Franz Schellhorn
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Franz Schellhorn: Geben ist seliger als reden

Eine Gruppe von Millionären will endlich kräftig besteuert werden, um das Elend auf dieser Welt zu lindern. Das ist löblich. Aber warum brauchen sie dazu den Staat?

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Franz Schellhorn

Der Direktor des Thinktanks Agenda Austria schreibt regelmäßig Gastkommentare für profil.

Am Rande des Weltwirtschaftsforums in Davos haben 100 Millionäre die Regierungen weltweit dazu aufgerufen, endlich Nägel mit Köpfen zu machen und eine globale Reichensteuer einzuführen. Vermögen über fünf Millionen Dollar sollen demnach mit zwei Prozent pro Jahr besteuert werden, bei über 50 Millionen Dollar werden drei Prozent fällig, und jeder Milliardär wird alljährlich um fünf Prozent seines Besitzes erleichtert. Auf diese Art und Weise sollen 2500 Milliarden Dollar zusammenkommen, mit denen über zwei Milliarden Menschen aus der Armut befreit werden könnten.
 

Aber warum gehen die 100 Millionäre nicht mit gutem Beispiel voran und überweisen ihren nationalen Regierungen freiwillig die von ihnen vorgeschlagenen Beträge? Statt auf eine „globale Reichensteuer“ zu warten, von der sie bereits heute wissen, dass sie nie kommen wird, weil sich immer der eine oder andere Staat als Steueroase anbieten wird. Die Antwort ist recht einfach: Indem eine völlig illusorische Systemänderung gefordert wird, bekommen die 100 Millionäre zumindest jede Menge Gratis-PR. Sie können sich als nette Reiche ins Rampenlicht rücken, die dringend etwas gegen das Leid in der Welt unternehmen wollen und für mehr Verteilungsgerechtigkeit eintreten, ohne jemals zur Kasse gebeten zu werden.


Das ändert aber nichts daran, dass wir es tatsächlich mit einer gewaltigen Schieflage in der Vermögensverteilung zu tun haben. Während sich die Vermögen der reichsten zehn Erdenbürger seit Ausbruch der Pandemie geradezu explosionsartig vermehrten, sind Millionen von Menschen in die bittere Armut zurückgerutscht. Jeder, der sein Herz am rechten Fleck hat, wird diese Entwicklung für eine nicht hinzunehmende halten.

Dennoch kann man trefflich darüber streiten, ob den Ärmsten der Armen geholfen ist, wenn Superreiche kräftig besteuert werden. Das wäre dann der Fall, wenn die Staaten besonders erfolgreich in der Bekämpfung von Armut agierten. Und wenn diesen im Kampf gegen die Armut besonders erfolgreich agierenden Staaten schlicht und ergreifend das Geld fehlte. Beides ist aber nicht der Fall. Ganz im Gegenteil. Die reichen Staaten schwimmen trotz Pandemie im Geld. Zudem scheitern sie auffallend oft kläglich, wenn es um das Zurückdrängen bitterster Armut geht. Mehr noch: In vielen Fällen sind Staaten die zentrale Ursache für das Entstehen großer Not, indem korrupte Regierungen ihre Bevölkerung ausbeuten und/oder in kriegerische Auseinandersetzungen hetzen.


Statt Geld fragwürdigen Regierungen anzuvertrauen, könnten die hilfsbereiten Vermögenden selbst zur Tat schreiten. Etwa, indem sie die von ihnen geforderten zwei Prozent ihres Besitzes zu Geld machen und damit einige der vielen guten Projekte kräftig unterstützen. Oder indem sie armen Familien in der näheren Umgebung finanziell unter die Arme greifen. So wie das sehr viele Wohlhabende längst tun. Sie spenden in aller Stille Millionen an Bedürftige oder an die Wissenschaft, damit diese Heilung gegen Krankheiten sucht, für deren Bekämpfung die Pharmaindustrie aus wirtschaftlichen Gründen nicht zu begeistern ist.


Die nach dem besteuernden Staat rufenden Millionäre könnten die Gelder aber auch Bill Gates anvertrauen. Die Gates Foundation hat in den Entwicklungsländern mehr Gutes bewirkt als die internationale Staatengemeinschaft in den vergangenen Jahrzehnten zusammengenommen. Seit Beginn des Jahrtausends hat die Stiftung über 50 Milliarden Dollar zur Bekämpfung der Armut ausgegeben. Damit wurden Bildungsprogramme unterstützt, die Landwirtschaften in armen Ländern verbessert, vor allem aber Krankheiten wie Malaria, Gelbfieber, Kinderlähmung oder Tuberkulose zurückgedrängt. Das humanitäre Engagement des Milliardärs befeuerte wüste Verschwörungstheorien: Gates würde sich nur deshalb engagieren, um sich die Weltherrschaft unter den Nagel zu reißen.


Davon sollten sich hilfsbereite Millionäre und Milliardäre nicht abbringen lassen. Auch in unseren Breiten gibt es viel zu tun. Wohlfahrtsstaaten wie der österreichische tun zwar enorm viel, um die Armut zu lindern, sind an deren Entstehen aber nicht unbeteiligt. Jeder fünfte 15-jährige Pflichtschüler kann nicht sinnerfassend lesen. Genauso viele beherrschen die Grundrechnungsarten nicht. Hier wächst die Armut von morgen heran. Und das, obwohl Österreich die dritthöchsten Ausgaben pro Schüler weltweit hat. Am Geld fehlt es also nicht, sondern an der Entschlossenheit des Staates, vor allem Kindern aus sozial schwachen Familien eine bessere Schulbildung zu bieten.


Die 100 Millionäre sollten nicht auf den Staat warten, sondern selbst zur Tat schreiten. Sie sollten eigene Stiftungen gründen, die nach dem Vorbild der Gates Foundation professionell geführt werden und dafür sorgen, dass das viele Geld auch dort ankommt, wo es gebraucht wird, statt in den dunklen Kanälen staatlicher Büro- und Kleptokratien zu versickern. Davon hätten die Ärmsten der Armen mehr als von Forderungen nach weltweiten Vermögenssteuern, die so nie kommen werden.