Elfriede Hammerl

Elfriede Hammerl Zum Sommerfest

Zum Sommerfest

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Eva ist zu einem Sommerfest eingeladen. Nicht zu irgend­einem Sommerfest, sondern zu einem Society-Event. Zumindest hinterher wird man gerne erzählen, dass man dort gewesen ist, sofern man die Chance hat, dort gewesen zu sein. Lauter wichtige Menschen (okay, alle Menschen sind wichtig, aber einige sind wichtiger) in schicker Natur. Also nix wie hin. Aber. Nämlich, Eva ist mit Begleitung eingeladen. Was sich an und für sich gehört. Nur dass Eva zum aktuellen Zeitpunkt einen leichten Begleitungsnotstand hat. Ihr letzter Lebensabschnittspartner hat einen neuen Abschnitt anderswo begonnen, und der prinzipiell vorhandene Lover ist nicht vorzeigbar (weil offiziell an eine Lebensabschnittspartnerin gebunden, die nicht Eva ist). Was tun?

Ohne Begleitung hingehen, schlagen wir vor. Eva sagt, genau darauf hat sie keinen Bock. Allein zwischen Paaren. Wenn sie Glück hat, adoptieren sie zwei gemütliche ältere Leutchen, die ihr für den Rest des Abends Fotos von ihren Enkelkindern zeigen. Wenn nicht, steht sie solo in der Gegend herum und bemüht sich krampfhaft, nicht solo auszusehen. Und alle machen – nach dem hastigen Austausch der allernötigsten Höflichkeiten – einen Bogen um sie, damit sie sich nicht verzweifelt festsaugt an ihnen.

Jetzt sei doch nicht gleich so negativ, sagen wir. Und wir entwerfen das Bild eines hinreißenden Feschaks, der nur dar­auf gewartet hat, Eva auf einem Fest wie diesem zu begegnen. Eva sagt, auf Festen wie diesem treiben sich keine hinreißenden Singles mehr herum. Sie weiß auch nicht, wohin all die potenziellen Beuten verschwunden sind, die Partybesuche früher so spannend gemacht haben, aber seit geraumer Zeit kommt kein Typ mehr ohne zugehörige Dame, und vor allem verlässt keiner mehr die Festivität mit einer Frau, mit der er nicht gekommen ist. Sie vermutet, das könnte was mit dem Alter zu tun haben – mit jenem der gesetzten Kreise, in denen sie sich bewegt, und mit ihrem eigenen. Die potenziellen Beuten lassen sich nur noch von Jägerinnen aus der Töchtergeneration reißen, sagt sie, und mit denen gehen sie dann auf die Feste der gesetzten Kreise.

Dann nimm halt eine Freundin mit, schlagen wir vor. Darauf hätte sie an und für sich große Lust, sagt Eva, weil dann wäre sie einerseits nicht ohne Ansprache und andererseits frei für hinreißende Feschaks, die ausnahmsweise Jägerinnen aus der Müttergeneration zu schätzen wüssten. Könnte ja doch sein, dass sich so einer einmal auf ein Fest wie dieses verirrt, man soll die Hoffnung nicht gänzlich aufgeben. Na bitte, Problem gelöst. Nein leider. Wieso? Auftritte mit Freundinnen auf Festen wie diesem werden leicht als Outing missverstanden, behauptet Eva, und sie will sich nicht als Lesbe outen, wenn sie keine ist. Also bitte, wie finden wir denn das? Seit wann so spießig? Was heißt spießig, sagt Eva, sie habe nur einfach keine Lust, falsche Statements abzugeben und falsche Zielgruppen anzusprechen beziehungsweise abzuschrecken.

Wir äußern den Verdacht, Eva mache sich vielleicht übertriebene Vorstellungen vom öffentlichen Interesse an ihrer Person. Könnte es sein, dass sich kein Schwein den Kopf zerbricht, warum du mit wem auf dieses Fest gehst? Das könnte leicht sein, sagt Eva. Es könnte aber auch sein, dass sich das eine oder andere Schwein doch das Maul über mich zerreißt, und für diesen Fall möchte ich mit einem hinreißenden Feschak auftreten. Wir schauen verständnisvoll, und Martha sagt, sie würde Eva ja gern ihren ziemlich gut erhaltenen Gemahl borgen, wenn sie nicht einen gewissen Widerwillen dagegen hätte, danach womöglich als arme Betrogene zu gelten.

Wir schlagen vor, dass Marthas Gemahl einen Button mit der Aufschrift Leihgabe tragen soll, was aber wiederum Eva gegen den Strich geht, von den wahrscheinlichen Reaktionen des Martha-Gemahls einmal abgesehen.
Eva fragt uns vorwurfsvoll, warum wir, verdammt noch einmal, keine Brüder hätten. Haben wir ja, jedenfalls ein paar von uns. Aber dummerweise haben die Brüder Gemahlinnen, die nicht als arme Betrogene gelten würden wollen, und außerdem wären nicht alle Brüder ein Imagegewinn.
Eva seufzt.

In unser Beratungsgespräch platzt Marthas Tochter. Du bist schon zurück?, fragt Martha irritiert. Ihre Tochter verdreht die Augen. Dann beginnt sie eine verwickelte Geschichte zu erzählen. Sie handelt von blöden Tussis, die früher unternehmungslustige Freundinnen waren, sowie von einer verabscheuungswürdigen Form der Geselligkeit, die Marthas Tochter Pärchenabende nennt, etwas, das sie, wie sie behauptet, auch dann zum Kotzen fände, wenn sie nicht gerade ­Single wäre, obwohl – Sie bricht ab. Was rede ich da, fragt sie rhetorisch in unsere Runde, euch kratzt doch so was nicht, oder? Wir schweigen betreten. Na ja, sagt Eva schließlich, wir sind vielleicht nicht ganz so souverän, wie du glaubst.

Souverän? Marthas Tochter schaut erstaunt. Ich hab nur geglaubt, ihr habt diesen Mist längst hinter euch. Wir blicken beschämt zu Boden. Nein, jetzt im Ernst, sagt Marthas Tochter, habt ihr nicht? Soll das heißen, das geht ewig so weiter? Martha versucht uns zu retten. Das kommt ganz auf euch an, blafft sie. Jetzt ist deine Generation am Zug. Seid gefälligst selbstbewusst und unabhängig! Wir haben das Unsere geleistet.
Ihre Tochter mustert uns zweifelnd.

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