Epstein, alles muss versteckt sein

Donald Trump hat jahrelang die wildesten Verschwörungserzählungen gesponnen. Jetzt hat er sich selbst in einer verheddert.

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Donald Trump hat loyale Fans. 

Das sogenannte MAGA (Make America Great Again)-Lager verzeiht seinem Präsidenten so gut wie alles. Schweigegeldzahlungen an einen ehemaligen Pornostar und sexistische Äußerungen gegenüber Frauen („grab them by the pussy“). Eine Steuerreform, die dazu führen wird, dass in den nächsten Jahren Millionen US-Amerikaner ihre Krankenversicherung verlieren.

Nichts aber bringt Trump derzeit so in Bedrängnis wie Jeffrey Epstein, der verstorbene Investmentbanker und verurteilte Sexualstraftäter, der zu Lebzeiten zahlreiche Mädchen und junge Frauen missbraucht sowie Prominenten zugeführt haben soll. 2019 wurde Epstein tot in seiner New Yorker Gefängniszelle aufgefunden. Offiziellen Angaben zufolge beging er Selbstmord. Das MAGA-Lager glaubt aber an eine andere Geschichte. Epstein soll vom „tiefen Staat“, also einer mächtigen liberalen Elite, eliminiert worden sein. Damit hätte man verhindern wollen, dass er auspackt und Prominente im Umfeld der Demokraten sowie aus Hollywood belastet.

Es gibt zahlreiche Bilder, die Trump beim Partymachen mit dem Hedgefonds-Manager zeigen. Darauf zu sehen ist, neben Trumps Frau Melania, auch die Partnerin und langjährige Gehilfin Epsteins, Ghislaine Maxwell. Sie sitzt in Florida derzeit eine Haftstrafe von 20 Jahren ab.

Seine Nähe zu Epstein hat Trump nie davon abgehalten, auf der Gerüchtewelle mitzureiten und politisches Kleingeld daraus zu schlagen. Die Verschwörungserzählung, wonach linke Netzwerke einen globalen Handelsring mit Kindern betreiben, ist im MAGA-Lager tief verwurzelt. Was in Internetforen wie „4Chan“ als Meme begann, wurde mit Trump zum Mainstream. Er wurde zum Erlöser der sogenannten QAnon-Bewegung, die der Überzeugung ist, dass nur er den „tiefen Staat“ bekämpfen kann. Trump glaubt diesen Blödsinn mit großer Wahrscheinlichkeit nicht selbst, aber er gefiel sich in der Rolle als Aufdecker. Im Wahlkampf hat er angekündigt, die Kundenlisten Epsteins öffentlich zu machen.

Jetzt wird ausgerechnet Trump Opfer einer Kunst, die er so meisterhaft beherrscht wie wohl kein US-Präsident vor ihm: hartnäckige Gerüchte in die Welt zu setzen, die erfunden sind, aber haften bleiben.

Jetzt tut seine Regierung das Gegenteil. Vergangene Woche veröffentlichten Trumps Justizministerin Pam Bondi und der Chef der Bundespolizei FBI, Kash Patel, ein knappes Memo. Es gäbe keine Kundenliste, und Epstein habe Selbstmord begangen. Fall erledigt? Nicht für Trumps Basis, in der die Wogen hochgehen. Ministerin Bondi hatte noch vor wenigen Monaten behauptet, dass die besagte Kundenliste zur Prüfung auf ihrem Schreibtisch liege.

Jetzt wird ausgerechnet Trump Opfer einer Kunst, die er so meisterhaft beherrscht wie wohl kein US-Präsident vor ihm: hartnäckige Gerüchte in die Welt zu setzen, die erfunden sind, aber haften bleiben.

Trump zweifelte die Echtheit der Geburtsurkunde Barack Obamas an und stellte damit die Legitimität des ersten schwarzen Präsidenten der USA infrage. Als er bei der Präsidentschaftswahl im November 2020 gegen Joe Biden verlor, sprach Trump von einer gestohlenen Wahl. Daraufhin kam es im Jänner 2021 zum Sturm auf das Kapitol.

Dieser versuchte Staatsstreich war der vorläufige Höhepunkt einer Geschichte, die rechte Influencer rund um Trump seit Jahren verbreiten. Es ist die Geschichte einer einflussreichen Elite, die etwas zu vertuschen versucht. Epstein hat wunderbar in dieses Bild gepasst.

Der Fall Epstein wird für Trump zur Zerreißprobe. 

Der Fall Epstein wird für Trump zur Zerreißprobe. Ehemalige Bewunderer und Wegbegleiter kritisieren ihn öffentlich. Das prominenteste Beispiel ist der Tech-Milliardär Elon Musk, der mittlerweile mit Trump gebrochen hat. Er drohte auf „X“, eine „Bombe“ zu zünden, und behauptete, der Name von Trump tauche in Akten über Epstein auf, die unter Verschluss gehalten werden. Später löschte er den Post wieder. Die rechtsextreme Influencerin Laura Loomer, eine weitere treue Anhängerin aus dem engsten Umfeld Trumps, rief auf „X“ zum Rücktritt der Justizministerin auf. Auch der ehemalige „Fox News“-Moderator Tucker Carlson forderte lautstark Transparenz im Epstein-Fall.

Musk, Loomer und Carlson sind gewichtige Meinungsmacher im MAGA-Lager. Sie erreichen auf ihren Plattformen ein Millionenpublikum.

Die Verschwörungserzählung, an der Trump selbst mitgeschrieben hat, scheint sich gegen ihn zu wenden.

Franziska Tschinderle

Franziska Tschinderle

schreibt seit 2021 im Außenpolitik-Ressort. Studium Zeitgeschichte und Journalismus in Wien. Schwerpunkt Südosteuropa / Balkan.