Gerechtigkeit für Jan Böhmermann

Gerechtigkeit für Jan Böhmermann

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"Erdoğan hat gewonnen", stand vor einer Woche an dieser Stelle. Dabei hatte die Affäre Böhmermann zu diesem Zeitpunkt die kritischen Zündstufen noch gar nicht erreicht. Der ZDF-Satiriker war zunächst nur von seinem Sender zurückgepfiffen und von Kanzlerin Angela Merkel öffentlich gerügt worden. Mittlerweile steht Böhmermann aufgrund mehrerer Morddrohungen unter Polizeischutz; die jüngste Ausgabe seiner Show "Neo Magazin Royale" sagte er ab. Der türkische Präsident strengte eine Privatklage an, und vergangenen Freitag erteilte die deutsche Bundesregierung den Justizbehörden die Ermächtigung, ein Strafverfahren nach dem umstrittenen Paragrafen 103 (Beleidigung eines ausländischen Staatsoberhaupts) einzuleiten.

Jedes andere Urteil als die Höchststrafe wird Erdoğans osmanischen Furor in einer Weise anstacheln, die selbst der Unerschütterlichkeitsvirtuosin Merkel einige schlaflose Nächte bereiten dürfte.

Erdoğan hat somit jetzt schon mehrmals gewonnen, noch bevor auch nur ein Prozess angesetzt, geschweige denn abgeschlossen worden wäre. Dass er dessen Ausgang mit präsidialer Gelassenheit entgegenblickt, ist nicht zu erwarten. Jedes andere Urteil als die Höchststrafe (drei Jahre Gefängnis) wird seinen osmanischen Furor in einer Weise anstacheln, die selbst der Unerschütterlichkeitsvirtuosin Merkel einige schlaflose Nächte bereiten dürfte (falls sie dann noch im Amt sein sollte). Mit dem geschäftsmäßigen Verweis auf den Rechtsstaat kann sie Erdoğan nicht lange bei Laune halten. Er fordert Vergeltung, no matter what! Und wenn der deutsche Rechtsstaat ihm diese verweigert, werden akademische Diskussionen über die Freiheit von Satire noch das geringste Problem sein. Deshalb hoffen wir am Ende auf Gerechtigkeit für Böhmermann - falls er dann noch leben sollte.

Sven   Gächter

Sven Gächter