Elfriede Hammerl

Elfriede Hammerl Nicht in unserem Namen

Nicht in unserem Namen

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Nun sind Arigona Zogaj, ihre Mutter und ihre kleinen Geschwister also auch in der zweiten Instanz gescheitert. Kein Bleiberecht. Basta. Die Republik hat es den Zogajs gezeigt. Fragt sich nur: Wer ist die Republik?

Quer durchs Land werden Familien des Landes verwiesen. Im Morgengrauen abgeholt, damit es kein Aufsehen gibt (das hat eine ebenso unselige wie – aus Behördensicht – bewährte Tradition), und über die Grenzen expediert. Aber quer durchs Land regt sich auch Widerstand gegen diesen Umgang mit schutzsuchenden Menschen.

Im niederösterreichischen Winzendorf verschwand am 21. Februar der neunjährige Bernard Karrica über Nacht aus dem Blickfeld seiner MitschülerInnen und Freunde. Er ist ein begabter Fußballer und wäre diesen Sommer ins Ausbildungszentrum des Fußball-Landesverbands Wiener Neustadt aufgenommen worden. Doch nix da, Pech gehabt. Bernard wurde mit seinen Angehörigen in den Kosovo abgeschoben.

Auf der Website, die sein Schicksal thematisiert und auf der man eine Petition für ihn und seine Familie unterschreiben kann(1), liest sich das so: Nach jahrelangem Aufenthalt in Österreich wurden Bernard, seine Geschwister und Eltern, zusammen eine fünfköpfige Familie, von den Behörden in nur 5 Tagen aus ihrem und unserem Leben gerissen. (…)
Familie K. ist unbescholten und bestens integriert, sie hat sich nichts zuschulden kommen lassen und alle Voraussetzungen für ein humanitäres Bleiberecht erfüllt. So wie ihnen ergeht es täglich vielen Familien, die unter uns ein Zuhause gefunden haben. Die Behörden (…) meinen, im Sinne von allen Österreichern zu handeln. Aber das tun sie nicht. Wir denken und fühlen anders!

Winzendorf ist kein Einzelfall. Allerorten machen Andersdenkende inzwischen ihrer Empörung Luft darüber, dass in ihrem Namen Menschen verstoßen werden, deren einziges Vergehen darin besteht, am falschen Ort zur Welt gekommen zu sein.

„Wir brauchen diese Kinder“ nennt sich beispielsweise eine Plattform im vorarlbergischen Schruns, deren Mitglieder nicht einsehen, dass ein Land, das ständig sein Geburtendefizit beklagt, auf vorhandenen Nachwuchs verzichten will, weil er – ja, was denn nun? Fremde Gene in sich trägt? Die Initiative „Lichterkette“ und ein Aktionsforum „Damma wos“ rufen zu Protest auf. (2)

„Arigona muss bleiben, Fekter muss gehen“, fordert eine Facebook-Gruppe mit über 5000 Mitgliedern. Und beherzten Einwohnern der Vorarlberger Gemeinde Röthis gelang es vor Kurzem bekanntlich sogar, eine Abschiebung zu verhindern. Als frühmorgens die Beamten kamen, um eine kosovarische Familie abzuholen, waren an die vierzig Leute aus dem Ort schon da und fingen an, mit ihnen zu diskutieren. Der friedliche Protest trug schließlich Früchte. Die erwünschten Ausländer durften, vorläufig wenigstens, ­bleiben. All das ist ebenfalls Österreich. Wieso hören sie nicht auf diesen Teil der Bevölkerung, die Innenministerin und der burgenländische Landeshauptmann und alle die anderen, die behaupten, den Wähler zufrieden stellen zu müssen? Die Wählerstimmen dieser BürgerInnen sind ihnen nichts wert?

Ja, zum wiederholten Mal: Niemand ist für schrankenlosen Zuzug. Regeln müssen sein. Aber was sind das für Regeln, die verlangen, dass ein Fünfjähriger mit einem offenen, infizierten Beinbruch nach Polen abgeschoben wird, wo er sein Bein verlieren wird, weil es dort nicht behandelt werden kann? Über ihn berichtete kürzlich die ORF-TV-Sendung „Thema“(3): Taschu, ein kleiner Tschetschene, ist in seinem Geburtsland von einem Lastwagen überfahren worden. Der Fahrer kam ins Gefängnis. Dessen Familie terrorisierte Taschus Mutter, sie solle ihre Aussage widerrufen und dafür sorgen, dass man ihn frei lasse. Die verzweifelte Frau flüchtete mit dem schwerverletzten Kind, dessen Bein amputiert werden sollte, nach Österreich. Hier kann Taschu möglicherweise durch eine komplizierte Therapie geheilt werden. Wenn er bleiben darf. Aber weil er über Polen gekommen ist, soll er nach Polen zurück.

Was sind das für Regeln, denen zufolge ein anderer Tschetschene (auch sein Schicksal wurde in „Thema“ behandelt), an einem Gehirntumor leidend, auf dem Weg ins Krankenhaus immer wieder abgefangen und inhaftiert statt operiert wird?

Ja, es gibt kriminelle Banden, die aus dem Ausland kommen, und wir haben das Recht, uns vor ihnen zu schützen. Aber was an verletzten, schwer kranken Menschen, was an Kindern, die hier gestrandet sind, ist kriminell und bedrohlich?

Fast möchte man der sturen behördlichen Fixierung auf Feindbilder à la Zogaj Methode unterstellen: Schließlich ist es einfacher, harmlose ausländische Mitmenschen zu kriminalisieren, als die tatsächliche Kriminalität zu unterbinden.

Dazu behördlicher Zynismus: Die psychisch zerrüttete Nurije Zogaj würde im Kosovo eine ausreichende psychiatrische Versorgung vorfinden. Und überdies sei sie ja erst suizidgefährdet, seit sie wisse, dass sie nicht bleiben dürfe.
Ja, und? Gilt Verzweiflung nur, wenn sie grundlos ist? Trostfantasie: Wir schicken die Abschieber gleichfalls zurück nach Hause. Bleibt dort, wo ihr geboren seid! Frau Fekter, was machen Sie in Wien? Zurück nach Att­nang-Puchheim! Herr Niessl, raus aus Eisenstadt und heim nach Zurndorf! Platter nach Zams! Mölzer nach Leoben! Das hätte Charme.

1 www.fussballverbindet.org
2 www.lichterkette.cc, www.kinderrechte-sofort.org, www.asyl-in-not.org
3 „Thema“, 8.2.2010

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