Georg Hoffmann-Ostenhof

Georg Hoffmann-Ostenhof Her mit der Marie!

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Ich hatte einmal die Ehre, gemeinsam mit ökonomischen Kapazundern wie Franz Vranitzky, Klaus Liebscher und Markus Marterbauer auf dem Podium im Kassensaal der Oesterreichischen Nationalbank zu sitzen, um über den Weg Europas aus der Krise zu diskutieren. Und die war damals, Ende 2009, gerade besonders tief und bedrohlich. Ich hatte mich ein wenig in die Fachliteratur eingelesen und rekurrierte im Verlaufe des Gesprächs auf einen Vorschlag, der in den USA vereinzelt gemacht wurde. Der kam nicht aus dem Mainstream des wirtschaftspolitischen Diskurses, plausibel erschien er mir dennoch: Warum überweist der Staat nicht ein paar Tausender direkt auf die Konten der Bevölkerung?, fragte ich. Die Leute würden mehr kaufen, somit würden die Unternehmen mehr produzieren und investieren, und die Spirale nach unten wäre gestoppt.

Ich war bass erstaunt, dass mein Diskussionsbeitrag weder als absurd abgeschmettert, noch als obskur weggelacht wurde. Ich erntete bei meinen prominenten Podiumsnachbarn sogar manch freundliches Nicken. Die Situation war damals freilich eine ganz besondere: Die Angst vor einer veritablen Kernschmelze der Weltwirtschaft ging um. Und plötzlich schienen die neoliberalen Ideen wie weggeblasen. Die Wall Street (!) plädierte für Verstaatlichungen, Stimulus-Pakete wurden en masse geschnürt. Und die Politik verfiel zuweilen auch auf Unkonventionelles: Man erinnere sich nur an die Abwrackprämie. Es sah aus, als ob plötzlich alle Anhänger von John Maynard Keynes, dem Theorie-Papst der Staatsintervention, geworden wären.

Dieser magische Keynes-Moment war aber so schnell vorbei, wie er gekommen war. Sobald man nicht mehr direkt am Abgrund stand, stellte sich wieder business as usual ein. Bloß, erfolgreich war man damit nicht wirklich. Und heute sind wir wieder mit einer dramatischen Situation konfrontiert. Zwar fürchtet man sich weniger vor einem brutalen Total-Absturz in die Rezession wie vor fünf Jahren, aber man blickt – vor allem in Europa – bang in eine Zukunft mit permanenter Deflation und lang anhaltender Stagnation.

Weder der Austerity-Kurs noch die Strukturreformen haben die Wirtschaft in die Gänge gebracht. Und die Politik des lockeren Geldes, die Mario Draghi, der Chef der Europäischen Nationalbank EZB, zum Missfallen der sparefrohen Deutschen macht, mag zwar das Ärgste verhindern – wirklich greifen die sich gen Null bewegenden Zinsen und die EZB-Käufe von Anleihen auch nicht. Selbst die weit massiveren Anleihen-Aufkäufe der US-Zentralbank Fed, "Quantitative Easing" (QE) genannt, brachten nur mäßige Ergebnisse. Die Unternehmer wollen einfach nicht investieren, und die Privathaushalte können oder wollen nicht kaufen und nicht borgen.
Die Suche nach dem Weg aus der Krise ist erneut angesagt. Und siehe da: Die Idee vom Geld, das einfach unter den Menschen verteilt wird, taucht wieder auf. Diesmal aber im Mainstream: In der September-Ausgabe von "Foreign Affairs", dem Polit-Journal des amerikanischen Establishments, kommen der Universitätsprofessor Mark Blyth und der Hedgefonds-Manager Eric Lonergan gleich im Titel ihres Artikels zur Sache: "Warum Zentralbanken den Leuten Geld direkt geben sollten".

Sie berufen sich dabei sowohl auf Keynes als auch auf Milton Friedman, dessen vehementen Kritiker. Friedman schlug einst vor, Banknoten frisch zu drucken und diese dann aus einem Helikopter abzuwerfen. Seitdem spricht man in diesem Zusammenhang von "Helikopter-Money".

Die Argumentation in "Foreign Affairs" ist denkbar simpel: Die Zentralbanken haben die Notenpresse dieser Tage ohnehin dauernd in Betrieb. Aber anstatt das neue Geld den Banken über verschiedene Transaktionen in der Hoffnung zukommen zu lassen, dass sie damit Kredite geben und so die Wirtschaft ankurbeln, sollte es cash direkt an die Konsumenten gehen. Man müsste davon weniger drucken. Das Ganze wäre administrativ unkompliziert und würde garantiert die Wirtschaft beleben.

Vor allem, wenn das Helikopter-Cash den nicht so gut verdienenden Bevölkerungsgruppen – Blyth und Lonergan schlagen die unteren 80 Prozent der Einkommensbezieher als Empfänger vor – anstatt den Wohlhabenden geschenkt würde. Damit wäre garantiert, dass viel davon in den Konsum geht. Und die Maßnahme hätte auch eine – für unsere immer ungleicher werdenden Gesellschaften wichtige – Umverteilungswirkung.

Dem Hauptargument gegen das Helikopter-Geld, dieses berge die Gefahr einer Hyperinflation in sich, begegnen die Autoren: Die jüngste gewaltige Geldmengenvermehrung in den USA habe keine wie immer geartete inflationäre Tendenz produziert. Und sie erklären auch, warum das so bleiben wird: Zum einen hält die Globalisierung des Arbeitsmarkts die Löhne niedrig. Zum andern ist die Sparquote in ärmeren und Schwellenländern hoch, weil sich die Menschen dort angesichts immer wiederkehrender Finanzkrisen absichern wollen.

Kein Zweifel: Vieles wird gegen diesen so einleuchtenden wie eleganten Weg aus der Krise eingewendet werden – obwohl oder gerade weil er so einfach aussieht. Und wie und wie viel Geld verteilt werden soll, muss natürlich konkretisiert werden. Es ist aber jedenfalls wert, über diese Idee des "quantative easing for the people", wie die Autoren ihren Vorschlag nennen, zu diskutieren. Gerade auch bei uns, wo wieder einmal die Wachstumsprognosen nach unten revidiert werden mussten.

PS: Ich möchte einen kleinen Zusatz anzubringen. Im Falle der Realisierung sollte das Helikopter-Money den europäischen Bürgern nicht von den nationalen Finanzministerien, sondern von der EU ausgezahlt werden. Das hätte eine enorme psychologische Wirkung und würde Europa ganz schön nach vorne bringen.

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