Georg Hoffmann-Ostenhof

Georg Hoffmann-Ostenhof Erfolgreiche Langeweiler

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Fadlinge werden oft unterschätzt. Dem so blassen François Hollande hat man zu Beginn seiner Präsidentschaft nur wenig zugetraut. Nun überrascht er spektakulär mit Entscheidungskraft und Durchsetzungsvermögen. Klar ist aber auch: Der Franzose befindet sich in guter Gesellschaft.

Erinnern wir uns: Als Helmut Kohl, der lispelnde Koloss aus der rheinischen Provinz, 1983 ins Kanzleramt einzog, da bedeutete der CDU-Mann mit seinem betulichen Geschwafel von der geistig-moralischen Wende, gemessen am scharfsinnigen und kräftig-pragmatischen Stil seines Vorgängers Helmut Schmidt, einen politkulturellen Absturz. Viel zugetraut hat man dem von Karikaturisten lange als Birne veräppelten Kohl nicht. Und dann entpuppte er sich als einer der großen Staatsmänner der europäischen Geschichte. Er war es, der 1989 den Mantel der Geschichte erfassen und gegen viel Widerstand die Deutschen in die Einheit führen sollte.

Ebenfalls frei von Charisma schien dessen Nachnachfolgerin bei ihrem Amtsantritt zu sein. Die Kommentatoren gaben der Pfarrerstochter aus dem Osten keine große Zukunft. Die so langweilig wie unbeholfen wirkende Unions-Politikerin sollte aber mit Hartnäckigkeit und Beharrlichkeit das zustande bringen, was längst überfällig war: die Moderni­sierung des politisch konservativen Zentrums im Land. Da mögen viele Merkels Politik gegenüber der Eurokrise – ihre Sparwut und ihr dauerndes Zögern – kritisieren: Sie ist aber unbestritten die wichtigste europäische Politikerin, der allgemein mit großem Respekt begegnet wird. Und in Ihrer Heimat ordnet man ihr ein Wort zu, das sie oft selbst verwendet: Sie wird als „alternativlos“ angesehen.

François Hollande hat die Präsidentenwahl nicht gewonnen, hieß es im Mai vergangenen Jahres: Die Franzosen hatten Nicolas Sarkozy einfach satt. Als „normaler Präsident“ präsentierte sich der Sozialdemokrat. Und da mögen – als Kontrastprogramm zum pompösen und hektischen Sponti-Gaullisten Sarkozy – dem ruhigen und vorsichtigen Apparatschik anfangs sogar die Herzen der Franzosen zugeflogen sein. Aber nur kurz. Seine Popularität plumpste alsbald tief in den Keller. Und die Hoffnung, dass Hollande das Land aus der tiefen Krise herausholen könne, verflog bald.

Und wieder scheint man sich getäuscht zu haben.

Kaum jemand hätte erwartet, dass er schon im ersten Jahr seiner Amtszeit den Kriegsherrn geben würde. Es überraschte, mit welcher Entschlossenheit der ausgewiesene Antikolonialist Hollande die Militärintervention gegen die radikalen Islamisten in der ehemaligen französischen Kolonie Mali befehligte. Der durchschlagende Erfolg des Hochgeschwindigkeitsfeldzugs vom Süden in den Norden Malis hat den französischen Präsidenten nicht nur in diesem nordafrikanischen Staat zum bejubelten Helden gemacht und Paris neues Ansehen in Afrika eingebracht. Frankreich hat überdies durch die Demonstration seiner militärischen Kapazitäten seine Position in der weltpolitischen Arena gestärkt.
Der sklerotische Arbeitsmarkt in Frankreich ist einer der Hauptgründe, warum die Erwerbslosigkeit im Land so hoch und die internationale Wettbewerbsfähigkeit so schwach ist. Mehrere konservative Regierungen sind mit ihren Reformbemühungen gescheitert. Und nun hat just der Linke Hollande den Einstieg in die Liberalisierung und Flexibilisierung des Arbeitsmarkts geschafft. Er setzt auf Sozialpartnerschaft: Gewerkschaften (nicht alle) und Unternehmerverband haben sich auf die ersten Schritte geeinigt. In diesem so wichtigen Bereich Fortschritte zu erzielen, hätte man Hollande am wenigsten zugetraut.

Ein unerwartet scharfes Profil gewinnt er aber auch in der Frage der Homo-Ehe. Ihre Legalisierung und das Adoptionsrecht für schwule und lesbische Paare war eines seiner zentralen Wahlversprechen. Dass sich um diese Frage ein veritabler Kulturkampf mit Massendemos beider Seiten entspinnen würde – hie das katholische, da das säkulare Frankreich –, hat allgemein überrascht. Hollande ist fest entschlossen, nicht nachzugeben. Und er punktet damit.

Das hat er einer Frau zu verdanken: Christiane Taubira, die aus Guyana stammende schwarze Justizministerin, manövrierte quasi im Alleingang die konservativen Gegner der Schwulenehe in der Nationalversammlung ins Abseits. Und Madame ist wahrlich nicht fade. In völlig freier einstündiger Rede hat sie mit Witz, Wissen und Poesie den aktuellen Gesetzesentwurf historisch aus dem Republikanismus der Französischen Revolution und der fortschreitenden Säkularisierung der Gesellschaft abgeleitet: eine Sternstunde politischer Intelligenz und Rhetorik. In der französischen Öffentlichkeit wird sie als der aufgehende Stern der französischen Politik gefeiert. Schon wird spekuliert, dass sie demnächst den eher schwachen Premier Jean-Marc Ayrault ablösen wird.

Und was lehrt uns das alles? 1. Blässe und mangelnde Ausstrahlung müssen politisch kein Hindernis sein. 2. Frau Taubira zeigt, dass Charisma dennoch eine politische Produktivkraft sein kann. 3. Schließlich aber sei vor allem unseren Politikern, den Faymanns und Spindeleggers, gesagt: Man mag Langeweiler oft unterschätzen. Fadheit ist aber auch kein Erfolgsrezept.

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