Georg Hoffmann-Ostenhof: Alles Gute, lieber Papst

Georg Hoffmann-Ostenhof: Alles Gute, lieber Papst

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Barack Obama bewundert ihn. Der US-Kongress brachte ihm stehende Ovationen dar. Und auch sonst schwärmt die amerikanische Öffentlichkeit von Papst Franziskus, der Mitte vergangener Woche seinen ersten Besuch in den Vereinigten Staaten absolvierte. Seinen größten Fan in der politischen Öffentlichkeit der USA hat der Heilige Vater aber in Bernie Sanders.

Der Senator von Vermont, der im Vorwahlkampf um die Präsidentschaft der Demokratin Hillary Clinton Konkurrenz macht, hat Pope Francis schon Wochen vor dessen Ankunft gleich mehrfach lobend erwähnt. Als sich Sanders, der deklarierte Sozialist und nicht-religiöse Jude, in die Liberty University, die größte evangelikale Universität der USA, wagte, versuchte er das ultrakonservative Publikum mit Zitaten des Papstes zu beeindrucken: Der höchste Katholik habe die gleichen Ansichten wie er selbst – zur Ungleichheit auf der Welt, zur notwendigen Umverteilung und der Unmoral der gierigen Superreichen –, führte er aus. Ob er in dieser Versammlung christlicher Fundis auch nur einen Einzigen als Wähler gewonnen hat, ist unbekannt. Aber dass seine Berufung auf den Papst nicht bloß Wahlkampftaktik war, zeigte Sanders vergangenen Donnerstag: Begeisterter als alle anderen amerikanischen Abgeordneten pries Sanders den Auftritt von Franziskus vor dem US-Kongress.

Sanders’ Enthusiasmus ist verständlich. Eine derart linke päpstliche Rede hatte man bis dahin noch nicht gehört. Und in der konkreten politischen Situation Amerikas hat das seine ganz reale Bedeutung: Der Pontifex Maximus stellt sich klar auf die Seite der Demokraten.

Gewiss: Er hat in einem kurzen Satz „die Verantwortung für den Schutz des Lebens auf all seinen Entwicklungsstufen“ erwähnt und auf die „Wichtigkeit der Familie“ hingewiesen. Aber das war auch das Einzige, über das sich die Republikaner freuen konnten. In allgemeinen Termini lobte er Obamas Entspannungspolitik gegenüber Kuba und den Atom-Deal mit dem Iran, als er die „Anstrengungen der vergangenen Monate, historische Differenzen zu überwinden“, rühmte. Er sprang Obama, der gegen den vehementen republikanischen Widerstand Millionen von illegal im Land lebenden Ausländern vor der Deportation schützt, zur Seite, als er sich selbst als Sohn von Einwanderern (die Eltern des Argentiniers stammen aus Italien) bezeichnete und die Notwendigkeit betonte, „Ausländern mit der gleichen Passion und dem gleichen Mitgefühl zu begegnen, mit denen wir selbst behandelt werden wollten“.

Seine deklarierte Ablehnung der Todesstrafe wird in Amerika wohl nur vom linken Flügel der Demokraten, von Leuten wie Bernie Sanders, mit Wohlwollen aufgenommen.

Auf die Flüchtlinge, die gerade nach Europa drängen, ging er ebenfalls ein: „Wir dürfen uns nicht von der schieren Zahl abschrecken lassen, wir müssen sie als Personen sehen, in ihre Gesichter blicken, ihren Geschichten zuhören und auf ihre Situation so gut wie nur möglich reagieren.“

Seine deklarierte Ablehnung der Todesstrafe wird in Amerika wohl nur vom linken Flügel der Demokraten, von Leuten wie Bernie Sanders, mit Wohlwollen aufgenommen. Und auch die päpstliche Warnung vor „der von menschlicher Aktivität verursachten Verschlechterung der Umweltsituation“ schien ein direkter Angriff auf die Republikaner. Die meisten leugnen überhaupt die Klimaerwärmung und die Notwendigkeit, etwas dagegen zu tun.

Kein Wunder also, dass der mittlerweile zurückgetretene Speaker des Repräsentantenhauses, der Republikaner John Boehner, der während der Papstrede rechts von Franziskus saß, eine noch steinernere Miene als sonst aufsetzte und der demokratische Vizepräsident Joe Biden, zur Linken des Papstes, immer wieder zustimmend nickte und fleißig applaudierte.

Und die republikanischen Anwärter auf die Obama-Nachfolge wussten offenbar bereits vor der Ankunft des Papstes, was sie erwartete. Jeb Bush sprach wohl im Sinne seiner Mitbewerber, wenn er auf Franziskus angesprochen unwirsch formulierte: „Ich beziehe meine Politik nicht von meinen Bischöfen, Kardinälen oder dem Papst“, und hinzufügte: „Religion sollte uns als Menschen besser machen, und nicht in die Politik hineinwirken.“

Sanders hat es besonders gefallen, dass unter den vier bedeutenden Amerikanern, die Franziskus in seiner Ansprache ehrend hervorhob, neben dem Sklaven-Befreier Abraham Lincoln, dem Bürgerrechtsführer Martin Luther King und dem unorthodoxen katholischen Mystiker Thomas Merton auch die nicht allzu bekannte Dorothy Day war: eine radikale katholische Schriftstellerin, die sich in den 1930er-Jahren konsequent für Arbeiter und Arme einsetzte und damit mehrfach sowohl mit dem Staat als auch mit der Kirche in Konflikt geriet.

Wir leben in einer seltsamen Zeit: Das Oberhaupt der katholischen Kirche wird von säkularen Demokraten – und das nicht nur in den USA – verehrt. Jene aber, die Gott und Christus dauernd im Mund führen, um ihre Politik zu rechtfertigen, wie die amerikanischen Republikaner oder wie Viktor Orbán, der das christliche Europa zu schützen vorgibt, sehen ihn als Störfaktor. Am Schluss seiner Kongressrede sagte der Heilige Vater: „Ich bitte alle, für mich zu beten, und jene, die nicht glauben oder nicht beten können, bitte ich, mir auf meinem Weg Gutes zu wünschen.“

Nun denn: Alles Gute, lieber Papst Franziskus.

Georg Hoffmann-Ostenhof