Elfriede Hammerl

Elfriede Hammerl Sensible Daten

Sensible Daten

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Die Einkommensschere zwischen Frauen und Männern hat eine Reihe von Gründen: So genannte Frauenbranchen verfügen über schlechtere Kollektivverträge. Frauen haben einen Hang zu Berufen, die – auch wenn sie nicht explizit als Frauenberufe gelten – wenig Chancen auf Spitzengehälter eröffnen. Soll heißen, Frauen arbeiten lieber mit Menschen und nicht so gern im technischen oder rein ökonomischen Bereich. Sie finden sich außerdem seltener in Führungspositionen. Und sie arbeiten häufig Teilzeit.

Aber das Einkommensgefälle kommt auch dadurch zustande, dass Frauen einfach deshalb weniger verdienen, weil sie Frauen sind. Oft werden in ein und derselben Firma weibliche Arbeitskräfte für gleiche, gleichwertige oder sogar bessere Leistungen schlechter bezahlt als ihre männlichen Kollegen.
Sie verkaufen sich eben nicht so gut, heißt es dann. Sich gut verkaufen, den eigenen Marktwert ins rechte Licht rücken zu können ist jedoch nur möglich, wenn Arbeitgeber und Vorgesetzte bereit sind, diesen Marktwert zu akzeptieren. Frauen wird häufig von vornherein ein niedriger Marktwert unterstellt, eben, weil es so üblich und Tradition ist, dass sie billiger sind.
Gehaltsforderungen, die, von Männern erhoben, als angemessen gelten, werden Frauen unter Umständen bereits als überzogen angelastet, obwohl sie mit entsprechenden Qualifikationen aufwarten können. Und auch ­Eigenlob wird eher für berechtigt gehalten, wenn es von Männern kommt als von Frauen.

Nein, das heißt selbstverständlich nicht, dass jeder Mann, der mehr verdient, grundlos mehr verdient. Das heißt auch nicht, dass es nur noch Einheitsgehälter geben soll oder dass männliche Leistung heruntergemacht werden muss. Das heißt lediglich, dass Ungerechtigkeiten durchaus vorkommen. Und wenn man sie abschaffen will, muss man ­herausfinden, wo sie vorkommen. Darum fordert die Frauenministerin eine Offenlegung der Gehälter in Betrieben mit mehr als 25 Beschäftigten.

Was, wie? Nein, wie furchtbar! Das schürt den Neid! Das ist viel zu kompliziert! Man kann doch Leistungen nicht vergleichen! Gehaltsvereinbarungen sind doch so was Persönliches! Etwas so Intimes, sagte kürzlich eine Moderatorin in ­einer Diskussionsveranstaltung, bei der ich war, und ich gehe davon aus, sie meint, diese Intimität begünstige die charmante Gehaltsempfängerin, die dem Chef mehr Gehalt abverhandeln kann, wenn er sicher sein darf, dass sie ihre Vorzugsstellung für sich behält. Aber woher nimmt sie die Sicherheit, dass sie bevorzugt ist? Was würde sie sagen, wenn sie draufkäme, dass die Kollegen, ganz im Vertrauen, besser abschneiden als sie?

Und dann sind Gehaltsdaten ja auch so sensibel! Das muss man bedenken. Auf die Sensibilität von Daten muss Rücksicht genommen werden. Alle dürfen nämlich sensibel sein, die Gehaltsdaten, die Firmen, diejenigen, die mehr verdienen, nur die Frauen, die weniger verdienen, nicht. Weil es so ist.
Wenn das durchgeht, werden halt die Firmen einfach keine Frauen mehr einstellen! Wenn das durchgeht, werden in Zukunft nicht die benachteiligten Frauen mehr, sondern die bevorzugten Männer weniger verdienen. Angleichung nach unten. Die Firmen sind ja nicht blöd. So viel Aufregung. Und so überflüssig. Was wäre dabei, Gehälter nicht nur – wie gefordert – anonymisiert, sondern überhaupt offenzulegen?

Zunächst einmal: Die Vertraulichkeit bei Gehaltsverhandlungen schützt weniger den Lohnempfänger oder die Lohnempfängerin vor der Missgunst der übrigen Belegschaft als vielmehr die Firmenleitung davor, sich für ihre Lohn­politik rechtfertigen zu müssen. Das Besondere an angeblichen Sonderkonditionen kann ja auch sein, dass sie besonders schlecht sind. Das erfährt man aber nicht, wenn ­einem die Vergleichsmöglichkeiten fehlen.
Weiters: Leistung kann verglichen werden. Genau das ist im Prinzip die Ausgangsbasis von Gehaltsschemata. Welche Kriterien dabei ins Gewicht fallen und was für Maßstäbe angelegt werden sollen, ist diskutierbar, aber diskutieren kann man nur, wenn man konkret weiß, worüber.

Besser Verdienende, die aus einsehbaren Gründen besser verdienen, brauchen den Vergleich nicht zu scheuen. Und einer, der besser verdient, weil er halt geschickter verhandelt hat, müsste sich bloß die Frage gefallen lassen, ob das schon alles war, was er zu bieten hat(te). Dass kein Neid geschürt werden dürfe, mutet sonderbar an, schließlich geht es um Einkommensgerechtigkeit und nicht um fromme Tugenden. Keinen Neid schüren, was heißt denn das im Klartext? Alle, die für gute Leistung schlecht entlohnt werden, mögen sich damit zufriedengeben, dass sie sich in christlicher Selbstlosigkeit üben dürfen?

Dann werden halt keine Frauen mehr eingestellt! Eine kühne Behauptung. Inkludiert sie doch genau das, was angeblich gar nicht existiert: die selbstverständliche Voraussetzung, dass es weibliche Arbeitskräfte billiger zu geben hätten. Dass in Zeiten der Wirtschaftskrise eher mit Gehaltskürzungen für Männer zu rechnen ist als mit Gehaltserhöhungen für Frauen, mag eine berechtigte Befürchtung sein, ist aber kein Grund, an geschlechtsspezifischer Ungleichbezahlung festzuhalten. Ungleichbezahlung hält die Krise nämlich nicht auf.

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