Georg Hoffmann-Ostenhof

Georg Hoffmann-Ostenhof Heiratssachen

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Thema verfehlt – das suggeriert Kurt Krickler in seinem Gastkommentar der vergangenen Woche: Der Generalsekretär der Homosexuellen Initiative (HOSI) Wien polemisiert unter anderem gegen einen profil-Artikel, der die Einführung der Homoehe und die legale Möglichkeit gleichgeschlechtlicher Paare, Kinder zu adoptieren, für wünschenswert hält. „Die Mehrheit der Lesben und Schwulen hat nichts mit Heirat oder gar Familiengründung am Hut“, meint Krickler. Die Medien orientierten sich halt „in erster Linie an Vermarktbarkeit und Quoten“, die Forderung nach völliger Öffnung der Ehe bedeute aber, an den Bedürfnissen der Homosexuellen „vorbeizufordern“. Deshalb werde dieser mediale Hype auch wieder vorübergehen.
So weit Kurt Krickler. Originalität kann man ihm nicht absprechen. Es gilt freilich zu fragen, ob nicht eher der ­HOSI-Funktionär letztlich das Thema verfehlt hat. Es sieht ganz so aus.

Die Homoehe erlebt tatsächlich eine weltweite Hochkonjunktur. Seitdem im Jahr 2001 Holland als erster Staat beschloss, den Bund zwischen Partnern des gleichen Geschlechts und deren Recht auf Kinder staatlich anzuerkennen, gibt es kein Halten.

Zunächst in Europa: Ein Land nach dem anderen macht es den Niederlanden nach – traditionell liberale wie die skandinavischen Staaten, aber auch tiefkatholische wie Portugal und Spanien, zuletzt Großbritannien und Frankreich.

Jenseits des Atlantiks werden gleichermaßen immer öfter mit staatlichem Sanctus schwule und lesbische Hochzeiten gefeiert. In Kanada seit Längerem bereits. In zehn Bundesstaaten der USA auch schon. Und Präsident Barack Obama will die same-sex marriage im ganzen Land legalisieren.

Selbst in Südamerika ist diese am Vormarsch. In Argentinien, der Hauptbastion des Katholizismus auf dem Kontinent, ist sie seit 2010 geltendes Recht. Bekanntlich kam es darüber zwischen Jorge Mario Bergoglio – dem damaligen Erzbischof und jetzigen Papst Franziskus – und der Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner fast zum Zerwürfnis.
Wobei die „New York Times“ Interessantes zu berichten weiß: Als in Buenos Aires der entsprechende Parlamentsbeschluss auf der Tagesordnung stand, soll Bergoglio sogar bereit gewesen sein, einer Institutionalisierung der gleichgeschlechtlichen Partnerschaft zuzustimmen – wenn die nur nicht Ehe hieße. Mit solchem Pragmatismus soll er aber bei seinen Bischofskollegen abgeblitzt sein, berichtet das amerikanische Blatt.

Zurück zu Kricklers Überlegungen. Die Forderung nach der Homoehe – nur Produkt medialer Quotengeilheit? Bloß eine vorübergehende Mode? Warum sind aber weltweit Hunderttausende dafür auf die Straße gegangen?
Krickler weist darauf hin, dass in Österreich selbst von der Möglichkeit der „eingetragenen Partnerschaft“ nur ganz wenige Gebrauch machen und in Ländern, in denen sie heiraten dürfen, lediglich eine kleine Minderheit von Schwulen und Lesben die Ringe tauscht – und eine noch kleinere Kinder haben will. Warum sollte man, meint Krickler offenbar, sich auch den Tort antun, es den Heteros nachzumachen und sich unter das Joch der spießigen „traditionellen Kleinfamilie“ begeben?

Da mag ja was dran sein. Man kann sich dennoch des Eindrucks nicht erwehren, dass der HOSI-Mann die Entwicklung des vergangenen Jahrzehnts nicht wirklich begriffen hat. Es geht um Größeres, als er glaubt.

Nämlich um Gleichheit.

Wie sagte doch Barack Obama in der Rede zum Antritt seiner zweiten Amtszeit: „Wir haben auf unserer Reise zur Gleichheit das Ziel noch nicht erreicht, solange unsere homosexuellen Brüder und Schwestern nicht behandelt werden wie alle andern auch. Denn wenn wir gleich geschaffen sind, muss auch die Liebe eines Menschen zu einem andern gleichwertig sein.“

Und die französische Justizministerin Christiane Taubira erteilte Ende Jänner der Pariser Nationalversammlung eine beeindruckende Geschichtslektion, als sie ihren Gesetzesentwurf für die Einführung der Homoehe vorstellte: Sie schilderte den langen und steinigen Weg der Säkularisierung der Ehe. Es bedurfte schwerer Kämpfe gegen den Machtanspruch der Kirche, um von einem von Gott gestifteten Sakrament zu einem zivilen Vertrag zwischen freien Individuen zu kommen. Wie langwierig sei es doch gewesen, die staatliche Zivilehe durchzusetzen und von der Unauflöslichkeit zum Recht auf Scheidung zu kommen. Und Taubira erinnerte dar­an, dass ja in vergangener Zeit nicht nur den Priestern und Schwulen die Ehe verwehrt wurde. Geschiedene konnten sich nicht wieder verheiraten. Komödianten galten für diesen heiligen Bund als zu liederlich. Und noch bis ins 20. Jahrhundert mussten etwa Lehrerinnen auch bei uns ledig bleiben. Von den Leibeigenen, denen der Gutsherr jederzeit Ehelosigkeit vorschreiben konnte, ganz zu schweigen.
Schließlich feierte Frau Taubira ihre vorgeschlagene Reform als den endgültigen Übergang der Ehe von einer exklusiven zu einer inklusiven, wirklich universellen Institution.

Niemand wird in eine Ehe gezwungen. Aber dass deren Öffnung für wirklich alle – unabhängig von sexueller Orientierung – ein gewaltiger historischer Fortschritt ist, das sollte doch auch Kurt Krickler, ein wichtiger Proponent der österreichischen Schwulenbewegung, verstehen.

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