Elfriede Hammerl

Elfriede Hammerl Was uns treibt

Was uns treibt

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Also, nochmals Arbeitsmarkt. Was sehen wir? Qualifikationen, die verlangt, aber nicht entlohnt werden. Mehr und mehr prekäre Beschäftigungsverhältnisse. Dass nicht nur ungelernte Kräfte im Prekariat landen, sondern auch gut ausgebildete, kompetente. Not hier, Gier dort und wenig dazwischen. Nach welchen Kriterien gute Jobs ergattert werden können und wer wofür viel Geld kriegt, während andere auf der Strecke bleiben, wird immer schwerer durchschaubar – eine Lotterie, irgendwie. Dazu der ständige Versuch, Menschen gegeneinander auszuspielen. Man braucht sich nur die Werbung anzuschauen: Darum werden Ihre Nachbarn Sie beneiden. Damit sind Sie Erster. So zeigen Sie’s allen.

Es wird ganz selbstverständlich auf Neid, Missgunst, Konkurrenzdenken gesetzt. Auf den Schweinehund, der angeblich immerzu in uns allen regiert. Geiz ist geil. Gemeinheit ist fesch. Andere übers Ohr hauen ist cool. Nur nix zum Verschenken haben.

Ja, ehrlich? Träumen wir wirklich ständig davon, anderen voraus zu sein, ihnen was wegzuschnappen, ihnen eins auszuwischen? Treiben uns tatsächlich unentwegt Habgier und Machthunger an? Oder wollen wir einfach das, was man ein erfülltes Leben nennt?

Sinnvolle Aufgaben. Liebe, Zuneigung, Ansehen, Respekt. Geborgenheit, in der Familie, in Freundschaften, unter KollegInnen. Und, oh ja, auch Gut und Geld. Materielle Sicherheit, ein bisschen Luxus – den ebenfalls, durchaus, und zwar nach eigener Definition. Aber Geld als Selbstzweck? Ansehen als Selbstzweck?

Klar gibt es sie, diejenigen, die den Hals nicht voll kriegen können, die ungenierten Anschaffer, die eiskalten Egoisten, die Alle-anderen-für-dumm-Verkäufer, wir erleben ihre Auftritte täglich, und was einige von ihnen angerichtet haben, baden wir gerade aus.

Aber dass sie die menschliche Natur schlechthin repräsentieren, ist damit nicht bewiesen. Der Mensch ist evolutionär nicht nur auf Wettkampf programmiert, sondern auch auf Empathie und Zusammenhalt, und nicht zuletzt dadurch hat er überlebt.

Schwer zu sagen, wie lang der coole Schweinehund das offizielle Werte-Ranking noch dominieren wird. Anzeichen, dass seine Reputation nachlässt, gibt es, solche seiner ungebrochenen Faszination leider auch.

Dazu das Jobangebot der Woche: Für einen Vollzeitjob im Wiener Museum Belvedere, für den die Bewerberin/der Bewerber ein wirtschaftswissenschaftliches Studium, sehr gute Englisch- und IT-Anwendungskenntnisse sowie Organisationsstärke und die übliche Stressresistenz mitbringen muss, gibt es – der Job wird als Praktikum ausgeschrieben – eine Aufwandsentschädigung von 370 Euro im Monat.

So was könne doch „die Absprungbasis zu einer schönen und erfüllenden Karriere“ sein, schreibt mir ein Leser. Vielleicht. Ich frage mich allerdings, nach wie vielen Studienabschlüssen und nach wie vielen Jahren Berufserfahrung derlei Karrieren so viel Bezahlung abwerfen, dass die PraktikantInnen endlich von ihrer Arbeit leben können, und ich frage mich auch, wer sie bis dahin finanzieren soll. Die greisen Eltern, die hoffentlich einen besser bezahlten Job haben?

Themawechsel und doch keiner: Die baldige Anhebung des Frauenpensionsalters ist angesagt, und zwar nicht zuletzt im Interesse der Frauen, wie es heißt. Auch in ­profil stand kürzlich zu lesen: Wegen zu früher Pensionierung würden Frauen Biennalsprünge versäumen und kleinere Pensionen kriegen.

Na ja. Dazu ist anzumerken, dass sich für die meisten Frauen nicht das Problem stellt, mit 60 einen Spitzenjob abgeben zu sollen, sondern ein anderes: Sie gelten noch früher als Männer als schwer vermittelbar auf dem Arbeitsmarkt. Sollten sie also mit 50 arbeitslos werden, was gar nicht so selten vorkommt, dann sind sie, falls das Pensionsantrittsalter angehoben wird, ab 60 weiter arbeitslos statt in Pension. Inwiefern ihnen das wirtschaftlich nützen soll, ist mir nicht klar.

Deswegen: Biennalsprünge? Als Arbeitslose? Und höhere Pensionen? Okay, nehmen wir an, die Frauen haben ­einen – durchschnittlich bezahlten – Job … Wie groß ist noch mal der Durchrechnungszeitraum für die Pensionshöhe, und welche Bedeutung werden fünf magere Jahre darin haben?

Damit wir uns nicht falsch verstehen: Ich bin sehr dafür, dass Frauen ihre Berufstätigkeit ernst nehmen, und auch dafür, dass wir uns nicht ab einem bestimmten Zeitpunkt zum alten Eisen erklären lassen. Ich selber habe vor, weiterzumachen, solange ich nur irgendwie kann. Aber wird mir das, was ich produziere, genauso lang abgekauft werden? Ich hoffe es, Garantie gibt’s dafür allerdings keine.

Mit anderen Worten: Wenn Menschen länger arbeiten sollen, dann müssen ihnen entsprechende Arbeitsplätze zur Verfügung stehen. Eine Binsenweisheit, und doch entzieht sie sich ständig der allgemeinen Wahrnehmung. Stattdessen die Forderung, Frauen sollten länger als bis 60 arbeiten dürfen – so, als sei es ihnen gesetzlich verboten, im Beruf zu bleiben. Ist aber nicht so. Das Gesetz stellt ihnen die Pensionierung ab 60 bloß frei. Deshalb bringt es wenig, auf eine Gesetzesänderung zu bauen, denn die schafft weder Arbeitsplätze noch Frauengehälter, für die es sich auszahlen würde, unbedingt länger im Erwerbsleben zu verharren.

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