Georg Hoffmann-Ostenhof

Georg Hoffmann-Ostenhof Horror EU-Wahl

Horror EU-Wahl

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Nein, einen Rechtsruck, wie vielfach behauptet wurde, haben die Nationalratswahlen in Österreich nicht wirklich gebracht. Und mit Sicherheit vorauszusagen, dass Heinz-Christian Strache in fünf Jahren Kanzler wird, wenn sich nun wieder eine Große Koalition formiert, muss als Alarmismus eingestuft werden. Politische Fünfjahresprognosen sind einfach unseriös. Beunruhigung ist dennoch angesagt – wenn man an Wahlen denkt, die nicht erst in fünf Jahren, sondern bereits in acht Monaten geschlagen werden: die zum Europäischen Parlament. Die Angst, dass die FPÖ im kommenden Frühsommer zur stärksten österreichischen Fraktion in Straßburg wird, ist nicht unberechtigt.

Legt man das jüngste Nationalratsergebnis auf die Europawahl um, dann käme die FPÖ auf vier statt auf nur zwei Mandate wie bisher. Wenn die Selbstzerstörung der Rechtsgruppierungen BZÖ und Team Stronach demnächst abgeschlossen sein wird, werden sich deren Wähler voraussichtlich zu einem nicht geringen Teil Strache zuwenden. Und bei Europawahlen ist die Wahlbeteiligung üblicherweise niedrig. Das geht auf Kosten der Mitteparteien, im Falle Österreich der ÖVP und SPÖ.

Für Österreichs Politik wären ein paar mehr FPÖ-Abgeordnete in Straßburg zwar überaus peinlich, für das übrige Europa aber nicht so sehr dramatisch – lägen die voraussichtlichen Gewinne der Austropopulisten nicht im Trend.

Rechte EU-Feinde sind auf dem Vormarsch. Erst vergangene Woche hat die französische Nationale Front der Marine Le Pen bei Kommunal-Nachwahlen die beiden Mitteparteien – die linke PS und die bürgerliche UMP – hinter sich gelassen. Die Frau, die sich nach eigenen Worten darauf freut, dass „die EU wie einst die Sowjetunion zusammenbrechen“ werde, kann laut Umfragen damit rechnen, dass ihre Fraktion im Jahr 2014 zur stärksten französischen Partei in Straßburg wird.

Auch die Partei der Freiheit des Niederländers Geert Wilders dürfte realistische Chancen haben, demnächst als größte Fraktion seines Landes ins Europaparlament einzuziehen. Der wüste Islam-Gegner Wilders will dem Euro den Garaus machen und die EU-Kommission abschaffen.
Die UK Independent Party (UKIP), die Großbritannien lieber heute als morgen aus dem kontinentalen Joch der EU befreien würde und seit Jahr und Tag die konservative Regierung in London vor sich hertreibt, bereitet sich ebenso darauf vor, das Abgeordnetenhaus in Straßburg groß aufzumischen.

Und in Osteuropa und Skandinavien verspüren rechte Euro-Skeptiker und Brüssel-Hasser gleichfalls Morgenluft.

Auch linke Populisten, wie etwa die Syriza in Griechenland oder die Linke in Deutschland können bei den Europawahlen auf Zugewinne hoffen. (Wo die Bewegung des Italieners Beppe Grillo hingehört, ist bis heute unklar.) Die linken Euroskeptiker stellen aber gemeinhin, so nervig sie auch sein mögen, das Projekt der EU als Ganzes nicht so radikal in Frage, und sie sind vom nationalistischen Furor nicht so beseelt wie ihre rechtsrechten Kollegen.

Letztere könnten demnächst 20 bis 30 Prozent der EU-Abgeordneten stellen, glauben die Meinungsforscher. Eine höchst unerfreuliche Perspektive. Der Aufschwung der Nationalisten würde, wie der italienische Premier Enrico Letta kürzlich warnte, das ohnehin nicht gerade dynamische Europa weiter paralysieren. Und das Straßburger Parlament könnte eine ähnliche Effizienz entwickeln wie der US-Kongress mit seiner Tea Party. Tröstlich ist nur, dass bisher jeglicher Versuch der Rechtspopulisten, sich international zu organisieren – Frau Le Pen versucht es jetzt wieder – fehlgeschlagen ist. Nationalisten eines Landes mögen die Nationalisten des anderen eben nicht. Das liegt offenbar in ihren politischen Genen.

Was gegen das Erstarken des rechten Euro-Feinde getan werden kann, ist klar: Die sich immer verheerender auswirkende Sparpolitik beenden, die von vielen – vor allem im Süden – als das aus Brüssel kommende Böse schlechthin empfunden wird; und stattdessen einen offensiven Wachstumskurs einschlagen, der Arbeitsplätze schafft. Ein derartiger Schwenk ist, wenn überhaupt, nur langfristig realistisch.

Ein bisschen gegensteuern kann man jedoch bereits jetzt: Europa als politisches Thema wurde in den EU-Wahlkämpfen nie wirklich behandelt. Da ließ man die Leute mit ihren Ängsten, Ressentiments und den Populisten allein. Europawahl als Denkzettel für die jeweils Regierenden: So war das bisher. Wäre es nicht sinnvoll, wenn diesmal die europafreundlichen Parteien den Wählern ein direktes Angebot machten? Das Volk könnte etwa direkt bestimmen, wer „unser Mann in Brüssel“, wer österreichischer EU-Kommissar wird.

Um einen konkreten, kleinen Vorschlag zu machen: Die ÖVP nominiert als Spitzenkandidaten den jetzigen Kommissar Johannes Hahn; die Grünen vielleicht Alexander Van der Bellen; die NEOS Hans-Peter Haselsteiner. Und die SPÖ die ehemalige Siemens-Managerin Brigitte Ederer, die sich seinerzeit als Staatssekretärin beim EU-Beitritt große Verdienste erworben hat. Die Parteien vereinbaren: Wer die meisten Stimmen bekommt, wird konsensual in die Kommission entsandt. So hätte die Stimmabgabe einen tatsächlichen und sichtbaren Einfluss auf die EU-Politik. Das könnte spannend werden. Und solch ein europäisch-personalisiert geführter Wahlkampf würde der FPÖ mit ihrem nationalistisch en Gesudere ein wenig das Wasser abgraben.

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