sich Kunst nach Markterfordernissen richten müsse?

Na klar, sagt er.
Ich, etwas perplex: Man kann Kunst aber schon auch anders definieren, oder?
Könne man, antwortet er wegwerfend. Habe jedoch keinen Sinn.

Einzelerlebnis, ja. Aber vielleicht symptomatisch? Frau Fekter, vermute ich einmal, hätte applaudiert. Und überhaupt: der Zeitgeist.
Die bedeutendste Kunst ist inzwischen die Kunst der (Selbst-)Vermarktung. Im Ranking der Werte führt der Marktwert. Picasso ein großer Künstler? Ja, aber nur, weil er sich gut verkauft hat. Paulo Coelho: ein großer Literat, siehe Verkaufsauflagen. Und die größten Ärzte sind selbstverständlich die Schönheitschirurgen, oder gibt’s reichere?

Gut, dass junge Menschen solche grundlegenden Wahrheiten beizeiten und schon in der Schule lernen. Schließlich sollen sie später nicht abartige Orchideenfächer wie Philosophie oder Kulturanthropologie studieren, sondern etwas, was der Wirtschaft nützt. Geht’s der Wirtschaft gut, geht’s den Wirtschaftstreibenden gut, selber schuld, wer keine Wirtschaft treibt, sondern bloß von der Wirtschaft getrieben wird. Dass die Wissenschaft jetzt im Wirtschaftsministerium unterkriechen darf, ist nur logisch. Wissenschaft hat gewinnorientiert zu agieren. Was nicht auf Konten gehortet werden kann, ist kein Gewinn.

Ungeliebte Wissenschaft, ungeliebte Kunst, ungeliebte Frauen, so schaut’s aus in der neuen Regierung. Eigene ­Ministerien nur fürs wirklich Wichtige. Für die Familien zum Beispiel. Die Familie ist der Wohlfühltermin für die individualisierte Gesellschaft. Normalerweise gnadenlose Konkurrenz zwischen Mensch und Mensch, Stichwort Wettbewerbsorientierung, aber dann und wann, zur Regeneration, Kuscheln im familiären Nest. Nur: Wer polstert es behaglich aus und hält es in Ordnung? Unangenehme Frage. Daher beschäftigen wir die Frauenministerin mit Bildungspolitik, dann kommt sie vielleicht nicht dazu, wieder einmal die leidige Verteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit anzusprechen.

Während die Abschaffung des Wissenschaftsministeriums wenigstens etwas öffentliche Erregung verursachen konnte, hat der Stellenwert von Frauenpolitik außer den einschlägigen Verdächtigen kaum jemanden beschäftigt. Ja, grundsätzlich sind die Frauenagenden, wie sich gezeigt hat, bei Heinisch-Hosek in guten Händen, aber dass man sie ihr erneut als Zuwaage zu einem arbeitsintensiven Ressort um den Hals gehängt hat, zeugt nicht gerade davon, dass man sie besonders ernst nimmt. Warum nicht? Hat sich die Einkommensschere wundersam geschlossen? Sind Frauen in Führungspositionen ihrem Bevölkerungsanteil entsprechend vertreten?

In der Regierung sind sie’s jedenfalls nicht. Gerade einmal fünf Frauen im 16-köpfigen Team (sagen wir halt Team dazu), eine erbärmliche Quote. Ja, richtig, Geschlecht ist keine Qualifikation. Aber warum dominieren dann Männer in Führungsgremien? Weil die meisten Frauen minderbemittelt sind? Oder weil das Geschlecht halt doch ein Auswahlkriterium ist?
Dass Frauen keine Lust auf Spitzenpositionen hätten, wird zwar oft behauptet, aber wie sich zeigt, greifen sie durchaus zu, wenn man sie lässt. Wir hatten auch schon mehr weibliche Regierungsmitglieder. Und wieso wissen beispielsweise Frau Merkel, Frau von der Leyen oder Frau Bachelet nicht, dass sie eigentlich lustlos sind?

Bei uns jedenfalls: Familienministerium statt Gleichstellungspolitik. Wie unterschiedlich frau dieses Amt interpretieren kann, zeigte sich zuletzt in Deutschland, wo Ursula von der Leyen es benützte, um offensiv gegen tradierte Rollenbilder vorzugehen, während ihre junge Nachfolgerin Schröder nur ja nicht in Feminismus-Verdacht kommen wollte. Im Unterschied zu den deutschen Ressortkolleginnen fehlt es unserer neuen Familienministerin allerdings an Kompetenzen und Geld. Es stellt sich die Frage, ob sie am Ende nur als Vorbild-Powerfrau installiert wurde, die der einfachen Arbeitnehmerin vorhüpfen soll, wie Vereinbarkeit geht. Das wäre problematisch. Mehr dazu nächstes Mal.

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www.elfriedehammerl.com