Georg Hoffmann-Ostenhof

Georg Hoffmann-Ostenhof Papi und seine Mädchen

Papi und seine Mädchen

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Ich war ihm zu nahe, als dass er die Details vergessen haben könnte“, sagte Mittwoch vergangener Woche Patrizia D’Addario, eine bekennende Edelnutte aus Bari. Damit antwortete die Schöne aus dem italienischen Süden auf Berlusconis Versicherung, nie und nimmer für Sex zu zahlen und sich an Frau D’Addario nicht erinnern zu können. Vergangenen November nahm sie, so gibt sie an, gegen Geld gemeinsam mit mehreren – extra eingeflogenen – jungen Frauen an einer Privatparty im luxuriösen sardinischen Feriendomizil des italienischen Premiers Silvio Berlusconi teil.

Auf Einladung des 72-jährigen Medienmoguls, „im großen Bett“ auf ihn zu warten – er müsse noch duschen –, habe sie dann mit ihm die Nacht verbracht. Nun beschuldigt Berlusconi sie, die bezahlte Agentin einer „linken Verschwörung“ zu sein, die ihn fertigmachen soll. Das ist nur die vorläufig letzte Drehung in Berlusconis vielfältiger Sexaffäre – einer Affäre, über die er wirklich stolpern könnte. So meinen jedenfalls die Kommentatoren.

Berlusconi hat bisher alles ausgesessen: mehrfache Verurteilungen wegen Machtmissbrauchs und Bestechung, die Vorwürfe, er hätte sein Imperium mittels Mafiaverbindungen aufgebaut, die offensichtliche Unvereinbarkeit seiner medialen und seiner politischen Macht – nichts konnte ihm etwas anhaben. Dreimal wurde er bisher gewählt. Er ist der längstdienende Premier Italiens seit 1945. Und nun soll ihm seine Liebe zu jungen Frauen zum Verhängnis werden?

Das wäre auf den ersten Blick wirklich verwunderlich. Gerade im katholischen Italien, in dem Privatleben und ­öffentliches Interesse so sympathisch getrennt werden – im Unterschied zu den angelsächsisch-protestantisch-puritanischen Ländern, wo kleinste amouröse Fehltritte von Politikern bereits zu Rücktritten führen. „Bei uns können die in die Kirche gehen, beichten, beten, aber man erwartet von ihnen nicht, dass sie frei von Sünde sind“, weiß die Chefredakteurin der italienischen Tageszeitung „La Stampa“, Anna Masera. „Tatsächlich mögen die Italiener Heilige im Diesseits nicht: Perfektion ist etwas für den Himmel.“

Seine erotischen Eskapaden und seine promiske Ader haben Berlusconi bisher auch nur wenig geschadet. Vielfach wird das alles als viril-vitale Lebensfreude bewundert und trägt zu seiner Aura bei. Typisch dafür der Auftritt eines prominenten italienischen Journalisten vergangene Woche, der feststellte: „Berlusconi gibt allen Männern die Hoffnung, noch in ihren Siebzigern f…n zu können.“ Solche Vorstellungen beflügeln die erotischen Fantasien italienischer Männer. Viele denken: Warum soll er nicht im Privaten treiben, was wir, könnten wir es uns leisten, auch nur zu gerne tun würden? Die jüngsten Lokalwahlen haben gezeigt, dass sich die Bevölkerung noch nicht vom „Cavaliere“, wie er genannt wird, abwendet. Warum soll es also für ihn doch noch eng werden, wie jetzt behauptet wird?

Zunächst wird es der Kirche zu viel. Bisher drückte man beim Sexualleben des rechten Regierungschefs, der immer wieder penetrant die Familienwerte hochhält, ein Auge zu. Nun beginnen sich aber einige Bischöfe und auflagenstarke katholische Medien auf ihn einzuschießen. Ein Mindestmaß an Moral sei für eine öffentliche Persönlichkeit schon angebracht, monieren sie immer lauter.

Langsam dürfte sich auch Berlusconis Image verändern. Immer öfter wird gemutmaßt, dass sein machohaftes Posieren als Liebling der Frauen weniger Ausdruck von unstillbarer männlicher Triebstärke ist, sondern eher Schwäche verdeckt: Der x-mal geliftete, haartransplantierte und immer dick geschminkte Premier sei eigentlich impotent, so lautet das Gerücht: Die Legionen von Huren, Starlets und Showgirls würden nur herangekarrt, damit er sich wieder als ganzer Mann fühlen könne. Das lässt ihn lächerlich erscheinen.

Schließlich könnte Berlusconi Opfer jener Realität werden, die er selbst geschaffen hat. Er steht wie kein anderer für die Boulevardisierung Italiens. Der Besitzer von drei privaten Fernsehstationen (mit direktem Zugriff auf die öffentlich-rechtlichen) hat sukzessive Kultur und Politik raus- und seichte Unterhaltung, plumpen Humor und lustigen Trash reingezwungen. Italien wurde über die Jahre hinweg, um mit Anna Masera von der „Stampa“ zu sprechen, „zu einer einzigen Fernsehshow“, als deren – zuweilen durchaus amüsanter – Showmaster Berlusconi selbst auftritt.

Die meisten Sendungen des Italo-TV werden von Männern präsentiert, die von hübschen, spärlich bekleideten Mädchen umgeben sind. Diese Beautys finden sich dann wieder auf Berlusconis Privatfesten – und auch auf Wahl- und Ministerlisten seiner Rechtspartei „Volk der Freiheit“. Auf jeden Fall gilt am Boulevard mit dem Star- und Glamourprinzip die alte Trennung von Öffentlichkeit und Privatheit nicht mehr. Wenn es bei den anderen Celebrities nur um Klatsch und Tratsch geht, warum sollte Berlusconis Privatleben als einziges ausgenommen sein. Da mag er nun seine Sender dazu anhalten, nichts über die Partys, die Mädchen und die mafiösen Zuhälter, die ihm zu Diensten sind, zu bringen. Es wird nichts nützen. Das vergnügungssüchtig gemachte italienische Publikum will es ganz genau wissen. Wir auch.

Patrizia D’Addario könnte Berlusconis Nemesis werden. Sie hat einige „Details“ von der sardischen Nacht fotografisch und auf Tonband festgehalten. Diese Dokumente werden nicht geheim bleiben, sagt sie. Andere Partymädchen wollen auch erzählen, was sie mit „Papi“, wie sie Berlusconi nennen, auf den tollen Festen gemacht haben und was sie dafür bekamen. Die geben sich nicht mehr mit ihrer Rolle als bloße erotische Spielzeuge eines mächtigen „dirty old man“ zufrieden. Papi könnte es wirklich an den Kragen gehen.

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Georg Hoffmann-Ostenhof