Georg Hoffmann-Ostenhof

Georg Hoffmann-Ostenhof Kruzifix, noch einmal!

Kruzifix, noch einmal!

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Immer wieder flammen Diskussionen über das Kreuz auf. Und regelmäßig wird abgewiegelt. Etwa bei der Debatte darüber, ob es für einen säkularen Staat angemessen sei, das christliche Symbol an den Wänden der Schulen und in den Gerichtssälen beizubehalten oder nicht. Der Meinung, das Kreuz hätte an Orten des Staates, der ja gegenüber Religionen neutral sein sollte, nichts zu suchen, wird regelmäßig entgegengehalten: Das Kruzifix sei ja schon längst kein Zeichen des Christentums allein, vielmehr stelle es seit Langem schon bloß die symbolische Zusammenfassung des abendländisch-europäischen Wertgefüges dar, dem wir, ob Christ oder nicht, ohnehin angehören. Und wenn dieses Argument nicht zieht, dann wird rhetorisch gefragt, was man denn gegen ein Zeichen haben könne, das für Liebe und Toleranz stehe. Immer wieder aber stellt sich heraus, dass so nett, harmlos und universell das Kreuz mitnichten ist.

Während der „politische Missbrauch des Kreuzes“ durch die FPÖ bei uns im Zentrum heftiger Kritik steht, ist in Deutschland eine viel tiefgründigere Debatte um die christliche Symbolik entbrannt. Navid Kermani, einem Schriftsteller und Islamwissenschafter mit persischen Wurzeln, hätte der hessische Kulturpreis verliehen werden sollen – gemeinsam mit Kardinal Karl Lehmann und dem ehemaligen evangelischen Kirchenpräsidenten Peter Steinacker. Als die christlichen Kirchenmänner der hessischen Regierung erklärten, wenn Kermani den Preis erhalte, würden sie ihn ablehnen, wurde Kermani von Ministerpräsident Roland Koch informiert, dass ihn Hessen doch nicht ehren werde.

Stein des Anstoßes: ein Artikel in der „Neuen Zürcher Zeitung“. In diesem Essay hatte der säkulare deutsche Moslem mit schiitischer Prägung zwar beteuert, dass er jene, die zum Kreuz beten, respektiere, persönlich aber dieses ablehne. Er empfinde „die Hypostasierung des Schmerzes barbarisch, köperfeindlich, als Undank gegenüber der Schöpfung, über die wir uns freuen, die wir genießen sollen, auf dass wir den Schöpfer erkennen“. Er wisse, wovon er spricht, weil auch im Schiitismus „das Martyrium genauso exzessiv bis zum Pornografischen zelebriert“ werde. Ein wenig irre in seiner Ablehnung sei er zwar geworden, als er ein Kreuzigungs-Altarbild des italienischen Malers Guido Reni aus dem Jahr 1637 entdeckt habe, auf dem „das Leiden Jesu aus dem Körperlichen ins Metaphysische geführt wird“. Aber letztlich bleibe er dabei: Für ihn sei die Kreuzestheologie „Gotteslästerung und Idolatrie“.

Wie wenig man der christlichen Versicherung, das Kruzifix sei „alles andere als ein Machtsymbol“, glauben darf, wie es jüngst wieder Kardinal Schönborn in seiner Polemik gegen HC Strache formulierte, zeigt die hessische Preis-­Affäre in eklatanter Weise. Die beiden – eher liberalen – Kirchenmänner konnten die Kritik an der Kreuzestheologie einfach nicht ertragen und setzten locker durch, dass der moslemische Kritiker staatlich ungeehrt bleibt.

Es ist ja auch klar: Das Kruzifix ist als Symbol stärker, als man uns weismachen will. Es verweist nicht blässlich auf unsere Kultur im Allgemeinen, sondern erzählt uns eindringlich den grandiosen Gründungsmythos des Christentums. Es ist die Geschichte eines Menschenopfers, vom Sohn Gottes, der die Sünden der Welt auf sich nimmt, vom Vater, der ihn sterben lässt, von der Erlösung und letztlich auch von den Juden, die Jesus den römischen Schergen ausliefern. Das ist eine unheimlich starke, gewalttätige Story (in der Kommunion sind auch Anklänge an Kannibalismus enthalten), die uns in der verdichteten bildlichen Gestalt des Kruzifixes umso suggestiver gegenübertritt. Nicht sinnenfroh, aber umso sinnlicher.

Dass die Christen letztlich in diesem Symbol echte Kraft vermuten, zeigte sich etwa am Beispiel des Ehepaars Zilk-Koller: Wollte der ehemalige Wiener Bürgermeister nicht einst mit dem hoch gehaltenen Kreuz das Böse des bajuwarischen Terrorismus, dessen Opfer er wurde, bannen? Und Frau Koller streckte erst jüngst vor laufender Kamera profil-Chefredakteur Herbert Lackner dasselbe Kreuz entgegen, offenbar in der Absicht, dessen Enthüllung, dass ihr verstorbener Mann Ost-Spion war, ungeschehen zu machen.

Das Strache’sche Hantieren mit dem Kruzifix auf der ­Anti-Moschee-Demonstration hat viele provoziert. Missbrauch eines Symbols der Liebe für eine Politik des Hasses, lautete der Vorwurf. Wirklich Missbrauch? Das Provokante war etwas anderes: Im Bild des jugendlich auftretenden österreichischen Rechtsradikalen lag eine verstörende Wahrheit. Unter dem Kreuz wurden in der Geschichte mit Eifer Religionskriege gegen die Moslems geführt, Juden verfolgt und gemeuchelt, bekämpften sich die verschiedenen christlichen Glaubensrichtungen mit Mord und Totschlag. Der Gott des Kreuzes kämpfte im Ersten Weltkrieg auf beiden Seiten. Und auch im Zweiten segneten die Priester den deutschen Feldzug – gegen die gottlosen Bolschewisten.

Da mag Jesus ein Pazifist gewesen sein, in der Praxis haben seine Anhänger aber über Jahrhunderte hinweg sein Leid im hasserfüllten Kampf gegen Heiden, Ketzer, Abtrünnige, gegen Juden und Moslems eingesetzt. Gewiss: Strache instrumentalisiert das Christentum bloß für seine miese Politik. Das Aufregende ist aber: Das Foto des FPÖ-Führers, der mit dem Kruzifix gegen die Moslems ­seinen Kreuzzug führt, erscheint dem Betrachter nur allzu stimmig.

Dass sich die österreichischen Kirchen offensiv gegen den Rassismus stellen, ist zu begrüßen. Aber es muss auch einmal gesagt werden, was Robert Leicht vor einigen Jahren in der „Zeit“ gegen die Tendenz, das christliche Symbol des Kreuzes zu verharmlosen und zu banalisieren, geschrieben hat: „Das Kreuz ist kein Maskottchen des Abendlandes.“

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Georg Hoffmann-Ostenhof