Industriepolitik jenseits der Buzzwords

Die heimische Industrie hat strukturelle Probleme und muss entlastet werden. Das wird mittlerweile von allen gesehen. Aber eine richtige Industriestrategie ist das noch lange nicht.

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Von Sabine Herlitschka

Österreich ist ein Industrieland. Der im OECD-Vergleich hohe Anteil der Produktionswirtschaft war und ist der zentrale Motor unseres Wohlstands. Gewichtiger als Tourismus oder Landwirtschaft. Und die österreichische Industrie hat strukturelle Probleme. Die wesentlichen Gründe sind allseits bekannt und werden – wenn auch mit unterschiedlicher Akzentuierung – von allen Seiten gesehen. Ja, wir müssen Kostenentlastungen schaffen bei Arbeit, Energie und Bürokratie. Und ja, es ist wirklich dringend. Aber eine Industriestrategie ist das noch nicht.

„Alles Gute ist konkret.“ Konkrete Vorhaben erkennt man daran, dass sie schwierige Entscheidungen erfordern. Buzzwords wie „Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit“ reichen für den politischen Diskurs und Schlagzeilen, führen aber nicht zur Umsetzung. Aber was sind Beispiele für konkrete Industriepolitik, für Entscheidungen, für Umsetzungsmaßnahmen einer Strategie, die den Namen verdient?

Zum Beispiel, ob Österreich in den nächsten Jahren eine industrielle Wasserstoff-Infrastruktur aufbaut. Warum ist das strategisch? Weil davon abhängt, ob wir in Österreich mittelfristig noch Wertschöpfung bei grünem Stahl haben werden. Das betrifft einen unserer größten Leitbetriebe und viele Unternehmen im Ökosystem. Wenn wir grünen Wasserstoff wollen, brauchen wir viel, sehr viel grünen Strom. Das heißt massiver Ausbau von Wind, Solar und Netzen. Ohne Wenn und Aber – und schnell.

Stichwort dabei ist kluge Regulatorik, evidenz- und ergebnisorientiert statt bürokratischer Hemmnisse. Regulatorik, die auf Ermöglichung abzielt und Sicherheit gibt, gerade bei Investitionen, mit zentralen Anlaufstellen statt teuren und komplexen Parallelstrukturen. Und koordinierte Digitalisierung im öffentlichen Bereich österreichweit.

Erfolgsfaktor Innovation: Wir sind ein kleines Land. Wir können nicht auf jedem „Kirchtag“ tanzen. Wichtig ist, uns auf Stärken zu konzentrieren und künftige Stärken strategisch aufzubauen – sowie kompetitive „Ökosysteme“ um Leitbetriebe, Bildungs-, Forschungseinrichtungen und Start-ups zu stärken. Zentrale Rolle spielen Schlüsselsektoren wie Life Science, Automotive und Schlüsseltechnologien wie klimaneutrale Produktion, KI, Mikroelektronik und Advanced Materials.

Förderung allein greift aber zu kurz, wir müssen Marktdynamik für Innovation schaffen. Die innovationsorientierte Beschaffung durch die öffentliche Hand ist ein mächtiges Instrument. Die Beschaffung steht für jährlich rund 70 Milliarden Euro. Wenn es gelingt, davon zehn Prozent innovationsorientiert zu verwenden, entspricht das einer massiven Innovationsstärkung. Etablierte internationale Beispiele zeigen, dass davon besonders KMU und Start-ups mit ihren innovativen Ideen profitieren.

Widerstände sind ein Beweis dafür, dass Neues entsteht, dass Pfade verlassen werden. 

Sabine Herlitschka, Infineon Österreich

Auch die Kreislaufwirtschaft ist ein Beispiel mit kompetenten Unternehmen, die mit Laser- und Röntgentechnologie innovative Anlagen bauen. Ein solider Heimmarkt könnte ihnen den Weg auf den Weltmarkt ebnen. Kreislaufwirtschaft, innovative Beschaffung, grüner Stahl – das sind konkrete Beispiele für „grüne Leitmärkte“. Für den letzten entscheidenden Schritt im „Innovation Channel“: die Umsetzung von Forschung in Markterfolge.

Einen solchen Strategieprozess muss man monitoren. Aber bitte nicht mit Dutzenden Parametern. Keine neuen Reports, keine neuen Stabstellen. Das renommierte Wirtschaftsinstitut IMD veröffentlicht ein breites, qualitativ balanciertes Wettbewerbsranking der Wirtschaftssysteme. Österreich hat in den letzten vier Jahren zehn Plätze verloren und liegt mittlerweile auf Platz 26. Diese zehn Plätze holen wir uns in den nächsten vier Jahren wieder, das wäre doch ein sehr gutes Ziel. Die jährliche Messung dazu bekommen wir gratis ins Haus und im internationalen Vergleich. Es geht auch einfach.

All diese Dinge brauchen in der Umsetzung klare Entscheidungen. Entscheidungen, etwas zu tun oder zu lassen, auch wenn Widerstände zu erwarten sind. Widerstände sind sogar ein Beweis dafür, dass Neues entsteht, dass Pfade verlassen werden. Dazu brauchen wir ein klares Zielbild. Attraktiv, mutig und vor allem konkret. So etwas verdient den Namen „Strategie“.

zu sehen ist ein Porträtbild der Infineon-Chefin Sabine Herlitschka
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Zur Person

Sabine Herlitschka (59) ist seit 2014 Vorstandsvorsitzende Infineon Technologies Austria AG.