
Sparen in der Not
Es ist paradox. Die Krisen reichen bis in die europäische Nachbarschaft: Ukraine, Syrien, Gaza. Österreichs öffentliche Entwicklungszusammenarbeit (EZA) und humanitäre Hilfe engagiert sich genau dort. Sie unterstützt auch in Afrika, das angesichts von Konflikt, Armut, demografischer Entwicklung, Extremwetter und anderen Fluchtursachen im Fokus internationaler Geberanstrengungen stehen muss. Sogar die offizielle Sicherheitsstrategie der Republik pocht darauf: Österreich solle die Beziehungen zum Globalen Süden ernsthaft ausbauen.
Die Relevanz des Politikfelds ist greifbarer denn je. Und dennoch braut sich über der EZA ein perfekter Sturm zusammen. Große Geber von den USA über Großbritannien bis zu den Niederlanden ziehen sich zurück. Die politische Zeitenwende verschiebt Ausgabenprioritäten in Richtung militärischer Verteidigung. Und eine konjunkturelle Schieflage erhöht den Druck auf den Staatshaushalt.
Vergangenen Dienstag stellte der Finanzminister das Doppelbudget für 2025 und 2026 vor. Im Außenministerium wird die Sparlast so verteilt, dass Ausgaben für bilaterale, von Österreich direkt gestaltbare EZA in den nächsten zwei Jahren um gleich ein Drittel gekürzt werden: von rund 220 auf rund 150 Millionen Euro. Konkret geht es um die Mittel der Austrian Development Agency (ADA), der Fördereinrichtung des Bundes für EZA-Projekte, und um den Auslandskatastrophenfonds (AKF), den Topf für humanitäre Sofortmaßnahmen. Anderweitige Sparmaßnahmen im Außenministerium? Kann man mit der Lupe suchen.
Für einen kleinen Sektor wie die EZA sind das keine Peanuts. Die bis 2026 geplanten Kürzungen bei der bilateralen EZA sind die massivsten der vergangenen 20 Jahre. Das Ziel einer Anhebung der EZA-Ausgaben, zu dem sich Schwarz-Rot-Pink noch vor zwei Monaten im Regierungsprogramm bekannt hatte, ist schon jetzt Geschichte.
Zur Einordnung: 2024 beliefen sich ADA und AKF zusammen auf nicht einmal ein Zehntelprozent (!) der Staatsausgaben. Österreich gibt gemessen an seiner Wirtschaftsleistung schon jetzt weniger für öffentliche Entwicklungshilfe aus als alle anderen westeuropäischen EU-Länder.
Dabei handelt es sich um wichtige Budgets: Die Mittel des AKF fließen etwa in die Versorgung von Kriegsflüchtlingen und die notleidende Zivilbevölkerung der Ukraine – und helfen damit Menschen in äußerst schwierigen Lebenslagen. Die Vorgängerregierung stockte dieses Budget auf unter dem Motto „Hilfe vor Ort“.
Auch inhaltlich setzt das Außenministerium fragwürdige Akzente. Anstatt ein Staatssekretariat für Entwicklungspolitik einzurichten, wie es dies in der Vergangenheit schon gab, versucht man sich in der ressortfremden Materie der Deregulierung. Und die EZA soll zur „Erschließung neuer Märkte für die heimische Wirtschaft“ genutzt werden. Für diesen Zweck gibt es freilich schon andere, finanzstarke Instrumente.
Der Finanzrahmen ab 2027 sieht weitere heftige Einschnitte für den Bereich Äußeres vor. Sollte sich die Lastenteilung im Außenministerium nicht anders gestalten als jetzt, dann gehen neuerliche Kürzungen an die organisatorische Substanz der EZA. Das Risiko eines Kaputtsparens ist real.
Es ist bitter genug, dass die budgetär ohnehin schon unterdotierte Außenpolitik zur Sanierung des Staatshaushalts beitragen muss. Die Reduktion gerade bei EZA und humanitärer Hilfe ist ethisch wie strategisch fragwürdig: ethisch, weil sie zulasten der Ärmsten geht; strategisch, weil sich die Außenministerin gestaltbarer Mittel beraubt.
In einer geopolitisch kritischen Zeit müsste eine aktive Außenpolitik die Zusammenarbeit mit dem Globalen Süden stärken und die Lücke füllen, die andere Geber hinterlassen. Es geht darum, einen nicht nur symbolischen, sondern substanziellen Beitrag zur Stabilisierung der Krisen in unserer Nachbarschaft und darüber hinaus zu leisten.
Lukas Schlögl ist Experte für Entwicklungspolitik der Österreichischen Forschungsstiftung für Internationale Entwicklung (ÖFSE).